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Kalenderblatt Dezember 2005
von Robert M.
Kunst oder Natur

Dezember - ein Monat, in dem Enten und Gänse traditionell die Bratröhren öfter als in den 11 Monaten zuvor verlassen. Meinen chemo-kulinarischen 2005er Jahresend-Kalenderblatteintrag möchte ich aber nicht dem gebratenen Federvieh widmen, sondern seinem klassischen Begleiter, dem Rotkohl (Brassica oleracea var. capitata f. rubra)

Der blaue oder rote (dieses Phänomen werde ich anschließend in seiner populärwissenschaftlichen Gänze servieren) Genosse gehört zur Familie der Kreuzblütengewächse wie Raps und Radieschen, deren gemeinsames Merkmal der typische Kohlgeruch (verursacht von den Senfölglykosiden) ist. Der Gattung Kohl gehören dann auch all seine Freundinnen an, von Kohlrabi (wir essen die Verdickung zwischen Wurzel und 1.Keimblatt [Hypokotyl], Rosenkohl (Blattknospenkumulation) über Brokkoli (Blütenknospen) bis hin zur Kohlrübe (Wurzelknolle) usw.
Die allerdickste Freundin des Rotkohls ist der Weißkohl. Hierzulande wird der Rote aber nicht wie seine weiße Freundin milchsauer vergoren (Sauerkraut) - was gen Osten (Vorderasien) durchaus nicht unüblich ist.

Ob in Deutschland nun Rotkohl oder Blaukraut serviert wird, hängt ein wenig davon ab, woher Sie kommen oder wo Sie sich gerade befinden: oberelbisch wird man Ihnen gerne Rotes servieren, unterelbisch Blaues. Zugegeben, die Elbe-Grenzlinie ist von mir erfunden, doch möchte ich es nicht lassen, agrar-kulinarische Beweise zu liefern.

Die Wiki (wikipedia.de) weiß, dass Blaukraut/Rotkohl seine Farbe je nach pH-Wert des Bodens ändert. "In sauren Böden erscheint die Blattfarbe eher rot, in alkalischen Böden dagegen bläulich. So erklären sich auch die unterschiedlichen Bezeichnungen in verschiedenen Regionen."

Doch das Rot/Blau-Drama kulinarisiert sich erneut im Kochtopf. Rotkohl verfärbt sich je nach Zubereitung: Je mehr saure Kochzutaten dem chemischen Indikator Rotkohl angediehen werden, desto roter wird er. Sauer sind in diesem Fall saure Äpfel oder Essig oder Wein. Norddeutsch und Schwäbisch hingegen neigt die Rotkohlzubereitung zur alkalischen und somit violetten Beeinflussung des Bratbegleitguts: Zucker, Honig, süßere Äpfel.

Schuld an diesem Fakt sind die Anthocyane, die rot-blauen Farbstoffe [Griechisch: anthos (= Blüte) und cyanos (= blau)]. Diese roten bis blauen Blüten- und Fruchtfarbstoffe sind strukturell Glykosidverbindungen von sogenannten Anthocyanidinen (s. Abb.) Kleinste Unterschiede bei der Besetzung bestimmter Positionen im Ringsystem mit Wasserstoff, Hydroxyl- oder Carboxyl-Gruppen führen zu Farbnuacen.

Anthocyanidin

Zurück zum Rotkohl, dessen Saft auch prima als pH-Indikator (lateinisch potentia hydrogenii = Wasserstoffstärke) fungiert: Wie sauer (rot) oder basisch (blau), sogar grün bis gelb (pH>10) das Milieu ist, würde eine Rotkohlsafttitration zeigen. Ganz nebenbei, auch Teetrinker unter Ihnen könnten dieses Phänomen kennen. Farbstoffe im schwarzen Tee wirken als Indikatoren und wechseln beim Hinzugeben von Säure (Zitrone) die Farbe merklich, von dunkel- zu hellbraun.

Ich wünsche Ihnen einen schönen gebratenen Jahresend-Vogel, trotz dieser gleichnamigen grassierenden Grippe, dazu guten Rotkohl und einen Guten Rutsch nach 2006

Rotkohl wie ich ihn zubereite
- ein mittelgroßer Kopf Rotkohl (nicht zu groß!) reicht mühelos für 8 Personen
- den Strunk großzügig entfernen, den Rest in feine Streifen scheiden
- alles in ca. 100 bis 150 ml Öl oder Schweineschmalz anbraten)
- 1 Apfel mit Schale in dünnen Schlitzen
- 2 mittlere Zwiebeln, gewürfelt
- einen guten Esslöffel Honig
- ein paar Spritzer Essig
- einen guten bis anderthalb Esslöffel getrockneten Majoran
- 2 Loorbeerblätter
- 10 Nelken
- Salz
dazugeben und kräftig erhitzen und dann bei kleinster Flamme mind. 2 Stunden köcheln lassen. Gelegentlich umrühren. Sollte es zu trocken sein und ein Anbrennen drohen, einfach etwas Wasser hinzugeben. Tipp: Kann sehr gut vorbereitet werden - und wird einfach erwärmt, wenn der Braten auch so weit ist.