Fernsehen
Mo 20.9. 0:10, Vox THE FLUFFER
Story: Ein heterosexueller Mann, der Schwulen-Pornos dreht, um Geld zu verdienen; eine Stripperin, die sexuell aggressiv ist wie ein schwuler Mann; eine Queer-Queen, die heimlichen Sex dem öffentlichen Schwulsein vorzieht; und eine Lesbe, die Penisse liebt: THE FLUFFER betont das Überschreiten von Grenzen sexueller Vorlieben und Rollenvorstellungen.
Der Film von Richard Glatzer und Wash West arbeitet mit den Mitteln der Komödie und des Melodrams. Er präsentiert das Coming-out seiner Figuren nicht als zeitlich begrenzten Moment, sondern vielmehr als ständig voranschreitenden Prozess.
THE FLUFFER bewegt sich flink von einer Behind-the-scenes Komödie zum Melodram, geschmückt mit heimtückischen surrealistischen Schnörkeln. (New York Times)
THE FLUFFER ist viel weniger explizit als man es bei dem Thema erwarten würde. Der Film ist äußerst interessant und amüsant... gutes Tempo und sehr engagiert.
(New York Post)
... pointiert und amüsant geschrieben, vorangetrieben durch die glaubwürdige Darstellung der drei Hauptdarsteller und die bissigen Gastauftritte von Deborah Harry ... und Adina Porter.
(Newsday)
Ernte
Treuen Leserinnen der etuxx-Landwirtschaftsbeilage müssen wir verkünden, dass wir derzeit in der Vollernte sind, für Reflexionen bleibt keine Zeit, nächsten Monat wieder mehr aus dem Bereich molekulares Kochen oder die Chemie der Nutzplanzen. Ihre Kalenderblattredaktion
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Ostschrippe will hoch hinaus
vonTeresa Roderich. Die Zeitarbeitsfirma hat mir einen Job in einer Bäckerei in
Hohenschönhausen vermittelt. "Sie haben doch mal zwei Semester lang
Ernährungswissenschaften studiert, Frau Windegg, das passt
doch."
Also mache ich hier die Schwangerschaftsvertretung für eine gewisse Frau
Meise. Frau Meise habe ich bislang nicht kennen lernen dürfen, dafür
aber Frau Jablonski, die Frau des Chefs. Frau Jablonski hat eine
blondierte Stoppelfrisur, ihre extreme Bräune kommt aus dem Solarium und
vom Rumliegen auf Mallorca, sie bevorzugt knallenge Klamotten,
vornehmlich in den Farben pink, weiß und schwarz.
Um sich von den anderen Bäckereien im Umfeld abzusetzen, haben sich die
Jablonskis einen ganz besonderen Werbegag ausgedacht. "Wissen Sie,
die Leute hier im Osten wollen gern etwas haben, mit dem sie sich
identifizieren können", hat mir Frau Jablonski bei der Einarbeitung
erklärt. "Und auch mit unseren Produkten hier im Laden sollen sich
die Kunden identifizieren können."
Darum heißen die Brötchen nicht etwa Schrippe, Mehrkornbrötchen,
Rosinenbrötchen, Käsebrötchen oder Körnerknacker, nein, hier tragen die
Brötchen Namen prominenter ostdeutscher Frauen.
"Drei Angela Merkels, bitte", heißt es zum Beispiel, wenn eine
Kundin welche von den Hellen mit der Einkerbung in der Mitte haben
möchte.
Dann gibt es noch die Franzischrippen, das Kati-Witt-Olympiabrötchen,
das Nina-Hagen-Mischbrötchen, das Stefanie-Hertel-Dinkelbrötchen, die
Carmen-Nebel-Semmeln und die Dagmar-Frederic-Croissants dürfen auch
nicht fehlen.
"Aber die Nina Hagen hat doch irgendwann in den Westen
rübergemacht", habe ich Frau Jablonski gegenüber eingewandt.
"Aber geboren ist sie im Osten."
"Und was ist dann mit Angela Merkel? Die ist doch in Hamburg
geboren."
"Aber die meiste Zeit hat sie im Osten gelebt. Machen Sie sich mal
bloß keine Sorgen, Frau Windegg, niemand bringt die Merkel mit dem
Westen in Verbindung."
Die Angela-Merkel-Schrippen laufen am besten, was keine Überraschung
ist, die ganz schlichten Brötchen, die für gewöhnlich auch die
günstigsten sind, laufen wahrscheinlich in jeder Bäckerei am besten.
Derartige Banalitäten ignorierend hat Frau Jablonski die CDU-Vorsitzende
aufgrund des Schrippenumsatzes zur beliebtesten Frau Ostdeutschlands
gekürt.
Um die Schrippenkönigin gebührend zu ehren, kam die Jablonski vor drei
Tagen mit einer scheußlichen Seidenmalerei an, auf der das merkelsche
Konterfei abgebildet ist. "Hat ’ne gute Freundin von mir
gemacht", hat Frau Jablonski stolz erzählt. Wahrscheinlich handelt
es sich bei der guten Freundin um eine ehemalige
Chemie-Kombinats-Mitarbeiterin, die gezeichnet von
Langzeitarbeitslosigkeit in Volkshochschulkursen herumhängt.
Vor einer halben Stunde dann war der pubertierende Sohn der Jablonskis
hier und hat mit seiner Digitalkamera den Laden abfotografiert. Die
Bilder sollen in eine Webseite einmontiert werden, die Sohnemann gerade
programmiert.
"Wozu braucht denn eine Bäckerei eine Webseite?" habe ich die
Jablonski gefragt, als sie kurz darauf anrief, um kontrollieren, ob
alles in Ordnung ist heute.
"Aber, aber, meine liebe Frau Windegg, wo leben Sie denn?" hat
sich die Chefin aufgeplustert. "Man muss mit der Zeit gehen, Frau
Windegg. Alle haben doch heutzutage eine Webseite, das gehört doch heute
dazu."
Dann vertraute sie mir noch an, dass sie mit ihrem Mann gerade die
Beitrittsunterlagen für die CDU ausgefüllt hätte. "Wenn wir in der
CDU sind, sagt mein Mann, dann steigen die Chancen, dass wir es
schaffen, dass die Angela Merkel mal in unserem Laden vorbeikommt. Vor
allem jetzt, wo das schöne Bild von der Rita da hängt, wäre unsere
Bäckerei doch eine hervorragende Kulisse für die Presse."
In erquicklicher Erwartung schaue ich mehrmals stündlich auf den
Kalender, der über dem Spülbecken hängt. Ich wünsche Frau Meise, dass
sie eine Frühgeburt hat und deswegen eher in den Laden zurückkehren
kann.
mehr Angela, in Ausgabe 8 der www.miranda-la-luna.de
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