Die 14. Welt-AIDS-Konferenz in Barcelona ist vorbei, die Berliner Tagung "HIV-im-Dialog" steht vor der Tür, ein Grund zu fragen, wie es mit der Zukunft der HIV-Medikamente aussieht. Die Frage erscheint auf dem ersten Blick angesichts der Ankündigungen der Pharmariesen unlogisch. Doch Halt!
Antrieb zur Forschung nach Behandlungsmöglichkeiten ist im Kapitalismus weniger Gutmenschlichkeit sondern der zu erwartende Profit. Doch das Gewinnstreben scheint angesichts des Ausmaßes der Krankheit gefährdet. Alles basiert auf Patentrechten, mit deren monetärer Ausreizung die Forschung finanziert wird. Doch der Pharmaarm steht still, wenn ...
Erinnern wir uns an Antrax. Selbst die USA beschlossen kurzerhand: Wenn der Impfstoff nicht billiger zu bekommen ist, machen wir ihn eben gegen das Patentrecht. Ähnlich gelagert war der Fall in Südafrika, als 39 Pharmakonzerne an Großprotesten scheiterten und nun - zumindest einige Medikamente und zeitlich begrenzt - ihre Pillen zu einem Zehntel des Westeuropapreises anbieten. Natürlich alles im Namen der Menschenrechte... In Südafrika kann sich aber auch bei zehnmal billigeren Medikamenten nur jeder 500ste HIV-Infizierte die Chemococktails leisten. Andernorts agieren Staaten souveräner: Indische und brasilianische Pharmaunternehmen setzen sich im Auftrag ihrer Regierungen über internationales Patentrecht hinweg und stellen die HIV-Medikamente selber her - und vertreiben sie zu einem Bruchteil dessen, was hierzulande dafür verlangt wird.
Angenommen, es gäbe ihn: den funktionierenden Impfstoff gegen HIV. Wie viele teure Arzneimittel wäre auch dieses nicht in den ärmeren Regionen der Welt zu haben. Und das ist ein Problem für die westlichen Regierungen. Denn das Wegsterben ausgerechnet der jungen Generation in Teilen Afrikas, Asiens, Südamerikas und Russlands bringt Instabilität in diese Erdteile. Und diese Instabilität führt in der Regel nicht zum revolutionären Kippen des Gesellschaftssystems, sondern zu Kriegen und noch mehr Leid und Hunger für die Betroffenen. Ein Teufelskreis. Jahrhundertelange Kolonisation bereitete den Boden dafür.
Mit dieser Frage wurde sich in Barcelona allerdings weniger beschäftigt, und in Berlin wird sich wohl auch nicht drum geschert. Doch der Bumerang dieses Verteilungskampfes - wer bekommt welches (oder überhaupt ein) Medikament? - kommt zurück! Daran ändert auch die aktuelle Aufstockung des Deutschlandbeitrags in den Welthilfs-AIDS-Topf um 50 Mill. Euro wenig, zumal der Grossteil dieser Finanzen eben zurückfließt in die Kassen der Pharma -industrie, nachhaltige Krankheitsbekämpfung und -prävention ist das nicht.
Vernünftig und ehrlich wäre eine Verpflichtung der Industriestaaten - zum einen als teilweise Entschuldigung für die Sklaverei, zum anderen aus wirklich menschlichen Gründen - die Entwicklung und die Produktion der Mittel im Kampf gegen AIDS weltweit zu finanzieren, ohne wenn und aber. Da das durchaus eine friedenssichernde Maßnahme ist, wäre auch die Finanzierung kein Problem. Denn die Etats der Verteidigungshaushalte und Kriegskassen sind gut gefüllt, gerade in diesen Zeiten. Die Achse des bösen HI-Virus wurde bislang nicht ausgemacht. Ebensowenig die Achse der Armut. Auf dem Acker der Armut gedeihen bekanntlich viele Krankheiten. Umgekehrt sei an das weitgehende Verschwinden der Tuberkulose in Westeuropa Mitte letzten Jahrhunderts erinnert - noch vor Einführung von Antibiotika. Insofern ist sowieso zu fragen, ob nicht über die Verteilung von Medikamenten hinaus nicht vor allem finanzielle und politische Mittel vonnöten wären, um die Gesundheit der Allgemeinbevölkerung insgesamt zu steigern. Denn mit den HIV-Medikamenten alleine ist es nicht getan. Nach wie vor sterben beispielsweise in Afrika jährlich Millionen Menschen an behandelbaren Krankheiten wie Malaria, Hepatitis und Tuberkulose. Aber AIDS-Kongresse beschäftigen sich leider meist nur mit ihrem einen Virus.
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News
T20: ein Medikament aus der neuen Klasse der sogenannten Fusionshemmer, die das Eindringen der Viren in Immunzellen verhindern sollen, um somit den Ausbruch und das Voranschreiten der Krankheit weiter zu verzögern. Muss wie Insulin in die Haut gespritzt werden. Wurde bislang an 1000 Personen getestet, bei denen herkömmliche Präparate nicht mehr wirken. Hersteller Trimeris und Roche kündigten auch an, dass sie das Medikament nicht billiger in ärmeren Ländern zu Verfügung stellen wollten. Act Up Paris zerstörte deswegen den Stand von Roche am ersten Tag der Welt-AIDS-Konferenz in Barcelona.
Thailand:
AIDS-Impfstoff-Test noch in diesem Jahr geplant. Ein Teil der Substanz soll die Antikörperbildung bescheunigen, ein anderer soll mit abgeschwächten Viren die Erkennungsmuster des HI-Virus liefern. Das Genehmigungs -verfahren für den Test, an dem 16000 Freiwillige teilnehmen werden, steht noch aus. Herstellen will den Impfstoff eine US-amerikanische Firma. An Amerikaner oder Europäern wurden solche Impfstoffe bezeichnenderweise noch nie getestet. Wie viele Schöneberger HIV-negative Schwule würden sich wohl zu solch einem Test freiwillig bereit erklären? Bislang ist es jedenfalls noch nicht gelungen, einen funktionierenden Impfstoff gegen HIV zu entwickeln, auch wenn dies immer mal wieder durch die Presse geistert.
Kambodscha:
Da noch vor 5 Jahren drei Viertel aller Soldaten sich während ihrer Dienstzeit mit ungeschütztem Pay-Sex Abwechslung verschafften, galt dies als Hauptinfektionsweg. Eingedämmt werden soll dieser Infektionsweg mit 1,5 Millionen kostenlosen Soldaten-Kondomen, Ausbildung von 3000 "Kondom-Lehrern" und eine Sensibilisierung der obersten Armeehierarchie.
Botswana:
Kulturelle und religiöse Gründe sind die Ursache, dass quasi kaum aufgeklärt wird. Schon das Reden über Kondombenutzung wird als anstößig gesehen. Die meisten Jugendlichen nehmen kein Kondom mit, weil sie glauben, dass mit der Latexmütze in der Tasche es nicht zum "Knalleffekt" kommt. "Kondomsozialarbeiter" Kagiso Gokganwang meinte am Rande der 14. Weltaidskonferenz, dass, wer den Kondomgebrauch fördern wolle, den Jugendlichen Computer zugänglich machen müsse. Denn das "anonyme Reden und Lesen im Internet", böte für die meisten überhaupt erst die Möglichkeit, sich dem Thema zu öffnen.
Senegal:
Kondome für Frauen Auch wenn das die Männer noch mehr aus der Verantwortung nimmt, sei es trotzdem gut. Charlotte Faty Ndiaye, Präsidentin von "Frauen gegen AIDS in Afrika" hält es angesichts des Ausmasses der HIV-Verbreitung für wichtiger, erst einmal sich selbst zu schützen als die grössere Verantwortungslosigkeit der Männer zu bekämpfen. "Überall, wo wir diese Kondome anbieten, werden sie gerne genutzt."
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