Mutti: Einen fehlenden politischen Ansatz bei den Münchener AIDS Tagen zu bemängeln, ist ja schön und gut. Die Frage dabei ist allerdings, ob kämpferische, den Zusammenhang von Armut und Krankheit herausstellende Thesenpapiere mehr bringen, als konkrete medizinische Arbeit. |
Brenda: "Konkrete medizinische Arbeit" ohne ein sinnvolles Konzept ist blinder Aktivismus. Konkrete medizinische Arbeit, in der der Tod vieler Menschen aufgrund unkontrollierter Nebenwirkungen der Medikamente billigend in Kauf genommen wird, ist ethisch höchst fragwürdig. Die Entgegenstellung, die du aufmachst: "konkrete medizinische Arbeit" versus Thesenpapiere, ist etwas albern, denn ein Kongress an sich ist eine hochtheoretische Angelegenheit, "konkrete medizinische Arbeit" findet dort nicht statt. Gerade deswegen kann eben hinterfragt werden, wo die vorgestellten Thesen ansetzen. Ein Konzept, das im Austeilen von Almosen besteht, halte ich theoretisch und konkret für unzureichend. |
Mutti: Ok, touché, gut gegeben! So, wie Brenda das jetzt erläuternd aufklärt, ziehe ich meinen Kommentar in dieser Form zurück; bzw. ich hab's verstanden und dabei was gelernt. Meine Kritik - zumindest nach Lektüre obenstehendem Artikels - ist mehr so 70ies Gesundheitstag-mäßig motiviert gewesen. Das trifft augenscheinlich für Konferenzen im Jahr 2002 so nicht mehr zu. Weil offensichtlich heute auf solchen Tagungen die Teilnehmer erstmal ein paar Grundlagen checken müssen, bevor sie anfangen zu 'helfen'. Das sehe ich ein. Was schlägst du vor? |
Jörg: ich frage mich immer wieder, ob es mit rot-grün möglich sein wird, einen aufbau afrika ähnlich einem "aufbau ost" zu realisieren. oder braucht es dazu ein europa (west)? schuldeingeständnisse zum thema kolonialisierung und sklaverei gibt’s inzwischen aller ortes. ohne krisentheoretiker gesagt und gedacht, ist eine verbindung zur farmalobby notwendig. leider ist der individualisierungstripp der krankenversorgung (stichwort: privat versicherung) nicht dazu geeignet, ökonomisch für eine solidarisches denken und handeln zu werben. |
Leo: Vergiß es, die Interessen sind andere. Die rot-grüne Basis hält die Stundung von 1% der Gesamtverschuldung gegen Erfüllung ruinöser wirtschaftlich-politischer Bedingungen für einen "Schuldenerlaß" (Schröder-Initiative 2000) und das ausschlaggebende Kriterium bei der Verteilung sog. "Entwicklungshilfe" ist, ob man sich damit Stimmanteile auf der IWF-Hauptversammlung einkaufen kann. |
Ellie: Die Münchner AIDS-Tage entsprechen, wie so viele AIDS-Konferenzen in Europa, dem medizinalisierten Blickwinkel auf AIDS, der sich in den reichen, westlichen Ländern entwickelt hat. Also kaum verwunderlich, dass globale, politische Betrachtungen da keinen Raum finden. Die Devise: Lebensverlängerung für wenige um (zur Zeit noch) jeden Preis. Verhehlen kann mittlerweile jedoch niemand, dass die ART erhebliche Nebenwirkungen mit sich bringt. Viele sind, auch bei "fachgerechter Therapie" schon nach 3-4 Jahren "austherapiert". |
Ellie: Die Medikamentenspenden an konkrete Personen (die z.B. keine Krankenkassenversicherung haben) finde ich trotzdem o.k. und sinnvoll, wenn eine ausreichende Therapiedauer (sie oben) gewährleistet ist und eine medizinische Betreuung möglich ist. Ansonsten macht in den ärmeren Ländern, so lange es noch keinen halbwegs funktionierenden Impfstoff gibt, wohl eher eine kulturspezifische Präventionsarbeit Sinn, die auch die sozioökonomischen Zwänge der Leute dort berücksichtigt. |
ganz dumme Frage: aber ich trau' mich trotzdem: Was kann denn eigentlich passieren, wenn man so eine Therapie abbrechen muss, weil's keinen Medikamentennachschub mehr gibt? |
Ellie: Im besten Falle passiert nix weiter, als dass sich nach einigen Wochen die Viren wieder vermehren, die "Viruslast" im Blut wieder messbar ansteigt. Dann wäre man vielleicht wieder da wo man angefangen hat. Im schlimmeren Fall, vor allem wenn nur einen Teil der Medikamente nicht mehr zur Verfügung steht, bilden sich vermehrt Therapie-resistente Virenstämme. (so ähnlich wie bei einer zu früh beendeten Antibiotika-Behandlung). Wenn man später wieder mit der Therapie anfangen will, wirken dieses Substanzen nicht mehr. Wenn diese resistenten Viren dann auch nicht auf andere übertragen werden, funktionieren die Medikamente dann auch bei denen möglicherweise von Anfang an nicht. |
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