Uwe: Dass der klassische Homofilm in der Krise sei, kann auch heißen: Der schwul-lesbische Problemkreis ist keiner mehr. (Jedenfalls lange nicht mehr so ein großer wie noch vor 10 oder 20 Jahren). Muttis Analogie zum CSD und dessen inhaltliche Bedeutungslosigkeit sind äußerst treffend. Diese "Avangarde-Seiten der schwulen Szene" (das soll etuxx sein) beschäftigen sich auch mit allen möglichen Themen, doch der klassische lesbisch schwule Beitrag ist auch hier schon lange in der Krise. |
etuques: Wir? Avan-garde? Französisch können wir! |
Wolle Stuttgart: An alle FilmemacherInnen:Ich will jetzt Filme, die über abzockendes Schwulwirtetum, schwules LSVD-Grünes-Dumpfbackentum, schwule Völklinger-Kreis-Führungskräfte-Arroganz reflektieren. Überhaupt ist das Thema "Schwule diskriminieren Schwule" höchst interessant. |
OA: Abzockerei gibt es doch nicht nur bei Schwulens, auch Arroganz ist nicht nur homosexuell. Lobbiismus ist leider auch in anderen (un-)bewegten Kreisen weit verbreitet. Ich glaube, das Argument der Diskriminierung greift nicht. Es ist eher die Arroganz der Macht oder des Reichtums. Schwule sind da nicht anders als die anderen. Und haben auch nicht den Anspruch, nur weil sie schwul sind, besser zu sein. |
Sascha B.: "...haben auch nicht den Anspruch, nur weil sie schwul sind, besser zu sein." - Das ist der entscheidende Punkt, OA! Wir sollten mal ganz selbstkritisch prüfen, ob wir nicht doch der Meinung sind, Schwulsein enthalte einen gewissen Anspruch (z.B. die Verpflichtung zur Solidarität über soziale Grenzen hinweg). Ich meine ja, die LSVD-, Völklinger-Kreis- und sonstigen -Wirte haben sich längst vom Schwulsein emanzipiert und sind GAY geworden... (Aus Kritik, Wut und Utopie rieselt am Ende ein Lebensstil heraus, ein Distinktionsgewinn.) |
Gay-Lore: Sascha, du hältst zwar hartnäckig daran fest, dass uns das Schwulsein ein Auftrag zur Weltverbesserung sein sollte, aber das ist nicht mehr als moralischer Appell: Gerade Sie als ... sollten doch...! Solidarität ist eben etwas anderes als Mitleid und Gutmenschentum. Im Übrigen spekulierst auch du auch einen moralischen Distinktionsgewinn gegenüber schwulen Kapitalisten. Das ist genauso langweilig zu beobachten wie das Hälserecken der Gays. Ich bin gay, und das ist auch gut so! |
Prada Meinhof: Ich finde Sascha B. neigt immer wieder gerne zu Schwarz-Weißmalerei: Seiner Ansicht nach sind alle Typen vom - sagen wir mal - Völklinger Kreis, voll die Arschlöcher. Und dem gegenüber setzt er dann uns kritisch-aufgekärte, linksradikale Homos. Aber erst nach Feierabend,- nach unseren stinknormalen, hetendominierten Jobverhältnissen. Hahaha. Hehehe. |
U2: Wer die Welt in Schlips und Nichtschlips einteilt, zieht die Linie auch bei Springerstifel resp. Iro. Alles Äußerlichkeiten und Vorurteile Herr B. Verpflichtung zur "..." (aus welchem Pflichtenheft???) Ganz recht Prada |
Klaus: Für im Grunde normal zu gelten ist ja wohl der größte Wunsch vieler Schwuler. "Ganz normal anders" hiess eines der ersten coming-out-Bücher. Nur, für manche ist das eben eine Horrorvorstellung: ganz normal zu sein - und damit auch nichts besonderes mehr. Und die leiten dann aus dem Schwulsein diesen oder jenen Anspruch ab. Ich halte es da wie die SPD. Daß ich schwul bin, ist mir wurscht. |
Mutti: Glaub ich nicht, - mit dem wurscht sein. Sonst müßte unsereiner nicht drauf bestehen, dass es einem vollkommen wurscht ist. |
Sascha B.: @ Gay-Lore (darf ich Dich ab jetzt immer so nennen?): Ich halte in der Tat daran fest, "dass uns Schwulsein ein Auftrag zur Weltverbesserung sein sollte"! Und ich habe dabei durchaus auch eine Praxis im Sinn. Aber in einem Diskussionsforum kann man eben nur appellieren. |
Sascha B.: @ Prada Meinhof: Meistens, und so auch hier, ist der Interpret der eigentliche Schwarz-Weiss-Maler. Ich finde schwule Yuppies nicht schlimmer als Hetero-Yuppies und schwule Prolls genauso dumm wie Hetero-Prolls (Schlips oder Nichtschlips, U2, spielt, wie andere Äusserlichkeiten, dabei kaum eine Rolle). Zum "richtigen" :-) Schwulsein gehört auch zu allerletzt, nur im Homo-Umfeld zu leben und zu arbeiten! Das ist vielmehr geradezu ekelhaft! (Und eben eher ein Merkmal der "Gays".) |
Klaus: Ich bestehe ja nur hier darauf, weil es hier ausdrücklich Thema ist. In der Großstadtwelt ist einfach kein Thema mehr. Würdest Du Dich nicht ausschütten vor lachen, wenn Du in Hamburg oder Berlin jemanden in einem T-Shirt sähest auf dem stünde "Ich bin schwul" ? Das Thema ist längst nicht überall durch, das ist mir klar. In der Provinz nicht, in den Kirchen nicht, bei Sascha B. nicht ... Aber wenn es einmal durch ist - dann ist es wurscht. |
Die ideelle Gesamtschwuchtel: Normal ist ein gutes stichwort. Ich wollte früher einfach völlig normal sein und mußte dabei merken, dass es gar nicht geht. Man kann der normalität nur unterschiedlich nahe kommen, aber man kann sie niemals wirklich erreichen. Je mehr ich versuchte dahinerzukommen was normalität ist umso weniger blieb davon übrig. Ich ließ diese erkenntnis auf mich einwirken und fühlte ich mich irreversibel denormalisiert. Nicht viel später entdeckte ich meine schwulität. Ich habe mich seitdem immer gefragt, ob es da einen zusammenhang geben könnte. |
Sascha B.: @ Klaus: Du findest also, dass sich Schwulsein als Problem "erledigt hat", weil es (zweifellos) lächerlich wäre, etwa in der Berliner Innenstadt ein "Ich bin schwul!"-T-Shirt zur Schau zu tragen? Du findest das Leben in einem Pseudo-Toleranz-Ghetto befriedigend? Du bist froh darüber, dass Du endlich auch heiraten und Karriere machen darfst? Nein: wenn am emanzipatorischen (politischen) Potential schwuler Lebensweise(n) nicht festgehalten wird, geht es nur noch um die mehr oder weniger vollständige Eingemeindung. |
Sascha B.: weiter @ Klaus: Schwulsein ist aber ein politischer Auftrag. Ich weiss: wenn Dir das vorher jemand gesagt hätte, dann wärst Du wohl gar nicht erst schwul geworden. Vielleicht bist Du ja auch gar nicht schwul, sondern lediglich homosexuell. Aber dafür kann ich nun leider nichts... - GEGEN DEN CSD-KARNEVAL ! GEGEN KOMMERZ- UND KARRIERESCHWUCHTELN ! GEGEN LUXUSGHETTOS ! FÜR EINE NEUE POLITISCHE SCHWULENBEWEGUNG ! (Lesben ooch... Aber die haben das weniger nötig: die sind meistens kritischer und politischer.) |
Robert M.: Ach Du liebe Güte, Sascha, was ist los mit Dir? Arbeitest Du gerade was auf, tut mir leid, aber diese Losungen klingen aus deinem Munde etwas platt und sehr staubig, obwohl ich doch große Stücke auf Dich halte. ;-) |
Robert M. an Muttis Freundin: Unbenommen, dass der Film BAADER schlecht ist, aber sich filmisch dem Thema anders als dokumentarisch zu nähern, finde ich schon einen lustigen Ansatz. Den Reiz den Liebhaber, Looser, Hartliner Baader, eben Baader privat zu skizzieren bzw. sich mal eben nicht über die politische Dimension dem Thema zu nähern, kann ich nicht leugnen. Oder darf man mit manchen Themen nicht spielen? |
Sascha B.: Lieber Robert! Es kommt nicht darauf an, aus welchem Munde diese "Losungen" klingen! Lass sie einfach klingen! Und arbeite dann selbst mal was auf! Das würde die "Stücke" noch verbessern, die ich auf Dich halte... :-) Ich bin einfach "konservativ" in diesem Sinn: weil ich finde, dass sich gewisse Dinge längst nicht erledigt haben und man immer und immer wieder darauf hinweisen muss... |
Leo: Sascha, zwischen "schwul" und "homosexuell" einen Unterschied zu machen, hatte 1969-1994 einen gewissen Sinn. Davor gab es diese sprachliche Differenzierung nicht. Und mit dem Ende des 175 hat sie ihre Funktion wieder verloren. - Irgendwie unterscheidet sich das Politikverständnis, was Du hier feilbietest, gar nicht so groß von dem der Herren Bruns, Beck und Dworek. Die machen sich auch zu Sprechern eines schwulen "Wir" und wollen mir nahebringen, weil ich schwul bin, müßte ich eine ganz bestimmte politische Meinung haben. Muß die Gegenposition wirklich genauso monokausal und schematisch daherkommen? |
Sascha B.: Hm. Offenbar schwierig, mich verständlich zu machen... Leo, ich fordere doch gerade eine Abkehr vom Mainstream, vom diffusen, schwulen "Wir"! Ich fordere eine Neubewertung des Begriffs "schwul" - als Kampfbegriff. Du allenfalls anmerken, dass das nicht praktikabel wäre. Gut, dann überlege ich mir ein anderes Wort dafür... :-) |
Sascha B.: Und, Leo, die sprachliche Differenzierung zwischen "homosexuell" und "schwul" ist mit der Abschaffung des § 175 keineswegs obsolet. Sie wäre es erst dann, wenn niemand mehr den Begriff homosexuell verwendete. - Und was an meiner Position monokausal sein soll, verstehe ich leider auch überhaupt nicht. - Wir könnten z.B. mal damit anfangen, Schwulsein als Entscheidung zu verstehen und nicht als Triebschicksal. |
raissa: sascha, liebling, da sehen wir einmal nicht die gnade, sondern die tragik der späten geburt. vor dreißig jahren, als sich nach stonewall die homobefreiungs- von der homophilen-bewegung abgrenzte, waren deine forderungen revolutionär. die gay-lib dachte, dass homo-sein ein schlüssel zur solidarität mit anderen unterdrückungsverhältnissen ist. das ist auch nicht falsch, denn in einem gesellschaftlichen widerspruch sind immer andere enthalten: man kann sexismus nicht ohne rassismus und ohne klassenverhältnisse denken, usw. ... aber es bleiben zwei fragen: wie sind die widersprüche verbunden? und: was folgt daraus? |
raissa: zu 1: schwul sein kann man in rumänien oder hier, mit viel geld oder wenig, in einer großstadt oder auf dem dorf... und du meinst, man hätte immer ein und dasselbe problem? und müsste deshalb immer ein und denselben kampf fechten? zu 2: findest du es nicht uncool, jemandem zu sagen: "weißt du, das und das ist der wichtigste widerspruch in deinem leben, jetzt geh mal los und kämpfe gegen alles übel der welt!" wann hat denn bei dir selbst zuletzt jemand versucht, dich für diese oder jene bürger-ini oder kleinpartei zu werben? und bist du wirklich eingetreten? |
Leo: @ Sascha: Es ist die schwule Variante des Hauptwiderspruchsdenkens. Der kleine Archimedes der in jedem von uns steckt will einen festen Punkt haben, mit dem er die Welt aus den Angeln heben kann. Dazu zentriert er das gesamte politische Weltbild um einen einzigen Aspekt, aus dem sich gedanklich zwingend alles andere zu ergeben hat: Die Arbeiterklasse, den Kampf der Trikontvölker, den Spanischen Bürgerkrieg, den Konstruktcharakter des Geschlechterdualismus oder der Nation, das Wertgesetz, den parteimäßigen Pogo-Anarchismus, die Tierrechte oder in Deinem Fall die Schwulität. |
Leo: Und ich glaube Du unterschätzt, welche Tragweite der Wegfall des 175 hat. Es handelt sich um einen Wechsel der Herrschaftsstragie weg von einer prohibitionistischen hin zu einer flexibel-normalistischen. Das heißt anstatt nach einem starren Kriterium die Untertanen in gute und schlechte zu sortieren, definiert man auf Grundlage statistischer Kenntnisse gestaffelte Toleranzbereiche so, daß sie einen Assimilationssog entfalten ohne dabei die Stabilität zu beeinträchtigen. Das klingt kompliziert, ist aber von der Idee her ganz einfach - aus der Sicht der Macht gesagt: Was ich nicht verhindern kann, das muß ich institutionalisieren. |
Leo: Und etwas institutionalisieren funktioniert, indem ich bestimmte Formen davon erleichtere bzw. andere erschwere, damit es mehrheitlich eine einheitliche Form annimmt. Eine vergleichbare Umstellung kommt jetzt z.B. bei der Zuwanderung, ein anderes Beispiel ist der Paradigmenwechsel in der betrieblichen Arbeitsorganisation. Das besondere Feature der zweiten Strategie ist, daß sie verhindert, daß unter den Beherrschten eine oppositionelle Mehrheit entsteht, indem sie das motivationale Umfeld individualisiert. |
Leo: Ich erzähle das deswegen so ausführlich, weil eine politische Gegenstrategie nur dann was taugt, wenn sie sich auf solche entscheidenden Feinheiten einstellt. Eine Kollektividentität als Gegenstrategie taugt was gegen starre Machtverhältnisse. Z.B.: Wir, die politische Schwulenbewegung gegen den 175. Gegen flexibel-normalistische Machtverhältnisse trete ich mit einer Kollektividentität auf der Stelle, die passende Gegenstrategie muß eine irgendwie fraktalere Form haben. Das Schwierige dabei ist, daß da noch keine fertigen Konzeptionen vorliegen, auf die man zurückgreifen könnte. Es ist Neuland. |
fa'afafine: aber meine lieben! zerbrecht euch doch nicht so schlimm eure kleinen koepfchen. macht lieber mal wieder schoen urlaub und raucht 'ne tuete! |
Urlaubs-Tipp: Dein Strandkorb hat Internetanbindung und Du hast die Tüte greifbar und ne halbe Stunde Zeit? Dann begib' Dich auf eine kleine Zeitreise in die Ursprünge der Gay-Liberation/Stonewall |
fa'afafine: ist urlaub gleich strandkorb? doch wohl kaum, mein gutes kind! nun, bei dir vielleicht. im uebrigen ist das benutzen von anglismen nicht wirklich angesagt. |
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