Der Entwurf zum Mahnmal für die verfolgten lesbischen und schwulen Opfer des deutschen Faschismus steht. Es hat ja auch lange genug gedauert. Vom ersten Aufruf bis zum heutigen Tag sind 14 Jahre ins Land gegangen. Wer allerdings meint, dass nun endlich gebaut werden kann, hat sich getäuscht. Denn einmal mehr stellen grundsätzliche Bedenken das Vorhaben in seiner jetzigen Form in Frage. Das kann auch die jüngste Presseerklärung des Lesben- und Schwulenverbandes Deutschland (LSVD) und seine Ende August einberufene Diskussionsveranstaltung zum Thema nicht verschleiern. Im Gegenteil, der Wortlaut der Erklärung klingt so bemüht freundlich, dass selbst den gänzlich Unbeteiligten auffallen müsste, dass da etwas nicht stimmt. Immerhin, so heißt es, leiste das Konzept von Elmgreen und Dragset "eine künstlerisch beeindruckende Annäherung an die Aufgabenstellung." Und weiter: "Gleichwohl halten wir eine weitere inhaltliche Konturierung (sic!) für notwendig, um auch Lesben sichtbar in die Gestaltung des Gedenkortes einzubeziehen."
Tatsache ist, dass das gesamte Projekt in eine Schieflage geraten ist. Und dass die Zeit läuft. Denn 2007 soll ja gebaut werden. Doch wenn jetzt nur noch jongliert wird, droht aus dem Genialen der Kunst schnell das Banale der Politik zu werden. Dokumentiert in einem Stück aus Stein, das eigentlich an Anderes erinnern sollte.
Dabei existiert die grundsätzliche Frage, inwieweit ein Mahnmal an die Verfolgung beider Gruppen, der Schwulen und der Lesben nämlich, erinnern kann, nicht erst seit gestern. Sie steht seit 1995 im Raum. Damals, anlässlich der Diskussion um die Errichtung des Mahnmals in Frankfurt am Main und einem Vorhaben, in Berlin Ähnliches zu tun, meldeten sich auch die Lesben zu Wort. Drei Jahre nach dem ersten Aufruf einiger schwuler Männer. Schon damals wurde deutlich, dass zwar die Verfolgung der weiblichen Homosexuellen im Nationalsozialismus eine andere war als die der männlichen, dass aber dennoch kein eigenes Denkmal dafür errichtet werden sollte. Frau wollte nach ihrem eigenen Anteil darin suchen. Doch die grundsätzliche Lösung wurde verpasst. Sie hätte sehr spannend ausfallen können.
So deutet sich jetzt Schlimmeres an. Emma, die Zeitschrift für das Grobe in Geschlechterfragen, ist auf den Missstand aufmerksam geworden und hat sich in gewohnter Weise eingemischt. Auf einer Unterschriftenliste gegen die männliche Einseitigkeit des Mahnmal-Entwurfs, initiiert von Schwarzer und ihren Frauen, haben sich auch Prominente aus Politik und Gesellschaft eingetragen. Denn es ist Wahlkampf in Berlin. So sind dem Aufruf zur Political Correctness selbstredend auch die Männer gefolgt: Allen voran der Bürger-Meister, Klaus Wowereit, und sein Frauen-Meister Harald Wolf.
Vielleicht war es dieser massive Druck, der auf den Künstlern und ihren Auftraggebern plötzlich lag, vielleicht auch nur eine böse Vorahnung auf das, was jetzt noch kommen wird. Auf jener schon erwähnten einberufenen Veranstaltung mussten sich besonders die Schöpfer des noch Ungeborenen, Elmgreen und Dragset, besonders unwohl gefühlt haben. Befragt, wie sie das angesprochene Geschlechterproblem betrachten, ließ sich der eine von ihnen zu einer nicht ganz unproblematischen Vorbemerkung hinreißen. Mit Denkmälern und Monumenten, so Ingar Dragset, habe er persönlich noch nie viel anfangen können. Es gebe kein einziges, in dem er sich bisher habe wiederfinden können. Das klang irgendwie lustig und sollte es wohl auch. Tatsächlich lachten auch viele, doch wer da lacht, zeigt Zähne.
Vorab eine Entschuldigung bei den Künstlern. Denn so, wie es gekommen ist, hätte es für sie nicht kommen dürfen. Michael Elmgreen und Ingar Dragset stehen am Ende einer Kette von Versäumnissen, die nur noch beschämen dürften. Die neuerliche Debatte, die ihr Entwurf provoziert hat, ist längst nicht mehr die ihre, aber sie wird auf ihrem Rücken ausgetragen werden. Nun sollen sich die Künstler Gedanken machen, wie sie ihren Entwurf ändern könnten. Nun, da das Kind schon fast geboren ist, mischen sich alle ein, die ihre schmutzige Wäsche noch schnell weiß waschen wollen. Allen voran der LSVD, gefolgt von einer Unzahl bekannter und unbekannter Namen. Und all denjenigen, die sich funktionalisieren lassen für eine Debatte, die nicht mehr aufrichtig sein kann, weil sie ein Teil dieses verkommenen Szenarios geworden ist.
Berlin. Oranienstraße. NGBK. Um von der eigentlichen, der geschlechter-politischen Dimension des Streits abzulenken, hätte der Ort nicht besser gewählt werden können, die Neue Gesellschaft für Bildende Kunst. Hier geht es um die Kunst. Und schnell zeigte sich, dass sich über den Entwurf zum Denkmal gut streiten läßt. Kein Wunder, denn über Kunst an sich lässt sich immer gut streiten. Die bewußte Anlehnung an die Beton-Stelen Eisenmans beispielsweise, das Guckloch mit dem Film im Innern, eine projizierte Kussszene zwischen zwei Männern. Wer so etwas eher als banal empfindet, hätte schon Monate zuvor gern die Gelegenheit gehabt, über all die anderen eindrucksvollen Entwürfe öffentlich zu trauern, die endlich vorgestellt wurden, nachdem sie fallen gelassen worden waren.

Schon der Begriff "homo" in der Verkürzung "Homo-Mahnmal"
ist aus Perspektive der Lesben ein Problem. Denn mit "homo"
werde nicht "Mensch" sondern "Mann" assoziiert. Auch dieser
Entwurf von Holger Beisitzer hätte also kaum Chancen auf eine
problemlose Umsetzung gehabt (er war in engerer Auswahl).
Warum also jetzt noch darüber streiten? Warum also jetzt, da die Auswahl gelaufen ist und der Entwurf steht, noch die Stimme erheben? Weil der LSVD darum bittet? Weil Emma & Co protestieren? Weil jetzt plötzlich das trügerische Versprechen besteht, dass sich die Lesben mit ihrer Verfolgungsgeschichte doch noch im Mahnmal wiederfinden könnten?
Die Rhethorik der LSVD-Erklärung ist unübertrefflich und ihre Entlarvung hätte postwendend kommen können. Doch auch an diesem Abend wurde das Problem nicht grundsätzlich debattiert, sondern so, wie es sich der Veranstalter gewünscht hatte. Eine Bemerkung, die möglicherweise auf das richtige Gleis hätte führen können, wurde schnell überhört, übrigens auch und gerade von den Frauen. Ilse Kokula, seit Jahrzehnten auf dem Gebiet der Diskriminierungsgeschichte der Lesben zu Hause, brachte es auf den Punkt: Nicht der Mahnmal-Entwurf sei das Problem, sondern der politische Prozess, der dieser Entscheidung zugrundelag. Am Ende habe ein Auswahlgremium gestanden, das schon rein rechtlich falsch besetzt gewesen sei: zwei Frauen und neun Männer. Denn das Bundesgremien-besetzungsgesetz schreibe in der Besetzung öffentlicher Gremien durch den Bund Geschlechterparität vor. Und weiter, so Kokula, keine Jury dieser Welt sei gezwungen, das zu nehmen, was geboten werde: "Wir müssen diese Entscheidung nicht akzeptieren".
Mensch war erstaunt und lachte abermals - doch akzeptierte. Und so ging das Spiel des LSVD, den "künstlerisch beeindruckenden Entwurf inhaltlich zu optimieren", zumindest an diesem Abend auf. Nach einer kurzen Unterbrechung wurde fortgesetzt, was angesetzt war, und der so wichtige Einwurf verkam zur Randbemerkung. Genug Zeit blieb noch für Künstler und Geladene, ein bisschen zu reden, sich aufzuregen oder auch nicht, vor allem aber die eigene Kreativität in großer Runde unter Beweis stellen zu können. Am Ende gingen alle angeregt nach Hause.
Bleibt nur noch zu hoffen, dass dieses Spiel des LSVD rechtzeitig entlarvt wird. Ist doch der Ruf nach einem Gesetz, das Gleichberechtigung vorschreibt, schon selbst ein Armutszeugnis für die Unfähigkeit der Lesben und Schwulen, miteinander zu kommunizieren. Jetzt sollten die Schöpfer ihres Werkes Rückgrat zeigen und folgerichtig den Entwurf zurückziehen. Sie sollten selbstverständlich dafür entschädigt werden. Und endlich sollte das Gremium bestimmt werden, das sich selbst - und nicht durch den Ruf nach einem Gesetz - legitimiert. Nämlich durch einfache Geschlechterparität. Das wäre das Mindeste, was jetzt noch verlangt werden kann. Die Verantwortlichen für diese Misere zu finden und auch noch zur Rechenschaft zu ziehen, wäre wohl zu viel. Der Knall, den Solches verursachen würde, wäre auch so schon groß genug, doch zu befürchten ist das Gegenteil: Dass nämlich wieder Stille einkehrt, diesmal allerdings gegründet auf einem Stillschweigeabkommen, bestehend aus einer Erklärung und der vorschnellen Befriedigung von Diskussionsbedarf.