Rolling Home: Wie entsteht Heterosexualität?
ein Baustein, gefunden von
Audrey Hepburn
aus Neukölln












«Viele Heterosexuelle glauben, dass sie "so" geboren sind.»






«Oft ist die Angst vor dem Tod der Grund für heterosexuelle Paarung.»







«Unsere Gesellschaft verspricht Prämien für heterosexuelle Paarung.»









In Moskau und Warschau werden Lesben und Schwule brutal zusammengeschlagen. In Teheran werden sie zu Tode gesteinigt. In Portugal quälen Jugendliche über viele Tage hinweg grausam eine Transsexuelle zu Tode, ohne dass es in der Öffentlichkeit wirklich wahrgenommen wird. In Rom wettert der Papst gegen die offenen Forderungen der sündhaften Homosexuellen. Nun glaubt auch noch in Washington US-Präsident Bush die Zeichen der Zeit erkannt zu haben. Mit einem Antrag, die Homo-Ehe in der Verfassung zu verbieten, meint er, sein konservatives Lager stärken zu können, auch wenn er selbst damit keine Aussicht auf Wiederwahl hat.

Wie kann es sein, dass sich das heterosexuelle Verlangen immer brutaler und unerbittlicher durchzusetzen versucht? Ist es ein letztes Aufbegehren? Oder der Anfang eines unüberschaubaren, lawinenartigen Roll-Backs? Audrey Hepburn aus Berlin-Neukölln hat aus dem Baukasten zu nichtrassistischer Bildungsarbeit einen passenden Baustein gefunden, der auf die Frage antwortet: Wie ensteht Heterosexualität?



Elternhaus

In den meisten Fällen des zwanghaft heterosexuellen Verhaltens zeigt es sich, dass schon die Eltern darunter gelitten haben.

Kindheitstrauma

Ein schlimmes Erlebnis mit dem gleichen Geschlecht kann die spätere Zurückweisung des eigenen Geschlechts zur Folge haben. Aus Angst vor dem eigenen Geschlecht sinkt das Verhalten danach ins Unbewusste und kommt als heterosexuelle Neurose wieder zum Vorschein.

Soziale Bedingungen

Viele Heterosexuelle geben der ständigen Berieselung der Massenmedien und deren Verhaltenspropaganda nach und leben entsprechend diesem tyrannischen Klischee. Wir sollten ihnen nicht Ablehnung, sondern Verständnis und Mitleid entgegenbringen. Denn die Zurückweisung, mit der sie ihrem eigenen Geschlecht und somit auch sich selbst begegnen, ist das Maß dafür, wie weit sie ihre eigene Sexualität und die Beziehung zu sich selber verloren haben.

Pathologische Bedingtheit

Viele Heterosexuelle glauben, dass sie "so" geboren sind. Unglücklicherweise unterliegen sie da einem großen Irrtum. Denn, wie wir alle, sind auch Heterosexuelle das Produkt der Beziehung zwischen ihrer eigenen Substanz und der Umgebung, also fällt auch den Heterosexuellen eine gewisse Verantwortung für ihre Veranlagung zu.

Kulturelle Enteignung

Es hat sich erwiesen, dass die meisten Heterosexuellen aus einer Umgebung kommen, in der die Freude an ihrem Körper erbarmungslos unterdrückt wurde. Viele psychische Verwirrungen können aus der Zurückweisung des eigenen Körpers resultieren.

Angst Vor Dem Tod

Oft ist die Angst vor dem Tod der Grund für heterosexuelle Paarung. Viele Heterosexuelle sind vom starken Wunsch, sich fortzupflanzen, zu ihrer Veranlagung getrieben worden. Hormonelle Störungen.
Eine These geht sogar soweit zu behaupten, Heterosexualität sei hormonell bedingt. Statt einem normalen Verhältnis der zwei Haupthormone haben Heterosexuelle einen Überschuss des einen und einen Mangel des anderen Hormons, was zur Folge hat, dass sie unfähig sind, eine befriedigende Beziehung zum eigenen Geschlecht aufzubauen.

Ökonomische Gründe

Unsere Gesellschaft verspricht Prämien für heterosexuelle Paarung. Schwul-/lesbischsein hingegen ist teurer, und viele Leute können es sich einfach nicht leisten.



mussausgefülltwerden: nicht lustig  
edith: humor ist bekanntlich geschmackssache - mir gefällt diese andersrum-betrachtung seit je her - wenn ich auch inzwischen nicht mehr darüber lachen muß... - unter den eingangs zitierten zeitnahen beispielen von diskriminierung fehlt mir allerdings eines aus - sagen wir zum beispiel: - berlin-neukölln. dieses stillschweigende übergehen von problemen vor der eigenen tür paßt leider gut zu der flapsig verkürzten formulierung, in teheran würden "sie" zu tode gesteinigt. hier gut, anderswo schlecht? derartig kulturimperialistische schwarz-weiß-bilder sind etwas, das ich nicht lustig finde ...  
sonado: ich sehe nicht, wo hier etwas stillschweigend übergangen wird. und wenn ja, dann kannst du das hier ja gern mit einem weiteren beispiel konkretisieren. "kulturimperialismus" vorzuwerfen ist hier glaube ich, die falsche baustelle.  
Halford: Mir gefällt die Idee auch ganz gut, wenngleich die Ausführung ruhig ein bisschen subtiler sein dürfte. @edith: Werden mittlerweile auch in Neukölln öffentliche Steinigungen durchgeführt?  
edith @ sonado: wenn auch jetzt neben der einleitung ein ironie-warnschild nachgeschoben wurde: stillschweigend übergangen werden all die beispiele von homo- und transfeindlicher verbaler, physischer und struktureller gewalt aus unserem schönen, ruhigen mitteleuropäischen paradies, von denen zumindest eines in die einleitende reihung gehörte, um nicht einseitig zu bleiben. muß ich wirklich erst eines benennen? (maneo liefert gern beispiele, und die homoehe ist eines der strukturellen diskriminierung.)  
edith @ sonado (2.): bereits diese aufforderung verrät doch kulturimperialismus, als müsse erst konkretisiert werden, dass es hierzulande vergleichbares gibt. sie offenbart die implizite annahme, schlimm sei es anderswo und von hier nichts analoges zu berichten. wer wertet? und nach welchen kriterien? ein männer liebender mann im norden von teheran mag manches anders sehen. und, bitte um verständnis, es geht um sachverhaltsklärung, nicht ums "vorwerfen".  
michael hellmann: @alle: von mitteleuropäischem Paradies lese ich nichts in der Einleitung,aber ich lese im Text selbst: 'Schwulsein ist teurer, und viele Leute können es sich einfach nicht leisten'.Ich frage mich, was das bedeuten soll. Sind alle Lesben und Schwulen reich? Machen die Klassengegensätze vor gleichgeschlechtlich Orientierten halt? Wohl nur im Marketing des Sergej.  
edith @ michael: von mitteleuropäischem paradies lese ich auch nichts in der einleitung - aber eben auch nichts über die kehrseite, die hiesigen diskriminierungen. leider fehlt auch der einleitende text aus dem originalen baustein, darin steht z. b.: "Tatsächlich kann man sagen, daß Heterosexualität in unserer Gesellschaft auch noch belohnt wird." es geht in dieser ironie also um mitteleuropa (impressum: DGB-Bildungswerk Thüringen e. V. in Erfurt). das ist zwar nicht sehr weit von polen, aber doch eine etwas andere welt, auf die der text ursprünglich bezogen ist...  
edith @ michael: "Schwul-/lesbischsein hingegen ist teurer..." - wieso vermutest du, der preis sage etwas über die zahlungsfähigkeit der avisierten kundschaft aus? m. e. bedeutet das schlicht, wenn auch ironisch: schwul bzw. lesbisch zu leben ist leichter für angehörige der besitzenden klassen, für die anderen evtl. zu teuer - ein alter hut eigentlich!  
Sigmund Freud: Könnt ihr nicht mal was ersthaftes zu dem Thema bringen? Ich finde sowas reaktionär. Als wäre Heterosexualität nur in der Satire erklärungsbedürftig und nicht auch in der "echten Wirklichkeit". Da war ich vor knapp einem Jahrhundert schon weiter.  
edith @ Sigmund: hi sigi, willkommen im club!! laß uns posthum teilhaben an deinem knapp hundertjährigen wissen! stell es hier rein, oder schick es als beitrag an die redaktion. IT scheinste ja zu beherrschen, oder?  
Sigmund @ edith: Schon wieder versucht, mich dazu zu überreden gratis zu schreiben. :-( Ich dachte, genauer gesagt, an die "Exotic Becomes Erotic"-Theorie von Daryl Bem. Besagt: Man findet als Erwachsener das Geschlecht interessant, was einem in der Kindheit eher fremd war und daher mit negativen Emotionen (Furcht, Abneigung, Ekel etc.) besetzt war. Die psychophysische Erregung, die diese negativen Emotionen begleitet, werden dann ab der Pubertät zu sexueller Erregung. Pfiffig, was?  
edith @ sigi: auf den ersten blick pfiffig, aber eigentlich nix besonderes - läuft das nicht auf nen zirkelschluß raus? was ich heute begehre, muß mir als kind also fremd gewesen sein...? und gehz nich auch andersrum - was ich als kind angenehm, vertraut, positiv erlebt habe, zieht mich später wieder an? oder taugt das nur für die "heiligen"-rolle - und die negative emotion (ver-)führt mich zur "hure"??  
Laura: einfach nur geil ;)  
Blandine X: die unterdrückung und verachtung "sexuell" gleichgeschlechtlich orientierter ist nach wie vor ungeahnt groß. und man sollte nicht sagen, was solls und einfach schauen, dass man seinen spaß hat. und der ausufernde spaß ist doch oft nur mittel zur verdrängung seiner verletzungen und narben. letztlich finde ich es schade, dass ihr im artikel diese konkreten fälle der hassgewalt an queers nicht konkreter werden lasst. es ist eine schande, dass gerade menschen, die für sich das schöne entdecken und leben wollen, opfer einer ihr eigenes selbst hassenden mehrheit werden und das zum anlass nehmen solche wesen anzugreifen, zu quälen und zu vernichten ...  
edith (etuxx-mitredakteuse): liebe blandine, ich stimme dir inhaltlich zu! der oben stehende text ist kein eigener artikel von etuxx, sondern ein (um einen auf sieben punkte gekürztes) zitat aus einem ”Baustein zur nicht-rassistischen Bildungsarbeit”. ins bild dieser ironisierenden rollenumkehrung hätte ein weiterer punkt gepasst, der "hassgewalt an verfolgten heterosexuellen" problematisiert hätte. das wäre sicher aktuell wichtiger als der hier auf etuxx nicht wiedergegebene punkt zu "hormonellen störungen". vielen dank jedenfalls für deinen ergänzenden hinweis zu diesem thema!  hier gehz zum original-baustein