Einige Überlegungen zum Wahlbündnis PDS/WASG
von Faustinotti

Haendedruck
Es besteht für mich kein Anlass, dem Bündnis mit Euphorie zu begegnen. Denn: Es schließt sich eine ostdeutsche Volkspartei mit einer sozialdemokratischen Gruppierung aus dem Westen zusammen. Aber ich möchte der neuen Linkspartei mit dem Verständnis des italienischen Kommunisten Antonio Gramsci begegnen: "Pessimismus des Verstandes und Optimismus des Herzens".

Bisher sieht es so aus, als ob die PDS zur kommenden Bundestagswahl ihre Listen öffnen wird, um Mitglieder der WASG bei sich kandidieren zu lassen, und Gregor Gysi und Oskar Lafontaine als Spitzenkandidaten ins Rennen geschickt werden. Die PDS scheint sich nun in "Linkspartei" umbenennen zu wollen, und über einen Zeitraum von zwei Jahren soll es zu einem Zusammenschluss beider Parteien zu einer neuen linken Partei kommen. So die bisherige Planung, wenn Bundeswahlleiter und andere Komplikationen wie Urabstimmungen oder Landesgremien beider Parteien nicht dazwischenfunken. Es bestehen Chancen, dass die neue Linkspartei drittstärkste Partei im Parlament wird.

Mit der Person Oskar Lafontaines steht dem Bündnis ein Sozialdemokrat alter Schule vor. Seine politischen und programmatischen Positionen kreisen um die Theorie John Maynard Keynes': Vorrausgesetzt wird ein intervenierender Staat, eine nachfrageorientierte Wirtschaftspolitik, eine Steuerpolitik, die die "Besserverdienden" stärker belastet, (Teil-)Rücknahme der Privatisierungen, eine Finanzpolitik des deficit-spending, d.h. Konjunkturprogramme bei wirtschaftlicher Rezession und Ausbau des staatlichen Beschäftigungssektors, um die Massenarbeitslosigkeit zu begrenzen.

Das Problem dabei ist, dass die Theorie Keynes' einen starken Nationalstaat voraussetzt: Eine Annahme, die in Zeiten großer Wirtschaftsblöcke und globaler Abhängigkeitsverhältnisse, wie sie z.B. durch die WTO gegeben sind, nur noch sehr eingeschränkt gültig ist, selbst im Falle eines so großen und mächtigen Staates wie Deutschland.

Die PDS ist nicht mehr vom SED-Klientel geprägt, sondern eine Volkspartei, die allerdings - ob sie es wollte oder nicht - im Rahmen ihrer Regierungsbeteiligungen in Sachsen-Anhalt, Mecklenburg-Vorpommern und Berlin eine neoliberale Politik mitgetragen hat. Im Westen ist die PDS nie angekommen, denn ihr gelang es mit dem Ost-Nimbus behaftet nicht - bis auf regionale Ausnahmen - einen Kontakt zu den neuen sozialen Bewegungen herzustellen.

Die WASG hingegen besteht größtenteils aus entäuschten Sozialdemokraten und Gewerkschaftern, die die neoliberale Wende der Sozialdemokratie unter Schröder nicht mehr mittragen konnten. Die veränderte Steuer- und Finanzpolitik und schließlich Hartz 4 brachten das Fass für sie zum Überlaufen.

Wie soll aus einer solchen Melange ein gesellschaftlicher Aufbruch für die Linke entstehen?
Skeptisch bin ich, wenn gesellschaftlicher Aufbruch mit parlamentarischer Politik verwechselt wird. Die Grünen speisten ihre Kraft aus den Kämpfen der neuen sozialen Bewegungen der BRD in den 1970er und 1980er Jahren und konnten erst dadurch eine parlamentarische Kraft werden. Die Macht der Straße bahnte ihnen einen Weg ins Parlament. Dafür steht nicht zuletzt die Person Christian Ströbeles (Wenn es ihn nicht geben würde - die Grünen müssten ihn erfinden. Er ist ihr größtes Alibi). Das neu entstehende Bündnis aus PDS und WSAG würde den umgekehrten Weg gehen: eine Kopfgeburt, die aber, wenn man den Wahlprognosen Glauben schenken darf, eine erstaunliche Resonanz findet.

Zu betonen ist prinzipiell, dass staatliche Institutionen einer Emanzipation des Menschen zum Menschen entgegen stehen, denn sie sind ein Kernelement des bürgerlichen Staates. Wer sich in die Instituionen bewegt, wird von ihnen geformt. "Die Institutionen sind stärker als der Mensch", heißt es bei Marx. Eben dies hat die Geschichte der deutschen Sozialdemokratie und mindestens ebenso die Geschichte der Grünen gezeigt.

Doch es soll eine neue Partei gegründet werden, die vielleicht, aber auch nur vielleicht, eine neue Kraft der Linken darstellen könnte, vergleichbar mit der italienischen Rifondazione Comunista ("kommunistische Neugründung"). Sie spaltete sich von der alten Kommunistischen Partei Italiens (KPI) ab und entwickelte in den 1990er Jahren eine Politik, die in den Sozialen Bewegungen und den Betrieben zentral verankert ist. Sie hat maßgeblich die Generalstreiks gegen Berlusconi mit der kommunistischen Gewerkschaft CGT organisiert.
Ihr gelang es in Ansätzen, parlamentarische Reform und soziale Auseinandersetzungen miteinander zu verbinden und damit eine Politik zu verfolgen, wie es Rosa Luxemburg in "Sozialreform und Revolution" beschrieben hat: als revolutionäre Realpolitik, die die Perspektive der Revolution auch in einer palamentarischen Poltik wachhält.

Ich habe meine Zweifel, ob eine solche Veränderung mit Oskar Lafontaine und Gregor Gysi an der Spitze einer neuen Linkspartei zu erwarten ist. Von ihnen sind sicherlich einige Kapriolen zu erwarten (so z.B. die unsägliche Verwendung des Begriffs "Fremdarbeiter" auf einer Demonstration in Chemnitz kürzlich durch Lafontaine oder die Forderung nach Schuluniformen für die Berliner SchülerInnen durch Gysi im Gespräch mit Landowsky 1998), die von einer emanzipatorischen Politik weit entfernt sind. Aber es könnte etwas Neues entstehen: eine Partei, die in Zeiten des neoliberalen Durchmarschs ihre Gegenstimme erhebt. Hartz 4 und die Umstrukturierung der Gesundheits- und Rentenpolitik stellen nur den Gipfel des Eisbergs dar. Wenn sich die totgesagten neuen sozialen Bewegungen wieder stärker einmischen und die Linkspartei unter Druck setzen, sie zwingen, sich mit Fragen auseinander zu setzen, die so dringend zu einer emanzipatorischen Politik hinzugehören, ist vielleicht mehr möglich. Die Fragen der Umweltpolitik, der Geschlechterverhältnisse, der Ausbeutung der unterentwickelt gehaltenen Staaten und eben auch einer grundsätzlichen Gesellschaftskritik gehören in der Partei gestellt, um tatsächlich grundsätzlich auf den Alltagsverstand wieder einwirken zu können.

Die Revolution ist von einer parlamentarischen Partei im bürgerlichen Staat niemals zu erwarten. Aber in ihr könnten sich Stimmen Gehör verschaffen, die die Kritik der Strasse verstärken. So meine Hoffnung, prinzipiell.

siehe auch
Heribert Prantl: in der Süddeutschen Zeitung vom 21.06.: "Seitdem Oskar Lafontaine kürzlich gegen "Fremdarbeiter" gewettert hat, erinnert man sich allenthalben daran, dass er schon vor und in seiner Zeit als SPD-Chef eine reaktionäre Ausländerpolitik verfochten und vom "vollen Boot" geredet hat; diese Kritik üben allerdings auch die, die es damals damit genauso wie Lafontaine gehalten und seine Redereien, die der Einstieg in den Asylkompromiss waren, begrüßt haben.  
...: Das macht sein Geschwurbel von heute nicht besser, entlarvt aber eine gewisse Heuchelei bei einem Teil seiner Kritiker, die an seinen Büchern partiell durchaus gefallen finden dürften; Lafontaine schreibt da merkwürdig oft von Volk und deutscher Schicksalsgemeinschaft, er lamentiert über Parallelgesellschaften in Deutschland und warnt vor einer Arabisierung des Landes.  
...: Das klingt so, als wolle Lafontaine die soziale in eine nationale Frage verwandeln. Er sieht sich als Nationalökonom und nimmt das offensichtlich zu wörtlich. Damit aber diskreditiert er sein Ur-Anliegen, das er, begleitet von seinen bekannten Eskapaden, seit über zwei Jahrzehnten verficht: den sozial und ökologisch gebändigten Kapitalismus.  
...: So war auch sein für Schröder geführter Wahlkampf von 1998 inhaltlich angelegt – als Kampf gegen Neoliberalismus und Sozialabbau. Diesen Wahlkampf versucht er nun, mit einer neuen, labilen Partei, aber mit seinen alten Fähigkeiten, neu aufzulegen, um so gegen einen Schröder Recht zu behalten, der mit seiner Regierungspolitik die SPD-Wahlkämpfe konterkariert hat.  
Sascha B.: Neben den strukturkonservativen Milieus in PDS und WASG sind die Spitzenkandidaten Gysi und Lafontaine die grössten Hindernisse für emanzipatorische Politik in diesem "Linksbündnis": zwei Egomanen und Populisten, die ohne mit der Wimper zu zucken, die niedersten Instinkte ihres Publikums bedienen. Dennoch ist es wichtig, dass die neoliberalen Parteien von CDU bis Grüne im neuen Parlament nicht unter sich bleiben.  
Hundsgemein: mit Lafontaine für Folter und Vaterland  
queery: Wiedersprüchliches bewusstsein ist doch nichts neues, in so fern ist eine prinzipielle verurteilung manchmal nicht angebracht, sich die realität schönzureden aber auch nicht. Wichtig dabei ist eine analyse der Verhältnissse, insbesondere, wenn die Linkspartei mit den Grünen verglichen wird. Zu einer solchen analyse gehört, situation der herrschenden Hegemonie, Klassenbasis des Projektes und  
queery: Situation in der sich Linke bewegungen befinden.  
Brenda: was verstehste denn unter Herrschender Hegemonie und Klassenbasis des Projekts?  
Alles Demagogen?: Die Linkspartei landet einen Coup. Der Tatort-Kommissar Peter Sodann kandidiert in Sachsen als Spitzenkandidat der Linkspartei für den deutschen Bundestag.  
berlin27xxl: Glaubt man den Presseaussendungen der PDS, scheint jene inzwischen die WASG zurückgepfiffen zu haben, in punkto Wahlkampfsong 'Deutschland Boogie'. In dem Lied trällerte man schön sexistisch und machte Wahlkampf unter der Gürtellinie "Der Westerwelle schaut sich nur noch Männer an". Im nächsten Atemzug wird CDU-Chefin Angela Merkel mit der doppeldeutigen Floskel angegriffen: "und die Merkel will eh keiner ham". – Was ich mich frage: Ob Folter-Oskar bei der NPD auch mit "Nazis haben kleine Schwänze." abräumen will.  
Faustinotti: Zweifellos gibt es sehr bedenkliche Äußerungen und Entwicklungen. Aber es ist doch schlicht verlogen, wie z.Zt. in den Medien mit der Linkspartei umgegangen wird. Die gleichen Politiker und Medienvertreter die nie etwas am Rassismus der regierungsparteien kritisierten stürzen sich jetzt auf den kleinsten Furz in WASG und PDS. Wenn der LSVD die WASG wegen Homophobie angreift ist die politische Intention mehr als durchsichtig. Und der Rassismus-Vorwurf und das vermeintliche fischen nach NPD-Wählern ist ein politisch motivierte Diskreditierung. Bisky machte auf der Pressekonferenz deutlich, die PDS ist gegen den Asyl-"Kompromiss" von 1993 und steht für offene Grenzen.  
yibah: Da wird dem Tatort-Schauspieler Sodann von Frau Weiss Auftrittverbot "erteilt", da darf der Vertreter der WASG in Köln nach Einspruch von Rot-Grün nicht auf die CSD-Bühne, da zeigt ein Fischer am gleichen Ort, welch ein begnadeter Populist er ist, da wird schlicht und ergreifend gelogen ("Das Bott ist voll" hat der Spiegel per Titel, nicht Lafontaine aufgebracht) und alles zeigt nur: Irgendwie haben wohl einige Angst, von den Futtertrögen der Macht verdrängt zu werden. Und jene, die jahrelang in schäbigster Weise Merkel und Westerwell runtergemacht haben (und zwar unter aller Sau) spielen sich jetzt als Moralwächter auf. Lächerlich!!!  
Michael Hellmann1: Abgesehen vom Hickhack im Kampf um die Futtertröge der Macht eine grundsätzliche Überlegung:Lafontaine steht für soziale Demagogie, unterstützt aber Hartz 4(teilweise) und Lohnsenkungen im Öffentlichen Dienst. Er tritt für Folter und gegen Pressefreiheit ein, unterstützt den deutschen Imperialismus gegen den us-amerikanischen.(sehr unvollständige Aufzählung). Sein Bestreben ist es, die ein wenig erwachende ArbeiterInnen- und Erwerbslosenbewegungen an den bürgerlichen Staat zu ketten bzw. ihre Ankettung an diesen zu verstärken, speziell weltanschaulich, aber auch politisch und organisatorisch.  
Michael Hellmann2:: Er hat sich mit dem Antimarxisten Gysi verbündet, der für kampflose Kapitulation der DDR gegenüber dem deutschen Imperialismus steht, und für allseitige Zusammenarbeit mit diesem. Diese Leute sind nicht nur Feinde der sozialistischen Revolution, sondern weil der Imperialismus politisch gesehen Reaktion auf der ganzen Linie bedeutet, auch Feinde der bürgerlich-demokratischen Rechte.(siehe Folter und Pressefreiheit). Mit Mitgliedern und Sympathisanten solcher Gruppierungen für richtige Forderungen zusammenzuarbeiten, ist eine Sache, solche Strömungen zu begrüßen,statt ihren weltanschaulich reaktionären Kern zu enthüllen, eine ganz andere.  
Faustinotti: Hier eine kleine Anmerkung zum Fremdarbeiter-Diskurs:  Ulrich Herbert in der FAZ
MC: Das die FAZ Oskar von rechts beispringt, macht seine Sache schlimmer, nicht besser.  
MC: Was ja gut ist: spätens nach der dritten Abstimmungsniederlage, die WASG-Oskar im Vorstand gegen den PDS-Flügel hinnehmen muß, wird er die Sache hinwerfen, um einen lukrativen Buchvertrag anzunehmen, den ich ihm anbieten werde. Arbeitssitel: "Die deutsche Lunge pocht rechts und links."  
Faustinotti: Ulrich Herbert gehört zu den renormiertesten - progressiven- Historikern der bundesrepublik, der sich um die Aufarbeitung des deutschen Faschismus verdient gemacht hat. - Aber, was die Egomanie von Lafontaine angeht, stimme ich Dir voll und ganz zu. Vielleicht wäre es ja gerade ein Gewinn, wenn Lafontaine nach zwei Jahren die Brocken hinschmeisst und sich die neue Linkspartei unter Mithilfe vieler geselllschaftlicher Kräfte bildet.  
come in and find out: and go away  Peter S.
Und plötzlich wählst du CDU@Faustinotti: Angela Merkel die Stimme geben? Menschen, die sich das früher nie vorstellen konnten, denken auf einmal darüber nach. Ein Rundgang durch  sieben wankelmütige Milieus.
gabriel: Wen interessiert eigentlich Lafo und Gysi? Gibt es hier wirklich so viele Medienjunkies? Hätte ich in so einem Forum nicht vermutet. Im übrigen ist die ganze Sache eine so durchschaubare Kampagne! Aber einige Äußerungen (Hellmann) zeugen davon, auch hier wird bewußt gelogen. Und: Wenn Nichtwählen was verändern könnte, wäre es längst verboten.  
Michael Hellmann: @Gabriel: wo hat Hellmann bewußt gelogen? Ich fordere Beweise.  
Michael Hellmann: @Gabriel: Vor 3,5 Tagen haben ich Beweise dafür gefordert, daß ich bewußt lüge. Keine Antwort ist auch eine Antwort. Große Klappe und nichts dahinter- Michael Hellmann lügt also nicht, dafür verleumdet Gabriel.  
Faustinotti: hier eine Einschätzung von Joachim Bischoff und Björn Radtke zur Verfestigung des Projekts  Linkspartei
WGBBG@ARCOR.DE: Ich möchte gerne als Bernburger der WSAG beitreten, weil diese am ehesten meine persönlichen Interessen vertreten. Das Infomaterial ist für einen Hartz IV betroffenen, der nach Abzug der Fixkosten mit 174 EUR überleben muß und sich keine Tagespresse und Zeitungen leisten kann, sehr begrenzt. Wo kann ich in Sachasen-Anhalt der WSAG beitreten? Muß ich als echt bedürftiger, auch noch Mitgliedsbeitrag löhnen? Wenn ja, in welcher Höhe?  
Soll'n ditte?: Warum fragst Du nicht per Mail bei der WASG nach? etuxx ist doch kein Rekrutierungsbüro für politisch (und im Internet) Desorientierte.  
Ruf! Mich! An!: Partei "Arbeit & soziale Gerechtigkeit - Die Wahlalternative" / Königswarter Str. 16 / 90762 Fürth / 0911-7807310 / info@wahlalternative.de  
Freak break: Zur Wahlkampfveranstaltung am Freitag dem 16.September um 16.00 Uhr auf dem Berliner Schlossplatz (Platz vor dem Palast der Republik) kommt der Vorsitzende von Rifondazione Kommunista: Fausto Bertinotti.