aktuelle Völkerschau im Augsburger Zoo?
Anlässlich der 4 Tage (9.6. - 12.6.) "African Village" im Augsburger Zoo erreichte uns ein Protestschreiben welches wir unseren Leserinnen nicht vorenthalten möchten.
.......................................................................................................................

etuxx
Plakat, München, Oktoberfest, 1930 [Münchner Stadtmuseum]


etuxx
Plakat, Frankfurt/M., 1884 [Zoo Frankfurt]
Sehr geehrte Damen und Herren,

mit ausgesprochenem Befremden hat die Schwarze deutsche community zur Kenntnis genommen, dass vom 9.-12. Juni im Augsburger Zoo eine Art afrikanisches Dorf entstehen soll. "Um eine einmalige afrikanische Steppenlandschaft gruppieren sich Kunsthandwerker, Silberschmiede, Korbflechter, Zöpfchenflechter" - so ein Auszug aus dem Werbetext der VeranstalterInnen. Dass es sich dabei um eine in konzeptioneller wie praktischer Hinsicht direkt in der Tradition der Völkerschauen stehende Veranstaltung handelt, wird aus dem Antwortbrief von Frau Dr. Barbara Jantschke (Zoo Augsburg) ersichtlich, der als Reaktion auf die durchaus berechtigte und besorgte Nachfrage eines schwarzen Schweizer Bürgers verschickt wurde. Demnach handelt es sich beim Augsburger Zoo um den "genau" "richtige(n) Ort, um auch die Atmosphäre von Exotik zu vermitteln."

Ganz offensichtlich scheinen sich den VeranstalterInnen die historischen Dimensionen ihres Projektes nicht zu erschließen, was vor dem Hintergrund der mittlerweile auch in Deutschland stattfindenden öffentlichen Diskussionen zu Implikationen und Folgen der deutschen Kolonialherrschaft auf eine erstaunliche Resistenz verweist. Die Reproduktion kolonialer Blick-Verhältnisse, in denen Schwarze Menschen als exotische Objekte, als Un- oder Untermenschen in trauter Einheit mit der Tierwelt in einer offenbar zeitlosen Dörflichkeit betrachtet werden können und den Mehrheitsdeutschen als Inspiration für künftige touristische Reiseziele dienen, ist wohl kaum als gleichberechtigte kulturelle Begegnung zu verstehen. Abgesehen davon, dass der afrikanische Kontinent nicht nur aus "Savannen" und "Dörfern" besteht und sich nicht unter einem singulären Kulturbegriff ("African Village") subsumieren lässt, spricht die gesamte Herangehensweise der VeranstalterInnen von einer erschreckend ungebrochenen Verdrängung historischer Kontinuitäten, mit der die Einverleibung vermeintlich exotischer Orte und Menschen immer wieder neu begründet werden kann.

Wir möchten die VeranstalterInnen daran erinnern, dass in der Geschichte der Völkerschauen nicht nur rassenanthropologische Untersuchungen an den DarstellerInnen vorgenommen worden sind und dass viele von ihnen in Folge der schlechten Arbeits- und Lebensbedingungen starben. Wir weisen darüber hinaus mit Nachdruck darauf hin, dass Schwarze deutsche Überlebende des Nationalsozialismus von der Zwischenkriegszeit bis in die vierziger Jahre dazu gezwungen wurden, in Völkerschauen aufzutreten, weil ihnen andere professionelle Sphären verschlossen blieben. Im ahistorisch situierten, geschmacklosen Kontext des Augsburger Zoos werden also nicht nur die Überlebensgeschichten Schwarzer NS-Opfer verhöhnt, sondern es ist darüber hinaus zu fragen, an wen sich der von den VeranstalterInnen explizit artikulierte unbekümmerte Anspruch, "die Toleranz und Völkerverständigung (zu) fördern", dann eigentlich richten kann.

Die AdressatInnen sind ganz sicher nicht Schwarze deutsche Menschen oder solche mit Migrationshintergrund, denn sonst gäbe es vor der - unserer Ansicht nach typisch deutschen - Kulisse des Rotwild- oder Wildschweingeheges vielleicht einige bayerische BergdörflerInnen zu bestaunen, die uns mit ihrer Handwerkskunst und ihren kulinarischen Spezialitäten die touristischen Weiten der deutschen Lande authentisch vor Augen führen könnten.

Die Schwarze deutsche community ruft dazu auf, gegen die Veranstaltung "African Village" im Augsburger Zoo zu protestieren, um jetzt und in Zukunft mit kolonialrassistischen Traditionen zu brechen!

Ihren Protest richten Sie bitte direkt an:
    Frau Dr. Barbara Jantschke (Direktorin Zoo Augsburg),
    barbara.jantschke@zoo-augsburg.de,
    Tel.: 0821 / 567 149-0,
    Fax: 0821 7 567 149-13

Mit freundlichen Grüßen,
Peggy Piesche (Literatur- und Kulturwissenschaftlerin, Black European Studies, Johannes-Gutenberg-Universität Mainz)
Nicola Lauré al-Samarai (Geschichts- und Kulturwissenschaftlerin, TU Berlin)
Tahir Della (Vorstand ISD-Bund e.V./ München)
Jasmin Eding (Vorstand ADEFRA e.V./ München)

.....................................................................................................................................................
hier jener Antwortbrief auf den oben Bezug genommen wird:

Sehr geehrte Damen und Herren,

Sie verzeihen mir, dass ich mit der Antwort einige Tage gebraucht habe, aber mich hat Ihr Mail (das mich über die Stadt Augsburg erreicht hat) erst einmal sprachlos gemacht. Ihr Schreiben spricht nur dafür, dass Sie sich überhaupt nicht dafür interessiert haben, was während dieser Veranstaltung geboten wird - allein durch den Titel "afrikanisches Dorf" (ist übrigens auch falsch, die Veranstaltung heißt "African Village") haben Sie den Eindruck gewonnen, dass ein Afrikanisches Dorf dem staunenden Publikum vorgeführt werden soll. Wenn Sie sich nur ein bisschen mit der Veranstaltung vertraut gemacht hätten, wahre Ihnen sofort klar geworden, dass Ihre Vorwürfe absolut gegenstandslos sind. Der Mitorganisator (übrigens nur am Rande erwähnt eine gebürtiger Afrikaner mit schwarzer Hautfarbe) war bei der ersten Besichtigung begeistert vom Veranstaltungsort, von der Steppenlandschaft unserer Afrika-Anlage und der Atmosphäre im Zoo.

Er führt übrigens bereits seit mehreren Jahren ähnliche Veranstaltungen durch. Am Rande sei außerdem noch erwähnt, dass der Togoverein e.V. aus Augsburg sich wegen eines Standplatzes während der Veranstaltung erkundigt hat, den wir ihm selbstverständlich kostenlos zur Verfügung stellen.

Diese Tage sollen die afrikanische Kultur, afrikanische Produkte den Menschen näher bringen. Natürlich wird dies von farbigen Afrikanern gemanagt, und zwar sehr gerne - wir haben mehr Anfragen für Standplätze als wir befriedigen können. Wenn Sie das mit "Zur-Schau-Stellen" meinen, dann dürften auch keine internationalen Sportveranstaltungen mehr stattfinden, bei denen farbige Menschen zu sehen sind. Diese Veranstaltung soll im Gegenteil die Toleranz und Völkerverständigung fördern und den Augsburgern die afrikanische Kultur näher bringen.

Sie können sicher sein, dass es sich nicht um einen Planungsfehler handelt und Sie können sich ebenfalls sicher sein, dass wir keinen anderen Veranstaltungsort suchen werden. Denn ich denke, dass der Augsburger Zoo genau der richtige Ort ist, um auch die Atmosphäre von Exotik zu vermitteln.

Ich hoffe außerdem, dass Sie beim nächsten Mal, bevor Sie einen derartigen Brief schreiben, sich vorher genauer erkundigen.

Mit freundlichen Grüßen
Dr. Barbara Jantschke
Zoo Augsburg


Halford: Zwischenzeitlich hat eine ganze Reihe von weiteren Protesten den Zoo Augsburg erreicht, vornehmlich von Wissenschaftler/innen aus Deutschland und den USA. Frau Jantschke scheint davon nach wie vor unbeeindruckt zu sein, wobei ihr oben zitiertes, unverschämtes Schreiben ja bereits deutlich von ihrer Kritik-Resistenz zeugt. Dass auch etuxx das Thema aufgreift, hat mich positiv überrascht, da die Schwarze Community bisher ja eher isoliert dastand. Hier noch der Link zum  Veranstalter des "African Village"
Presseschau: Jungle World:  Neuzugänge im Zoo
Presseschau: taz:  Die etwas andere Völkerschau
Presseschau: Frankfurter Rundschau:  Proteste gegen das "African Village"
Presseschau: German Foreign Policy:  Deutsche Tierwelt
Presseschau: Neues Deutschland:  Direkt neben den Pavianen
Presseschau: Oberbürgermeister Wengert:  Presseerklärung
Presseschau: Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin:  Augsburger Zoo beleidigt Menschenwürde
Presseschau: Die Welt:  Afrika, Augsburg und der Zoo
Presseschau: der braune mob:  Verleihung der ersten braunen karte!
Monika Firla: Ganz besonders bedenklich finde ich, dass sich die "Bundeszentrale für politische Bildung" in der Angelegenheit nicht äussern wird. Ich rief Frau Meyer-Estner (meyer-estner@bpb.de) an und erkundigte mich. Sie sagte, man sei "nicht befugt" Stellung zu beziehen. Das Projekt "Africome" der bpb ist offensichtlich genug? Wie wird sich die bpb verhalten, wenn einmal eine rechtsgerichtete Regierung gewählt werden würde? Was haben da die Aufrufe zur Zivilcourage für einen Sinn? Ich jedenfalls möchte mit der bpb nichts mehr zu tun haben, auch wenn ich dort einmal einen Beitrag für Africome schrieb. Monika Firla monika_firla@yahoo.com  
Dirk Jürgensen für Einseitig.info: Im Online-Magazin gibt es derzeit einen interessanten Beitrag zur Völkerschau in Augsburg zu lesen!  Einseitig.info
Presseschau: Der Spiegel:  
Presseschau: Der Spiegel:  Umstrittene Ausstellung
Presseschau: BBC news:  Row over German zoo's Africa show
nachgefragt: Hallo! Heut ist der 13. Juni, die Protestschreiben aus dem In- und Ausland waren sehr zahlreich, die Presse berichtete quer durch alle Medien. Kaum zu glauben, dass die Direktorin scheinbar nur in zwei relativ inhaltslosen Mails geantwortet hat (mehr konnte ich über die Links nicht entdecken). Gab es keine wesentlicheren medialen Äußerungen der Frau? Hat der Protest etwas gebracht? Was sagte die Stadt dazu? Und: Gab es die "Ausstellung" am letzten Wochenende? Gab es damit auch Proteste vor Ort?  
Augsburger Allgemeine: Es hat wohl ohne Störungen stattgefunden. Die internationale Presse war vor Ort, aber inhaltlich hat man keine Probleme gehabt. Der F.J.-Strauß Togo-Verein konnte sich entsprechend präsentieren.  Afrika als Besucher-Magnet
Spiegel: Was bleibt vom Vorwurf des Kolonialismus, des Rassismus, der Menschenverachtung? Wenig bis gar nichts. Nur die Verbindung von "Afrika" und "Zoo" provoziert ungute Assoziationen und zeigt, wie nahe "Political correctness" und Hysterie beieinander liegen. Bei jedem "Karneval der Kulturen" in Berlin kommen mehr Rassismus, Sexismus und Voyeurismus zum Zuge als im "African Village", das bis gestern Abend gezeigt wurde.  
Spiegel: Mit etwas Glück und guter PR könnte Augsburg bald wieder böse auffallen. Vom 25. Juni an wird in der Freilichtbühne der "Zigeunerbaron" gespielt. Das Plakat zur Operette zeigt einen schmierigen Typen mit einem Schwein im Arm. Ist es Kunst, Rassismus oder Tierquälerei? Wir werden es bald erfahren.  
oa@spiegel: dein vergleich zwischen dem berliner karneval der kulturen und dem augsburger zoo erklärt sich nicht von selbst. die kritik an der berliner veranstaltung ist bekannt und entspringt m.e. tatsächlich einer pc-hysterie. was in augsburg dagegen abgefeiert wurde, könnte ein lehrstück dafür sein, den zoo als einrichtung gleich ganz abzuschaffen. nur davon sind wir noch weit entfernt.  
Halford@nachgefragt: Frau Jantschke hat wohl deshalb nichts mehr von sich hören lassen, weil jede ihrer vorherigen schriftlichen Äußerungen Protestwellen nach sich gezogen hat und sie offenbar gemerkt hat, dass es für sie in dieser Debatte nichts mehr zu gewinnen gibt. Die Stadt - genauer gesagt der SPD-Oberbürgermeister - hat sich hinter sie und das Veranstaltungskonzept gestellt. Die Veranstaltung hat stattgefunden, es gab jedoch Proteste vor dem Zoo (Infostände, Flyer etc.).  
Halford@oa: "spiegel" ist ein Zitat aus dem Spiegel vom Montag. Die interessante Frage ist doch, was eigentlich der Kern dieser Protestwelle war: Der Veranstaltungsort Zoo, das exotistische Konzept "African Village" oder die Kombination von beidem? Ich habe nicht den Eindruck, dass der Zoo als solcher in diesem Zusammenhang infrage gestellt wird. Ich könnte mir aber vorstellen, dass ähnliche Veranstaltungskonzepte auch außerhalb von Zoos zunehmend unter Druck geraten werden, vielleicht auch der "Karneval der Kulturen".  
nach- und vorschlag: @ halford: es ist überhaupt keine frage, was der kern des protests war. menschen stellt man nicht in zoos aus, und wenn man es doch tut, dann nimmt man ihnen ihre würde und degradiert sie. diese veranstaltung steht so dermassen eindeutig in der rassistischen tradition der "völkerschauen", dass ich überhaupt nicht weiss, was da unklar ist. man sollte der zoo-chefin schwäbische folklore anziehen und sie spätzlekochend und von wildschweinen und deutschen schäferhunden umgeben in einem käfig auf einem öffentlichen platz in accra ausstellen.  
Der Weihnachtsmann: Ich bin definitiv für die Völkerschau in Accra. Warum sollen die Leute in Ghana nicht auch mal erfahren, wie man Spätzle macht, Schäferhunde und Wildschweine züchtet und wie schwäbische Folklore aussieht?  
oa: etuxx wird sich darum bewerben, eine öffentliche redaktionssitzung im berliner zoo zu veranstalten. es ist nur noch ungeklärt, ob neben dem kamel- oder affenhaus. den kern der protestwelle rollen wir dann durch den tiergarten.  
www.queer.de zum Berliner Homostadtfest: "Ein weiteres Highlight der CSD-Saison: Die schwul-lesbische Swing Party "Gay Night at the Zoo", die dieses Jahr zum ersten Mal stattfindet. Am 22. Juni steigt die Party im Zoo jenseits des Raubtiergeheges - auf der Open-Air-Bühne singen und swingen dort Luci van Org und das 50-Mann-Orchester der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG). Durch den Abend führen Gerhard Hoffmann und Biggy van Blond. Die Karten sind hier für zwölf Euro (plus VVK-Gebühr) erhältlich."