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Der Reiz, nicht nur in sexueller Hinsicht, von Hierarchie und Uniform ist ungebrochen. Jugendliche beiderlei Geschlechts sind längst wieder intensiv auf der Suche nach Pflichterfüllung in Uniform auf freiem Feld - Pfadfinderromatik liegt voll im Trend. Entsprechende Gruppen haben, im Gegensatz zu sonstigen Jugendorganisationen keine Probleme, ihre sich altersbedingt schnell lichtenden Reihen zu füllen.
Nicht mit augenzwinkernder Ironie oder postmoderner Halbdistanz, sondern in vollem Ernst stehen sie zu dem steifen Regelwerk und fest gefügter Rangordnung. CHRISMON-Autorin Erika Entholt sezierte in ihrer Reportage messerscharf: "Hauptmotiv der jungen Interessenten, da ist sich die Pfadfinderszene einig: die Sehnsucht nach Gemeinschaft und nach Idealen. Die Einzel- und Scheidungskinder-Generation wünscht sich Geborgenheit, eine stabile Rangordnung und verlässliche Regeln. Pfadfinder bieten, was ansonsten rar ist: einen Gesamtentwurf fürs Leben."
Allen Patriarchats- Geschlechterrollen- und Militarismuskontroversen zum Trotz haben zum Beispiel einige Schwule von je her einen Hang zu allem, was mehr oder minder uniform und homophob daherkommt. Die Lederszene war nur ein Abklatsch der männerbündelnden Rockerbanden, in denen für Weicheier und Hinterlader kein Platz freigehalten worden sein dürfte. Je schwulenfeindlicher eine Szene oder Subkultur erst einmal wirkt, desto größer ist der Reiz für die "harten" unter den schwulen Jungs: Da wurde aufgesogen und kopiert, was immer mit rauer Schale die Harmonie des Alltags durchbrach: Skinheads, Bauarbeiter, Punks, Handwerker, Polizisten, Knastbrüder, Soldaten… .
Einmal angekommen im Gay-Kosmos, wird so ein Testosteron-Gesellschaftsabbild mit allen Möglichen Spielarten des Sex kombiniert und trendsettend mit ihm experimentiert. Die Non-Gay-Welt greift darauf inzwischen schnell wieder zurück. So haben es Camouflage- und Military-Look kurz nach dem Jahrtausendwechsel bis auf die Grabbeltische von C&A und H&M geschafft - das sichere Ende eines jeden Modetrends.
Doch mit den modischen Fleck-Tarn-Stretch-Tops in Lycra-Feinripp im Sonderangebot haben Mitglieder schwuler Batallione nichts am Hut. Für "Gay Soldiers" zählen: "Rollenspiele, Befehl und Gehorsam, Dominanz und Unterwerfung. Und das alles auch noch vor authentischer Kulisse. Uniform-Fetischisten leben sich auf Manövern aus, militärischer Drill bei Wind und Wetter. Ganz wie echte Soldaten: Die Armee als pornographische Fantasie. Wobei beim Camouflage-Sex der Militarismus gar keine Rolle spielt. Worauf es ankommt, ist allein die Uniform. Viele waren nie bei der Bundeswehr, legen aber Wert drauf, mit Typen durchs Gelände zu streifen, die man sich als Soldaten auch wirklich vorstellen kann." (hinnerk 5/02; Thomas Christes).
Ein Dilemma ergibt sich bei dem ganzen Uniformfetischismus allerdings: Das öffentliche Uniformtragen ist, wenn sie echt ist, Amtsanmaßung und kann somit auch juristisch verfolgt werden. Andererseits funktioniert die sexuelle Fiktion nur, wenn die Uniform echt ist. Ansatz genug für Robert M., einmal nachzufragen bei Fetisch-Soldat Fliege und Fetisch-Gefreiten Libelle.
M: Wie echt muss es sein, damit der Fetisch Uniform für Dich funktioniert?
Fliege: Ich betrachte schwule Army-Camps als ein Spiel bei dem Augenzwinkern erlaubt ist. Und wenn dann erst mal klar ist, dass sowieso alles nur ein Spiel ist, sollte das dann beim Sex nicht mehr erwähnt werden.
Ich persönlich habe keinen Bock in einer Bundeswehr-Reservisten-Kameradschaft mitzumachen. Soviel Authentizität würde mich schon wieder abschrecken. Uniformität kann ich auch erleben ohne Staatsflagge auf der Uniform. Gemeinschaftliche Aktionen im Wald oder Umtriebe in Bunkeranlagen turnen mich mehr an als perfekte Uniformen und vollständige Ausrüstung. Ohne Stiefel braucht man allerdings gar nicht erst anzufangen.
Libelle: Ob ein "Fetisch" funktioniert, hängt doch nicht davon ab ob er "echt" ist. Meinst du es gibt Windelfetischisten, die sich vorher ansehen, welche Windelsorte bei "echten" Babys am weitesten verbreitet ist? Wenn wir uns als Soldaten oder Partisanen fühlen wollen, dann gehört auch die Kleidung dazu, und Uniform und Tarnung haben sich im Wald als ganz nützlich erwiesen. Fußballer tragen auch immer dasselbe Hemd in 11er Gruppen, da erkennt man besser, wer dazu gehört und wer nicht.
M: "Ich kann nichts, ich bin nichts, gebt mir eine Uniform" - ein Demoschlachtruf der Uniformträger (hier die Polizei) ins Lächerliche ziehen soll. Unisono scheint dieser Slogan mit Teile von Militärkritik einher zu gehen. Gerade an der Uniform wird diesbezüglich gemäkelt, dass sie vorhandene "unschöne" Charaktereigenschaften der TrägerInnen gemäß einer gewissen Disposition ausleben lassen. Der Starke formt seine Führungsqualitäten immer weiter aus, baut und bauscht sich so zu einer unangreifbaren Autorität auf. Der Mitläufer ist froh, nach Befehlen handeln zu können und kommt nicht in die "Notlage" eigene Entscheidungen treffen zu müssen. Es ist immer ein Vorgesetzter da, der ihm Entscheidungen abnimmt. Nicht zuletzt der Schwache: Er genießt es, anderen Menschen Anweisungen zu erteilen und ist so in der Lage, mangelnden Selbstwert zu kompensieren. Was besetzt Ihr am meisten?
Fliege: Ich finde es auch geil, Befehle befolgen zu müssen und bei inkorrekter Ausführung bestraft zu werden. Vom Soldaten wird Befehlsgehorsam erwartet, die individuelle Verantwortlichkeit entfällt. Was man in der Gesellschaft kritisieren muss, ist beim Army-Camp erlaubt. Notorische Bedenkenträger können abschalten und in eine Parallelwelt wechseln. Hierarchie, Drill und militärischer Umgangston im Army-Camp fand ich aber etwas unterentwickelt. Persönliche Fertigkeiten der Kameraden beim Manöver oder sexuelle Attraktivität spielen häufig eine größere Rolle als der Dienstgrad. Im Endeffekt ergibt sich ein für schwule Verhältnisse recht kameradschaftlicher Umgang vom Neuling bis zum Kommandeur. Es geht auch nicht allen um das Spiel von Befehl und Gehorsam, wie es deine Frage nahe legt. Sondern einfach darum, Uniform zu tragen und Sex zu haben.
Die Kameraden stellen meiner Ansicht nach einen Querschnitt durch die existierende Schwulenszene dar: Handwerker, Akademiker, Punks, Sozialdemokraten, Arbeitslose, Büroangestellte. Die "Veranlagung" zu unsozialem Verhalten (gibt's so was?) meiner Kameraden ist aber nicht merkbar stärker oder weniger stark ausgeprägt als anderswo.
Libelle: Militärkritikerinnen sollen ruhig am Militär mäkeln, die haben in Bezug auf staatliche Machtorgane sicher auch recht. Wenn ich mit Freunden Krieg spiele, ist das aber unser Spiel, aus dem jeder jederzeit freiwillig aussteigen kann. Und umso schlechter die Charaktereigenschaften sind, die sich da bei einzelnen zeigen, umso spannender wird es. Es gibt aber Eigenschaften, die man nicht mitbringen sollte: ewiges Besserwissertum, die Unfähigkeit, mit anderen zusammenzuarbeiten oder Verantwortung für Aufgaben Übernehmen zu können.
M: army/uniform - auch Frauen sind heute bei der Armee. Folgte man konsequent dem Fetischgedanken, hieße es, dass sie dazugehören. Fändet Ihr das interessant? Oder anders gefragt, wie dominant ist der Fetisch Uniform, wiegt er gar mehr als die sexuelle Orientierung schwul?
Libelle: Für mich ist es vollkommen egal, welches Geschlecht jemand hat oder welcher sexuellen Vorliebe er nachgeht. Wenn ich mit Kameraden Sex haben will, muss ich sowieso erst rausfinden, ob wir zusammenpassen. Ich fände es einen Fortschritt, wenn Schwule ihren Hang aufgeben würden, sich ständig ihrer Identität vergewissern zu müssen, dass sie nur mit Leuten zu tun haben wollen, die dem selben Geschlecht, dem selben Kleidungsstil, den selben sexuellen Vorlieben frönen. Ich bin aber in der Minderheit mit meiner Meinung unter den schwulen Freunden von Soldatenspielen. Eine Rolle spielt sicher auch, dass viele befürchten, dass Frauen bei Army-Spielen einfach härter drauf sind.

M: "Uniform ins Schlafzimmer, nicht ins Feld!" überschrieb die Siegessäule einen Artikel, der über die politische Werbebotschaft des Männer-Modemagazin FHM Collections berichtete, dass harte Jungs viele lieber Camouflage und Olivgrün zu friedlichen Beutezügen als im Krieg trügen. Visuell ergänzt um eine eher liebevolle Szene zweier Soldaten mit einem arabischen Schriftzug "Warum?" - In einigen schwulen Internetforen war während des letzten Irakkrieges die Rede davon, dass sich Leute überlegten, keine Armeeuniformen zu tragen. Wie seht Ihr das? Heizt so ein Krieg Eure Fantasie an, obwohl Ihr grundsätzlich gegen ihn seid?
Fliege: Es ist paradox: Wenn Über den Fernsehschirm knackige Jungs in Uniform flimmern, kuck ich schon genauer hin. Bombenangriffe und resultierende Verstümmelung finde ich dagegen äußerst abturnend genauso wie Action-Ballerfilme. Beim Army-CamFp gab's eine Sanitätsübung mit gefakten Verletzten und Toten, die für mich als Jungensspiel interessant war, nicht aber in sexueller Hinsicht.
Libelle: Ich hab mir schon als Kind auf Szenen in Kriegsfilmen einen runtergeholt, wo hübsche Jungs im Kugelhagel verrecken. Würde ich das real erleben, würde ich bestimmt keinen hochkriegen, sondern mir in die Hosen machen. Krieg und Tod passieren ganz unabhängig davon, ob das jemand sexy findet. In einem schwulen Armycamp ist man von realer Todesangst und Verwundungen ziemlich weit entfernt, aber in der Fantasie ist das schon dabei.
M: Ein zentrales Element echter Soldaten/Uniformträger ist die Waffe. Sie bildet mit dem Soldaten eine fast noch eine innigere Einheit als das verschwitzte Unterhemd bzw. die Stiefel, sie darf niemals aus den Augen verloren werden. Bei Euch sind Waffen verboten. Gibt's Holzgewehre wie im Sandkasten?
Fliege: Ich persönlich habe die innige Einheit von Soldat und Waffe nicht kennen gelernt. Ich habe auch keine Waffe vermisst.
Libelle: Holzgewehre wären ein bisschen zu albern. Ich hab meinen Freund auch noch nicht dazu Überreden können, mir eine Knarre an den Kopf, oder besser ins Maul zu halten, während er mich fickt.
M: "Gleiche Rechte für alle" ist so ein Slogan, der oftmals Minderheitenpolitik kennzeichnet. Falsch verstanden und mit einem schlagkräftigen Lobbyverband (LSVD) als Vorsprecher haben sich die Homos so ein Stück vom Privilegienkuchen abgeschnitten (Homoehe). So eine Gleiche-Rechte-Debatte ist ja beispielsweise auch eher konträr zur Eurer Fetisch-Hierarchie. Bewirkt beispielsweise so ein freiwilliges lustvolles Spiel mit Macht und Unterdrückung auch eine unverkrampftere Diskussion über gesellschaftliche Machtmechanismen?
Libelle: Linke brauchen wahrscheinlich eine intellektuelle Ausrede, um Sachen zu machen, die irgendwie moralisch anrüchig ist. Macht ist in der Gesellschaft ja ziemlich diffus, unpersönlich und unsichtbar geworden. Da macht es schon Spaß, sie in einem Camp mal wieder klar und deutlich zu erleben. Soldaten und Stricher zeigen mit der Disziplinierung und Ausbeutung ihrer Körper sicher am deutlichsten, wie in unserer Gesellschaft gearbeitet wird. Das passiert in anderen Jobs auch, nur nicht mit derselben Konsequenz physischer Auslöschung. Diese Tatsache ist mir aber völlig egal, wenn ich mit Freunden in ein Armycamp fahre.
Die Leute wollen immer erst für alles eine Erklärung und Sachen "richtig" eingeordnet haben, noch ehe sie sich damit praktisch auseinandersetzen. Wenn ich mich daran aufgehalten hätte rauszufinden warum und zu welchem Zweck ich schwulen Sex vorziehe, würde ich wahrscheinlich immer noch Jungfrau sein.
Fliege: Ich bin nicht mit dem Ziel zum Army-Camp gefahren, danach unverkrampfter Über Macht sprechen zu können. Ich sehe auch nicht, dass schwule Uniform-Gruppen bisher in größerem Ausmaß in die Gesellschaft hinein gewirkt haben. SM im Allgemeinen hat aber sicher die Diskussion Über Machtmechanismen mitbeeinflusst. Inwiefern? Darüber könnte man einige Doktorarbeiten schreiben. Spendiert mir etuxx ein Stipendium?
M: Die Frage stelle ich, Soldat Fliege. Auf den Boden! 20 Liegestütz, Gefreiter Libelle überwachen Sie das!
Libelle + Fliege: Jawoll, Commader Spatz [während Fliege zu Boden geht, schiebt Libelle genüßlich seinen Stiefel unter Flieges Brust ... und zählt nur, wenn der Stiefel auch berührt wurde ... sieben, acht ...acht ... acht, neun ...]
M.: Trotzdem Danke für das Interview, die …ie …ie … Augen gerade aussssss. Rührt Euch!
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