Etuxx ist eigentlich ein Homolandwochen-Nachfahre in x-ter Generation. Wir haben bei einem Teilnehmer der letzten Landwoche nachgefragt, wie es denn heute so ist auf der Landwoche. Die Antwort veröffentlichen wir hier. Für alle, die davon noch nie etwas gehört haben, hat die Redaktion einige Begriffe (in der rechten Spalte) erklärt.
Liebe etuxx-Redaktion,
in Bezug auf die vor kurzem stattgefundene 22. Homolandwoche wurde mir von
einer von Euch eine Frage gestellt. Diese möchte ich hier beantworten, indem
ich mir erlaube, ganz von meinem persönlichen Standpunkt aus die Sache zu
betrachten ...:
Damals hielt ich mich eher am Rand der Homolandwoche, versuchte nicht zu scheu zu wirken, war beeindruckt von all den Homoländerinnen, von denen ich - ach - soviel lernen wollte. Fragen zu stellen traute ich mich nicht. Völlig passiv liess ich Homoland über mich ergehen, unfähig mich an Entscheidungsfindungen in der Gruppe zu beteiligen; zumal meine Meinung oft so unklar war, dass ich es nicht schaffte, sie mitzuteilen. Ich war ein einziger Bewusstwerdungsprozess. Das war vor sechs Jahren.
Auf der am 6. Oktober 2002 zu Ende gegangenen 22. Ausgabe der Homolandwoche, die erstmals in Katalonien stattfand, habe ich mich in den Mittelpunkt gerückt, bin neben Anderen in der äusserst gefragten Rolle der Übersetzerin beim Publikum gut angekommen. Ich durfte dauernd reden, und man glaubte mir - ein Genuss. Homoland als Reality-Show?
Wie auch immer, ich bin nicht mehr die gleiche wie damals, da hat sich bei mir und in mir eine Unmenge getan. Ich will jetzt die Homolandwoche aktiv mitgestalten, ist sie es doch, die mich immer wieder aufgerüttelt hat. Sie ist Teil meiner Biographie, auf die ich hier nicht weiter eingehen möchte, zumal sie noch gar nicht erschienen ist. Jedenfalls ist Homoland ein Projekt, das mir sehr ans Herz gewachsen ist, ein Land, wo ich mit Schwulen zusammen auflebe, wo sich mein Weiterleben lohnt.
Homoland als Utopie?
Diese Frage ist schon mindestens so alt wie mein Teilnehmen an Homoland. Diesmal im katalonischen Can Foix empfanden verschiedene Teilnehmerinnen das Ganze ein bisschen als Utopie. Auch mancher Croisieristin ging es so. Olga Zmick gestand gar, dass die Croisière nicht nur ihr Leben verändert habe, sondern auch ihre Garderobe. Irgendwie scheint das "zusammen lernen" und das "von einander lernen" eine wichtige Zutat in der alle sechs Monate neu gemischten Homolandwoche (oder Croisière) zu sein.
Homoland als Schule?
Es werden dort Fragen gestellt, auf die nicht immer befriedigende Antworten gefunden werden. So kam nun auf der Croisière die gefürchtete sog. Kuschelraum-Debatte auf, die die Homolandwoche schon seit sechseinhalb Jahren mit sich herumschleppt. Wie soll Sex auf Homoland erlebt werden können? Warum wird Sex im öffentlichen Raum teilweise von Zuschauenden als schlimme Belästigung empfunden? Braucht es einen Schutzraum für Sex? Homoland als Grenzerfahrung? Dieser Begriff wurde nun seitens der Homolandwöchnerinnen des öfteren aufgegriffen, dies auch insbesondere in Bezug auf kommunikative Grenzen, hier zwischen den anwesenden Sprachen Schweizerdeutsch, Hochdeutsch, Französisch und Spanisch. Das Erfahren kultureller Unterschiede scheint mir allseits als Bereicherung empfunden worden zu sein.
Natürlich bleiben da auch Berührungsängste. Um denen ein Stück weit entgegen zu wirken, hatte übrigens jemand im Vorfeld dieser Homo-Croisière-Landwoche zum Erlernen der jeweiligen Zeichensprache aufgerufen. Vielleicht ist da ja inzwischen zumindest Motivation entstanden. Die Idee finde ich ja eigentlich auch echt gut. Berührungsängste wurden allerdings anders versucht abzubauen. Soweit, dass der homoländisch-croisieristische Alkoholkonsum problematisiert wurde. Es ist ja auch noch kaum einmal soviel getrunken worden.
Schön fand ich jedenfalls die erstmalige Möglichkeit, auf einer Homolandwoche jeden Abend tanzen zu können. Für mich ist die Homolandwoche immer wieder ein sehr intensives Erlebnis, manchmal schwierig oder nervig, dennoch immer wieder schön. Das Experiment der Zusammenlegung von 9. Croisière und 22. Homolandwoche wird nun wohl in vielen Diskussionen unter Teilnehmerinnen ausgewertet. Ich denke, das Projekt Homoland hat sich neue Impulse verschafft, die es auch wirklich nötig hatte. Ich freue mich schon auf die nächste Landwoche im Frühling.
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Was ist eigentlich ...?
Die Homolandwoche ist ein vorwiegend deutschsprachiges linkes, halbjährig stattfindendes Polit-Schwulen-Treffen mit queerem Blickwinkel. Bei der Landwoche überwiegen Teilnehmer aus Deutschland, doch auch die Schweiz und die Niederlande waren immer vertreten. Viele Orte Mitteleuropas boten schon Domizil für eine Woche "Schräge Schwule auf dem Land". Entstanden ist das Projekt als Nachfolger der Treffen in den Metropolen "Schwule und Widerstand", "Linke und Schwule" und "Anarchie und Sinnlichkeit", somit reichen die Wurzeln bis 1988 zurück.
Ein Treffen im Berliner Mehringhof 1990 rief unter anderem bundesweit schwule Autonome, schwuchtelettige Punks, AIDS-Aktivisten und natürlich Tunten auf, sich mir ihren politischen Bewegungen und Gruppen auszutauschen. Es endete in den Tiefen der Berliner Subkultur. Arbeitsgruppen wurden verschoben, fanden gar nicht statt. Letztlich entstand die Idee, sich auf dem Land zu treffen, ohne den Reiz der Kneipensümpfe.
Inhaltlich wurden und werden die Treffen mit dem gefüllt, was die Leute beschäftigt: Kneipenprojekte, Männlichkeit und Krieg, Pädophilie- & Vergewaltigerdiskussionen, Singe- und Fummel-Wettbewerbe, Patriarchatsdebatten, Asyl in Europa, Prostitution, Kochduelle, Inter- und Transsexualität, Judith-Butler-Text-Seminare und Crocket-Wettbewerbe usw.. Auf Landwochen wurden auch schon Filme gedreht, Texte geschrieben, Radio gemacht.
Aus der Unzufriedenheit, in der Zwischenzeit nichts voneinander zu hören, wurde die Austauschzeitschrift "Tuntentinte" geboren. Diese entwickelte sich zum eigenständigen Themenheft, der Austausch ist heute über E-Kommunikation einfacher. Ein Enkel der Landwoche ist somit auch etuxx, denn unser Internetprojekt war die Idee einer Redaktion der Tuntentinte im Winter 98/99.
Die Croisière ist das französisch-sprachige Pendant. Croisière und Homoland fanden dieses Mal parallel an einem Ort statt.
Die "Kuschelraumdebatte" ist eine Diskussion zwischen Kopf und Bauch(Schwanz) nach der Neuauflage eines 68er-Experiments. Mitte der 90er probierten sich die Landwochen-Teilnehmer an einem eigens eingerichteten Kuschelraum. Dieser Raum sollte das Verlangen nach körperlicher Nähe anders als auf dem Szenefleischmarkt regeln. Zu diesem Raum gibt es drei Grundhaltungen, die zusammen die "Kuschelraumdebatte" ergaben:
a) "Und-warum-will-keiner-zu-mir- körperliche-Nähe?"
b) "Der-nervt-mich-mit-seinem- Gegrabsche!"
c) "Ist-das-schön-so-nah- beieinander."
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