Riskante Kommunikation
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die Provokation von Robert M.
Von der Unmöglichkeit der Kommunikation:
Missverständnisse am laufenden Band: Sie kennen das bestimmt, eigentlich will man miteinander reden - und trotzdem wird sich mißverstanden. Die sogenannten Regeln der Kommunikation hat jeder für sich anders ausgelegt. Manchmal ist es zum Verrücktwerden, ob bei der Arbeit, in der Liebe oder im Freundes- und Bekanntenkreis: ständig Missverständnisse. Auf nette Fragen erhält man patzige Antworten. Den Versuch, Klarheit zu schaffen, legen andere als Drohung aus.
Die Provokation als riskanter Kommunikationsschritt:
Immer wenn soziale und kommunikative Fähigkeiten (noch) nicht ausgebildet sind, wie bei kleinen Kindern, ist die Provokation ein Mittel, um sich bemerkbar zu machen, eine Art der Kommunikation, die zeigt, dass ich das, was ich sagen will, nicht ausdrücken kann, so dass mich mein Gegenüber verstehen könnte. Die Möglichkeit, dieses Mittel zu nutzen, geht in unserer Entwicklung nicht wirklich verloren. Unser Hirn bietet sie immer wieder an, wenn die Ebenen, auf denen geredet werden müsste, nicht die gleichen zu sein scheinen.
Und das, obwohl wir wissen, dass wir damit mehr erreichen könnten als wir wollen, wir könnten verletzen, über das Ziel hinausschiessen. Wir nehmen es in Kauf, weil die Verletzung, die uns angetan wird, auch schmerzt.
Man sollte glauben, Provos seien doch ein probates Mittel, um die Kommunikationslöcher zu schließen, ist es doch ein neuer, wenn auch meist bitterböser Anfang. Nein. Ich behaupte: Nicht-infantile Provokationen sind die Folge von lang trainierten Vermeidungsmechanismen. Die heissen Eisen werden nicht angefasst, es wird weggeschaut, bagatellisiert, am besten nicht drüber geredet, auch wenn das Konfliktpotential längst erkannt ist. Nicht selten entwickeln aber solche nicht nachhaltig bearbeiteten Konfliktherde eine ganz unangenehme, weil nicht mehr kontrollierbare Eigendynamik. Ruckzuck werden Sachargumente durch Polemiken ersetzt. Wird hier nicht aufgepasst, kippt die konstruktive Konfrontation, die eine Provokation ja durchaus sein kann, in eine Feindseligkeit. Eskalation droht, der Weg ist nicht mehr weit, bis beide Parteien dicht machen, ignorant, stur und bockig werden. Das ist der Anfang vom Ende, später wandelt sich die immer größer werdende Aggressivität in Hass und Wut.
Provokation aus der Praxis, ein Bsp:
Zu Beginn dieses Jahres erregte eine Ausstellung des New Yorker Jüdischen Museums die Aufmerksamkeit nicht nur der Feuilletons: "Mirroring Evil: Nazi Imagery/Recent Art" über die Kommerzialisierung von NS-Symbolen. Eine geschmacklose Beleidigung der Überlebenden des Holocausts oder eine wichtige Auseinandersetzung mit den Nazi-Gräueln? Zu sehen waren unter anderem: Alan Schechners "Selbstporträt in Buchenwald" (eine Coca-Cola-Diet-Dose in der Hand eines abgemagerten Häftlings des KZ Buchenwald.) Tom Sachs: Chanel- und Tiffanylogos auf Giftgaskanister und Zbigniew Liberas: "LEGO concentration camp" - ein Legosteinbausatz. Überlebende des Holocaust und ihre Nachfahren waren schon im Vorfeld über die Ausstellung entrüstet.
"LEGO concentration camp"
Generationen nach der deutschen Vernichtungsindustrie verstummen immer noch vor Zeugnissen der Opfer des Holocaust, sind sprachlos angesichts der Unhintergehbarkeit der Opfererfahrung. Seit Anfang/Mitte der Neunziger zielten aber verstärkt verschiedene Diskurse, und so darf wohl auch diese Ausstellung verstanden werden, auf die Täter. Die Opfer im Blick behaltend, ziehen die Untiefen des Bösen einige Aufmerksamkeit auf sich. Es ist eben so ein heißes Eisen, um das sich gern gedrückt wird.
Provokation braucht am Ende noch mehr Kommunikation!
Die Ausstellung wurde schliesslich von einer Reihe von reflektierenden Diskussionsrunden begleitet, die "schlimmsten" Werke wurden in Extraräume verbannt und Schilder davor aufgestellt, die davor warnten, womit sich der Betrachter auseinandersetzen müsse.
Eine Provokation an sich bringt eher wenig, bestenfalls Verstörung. Wer glaubt, er würde damit Meinungen, Einstellungen angreifen, der irrt. Er oder sie tut es für sich, verstanden wird von Aussenstehenden eher nichts, meist wird doch unhinterfragt toleriert. Fruchtbare Auseinadersetzung findet nur statt, wenn ich persönlich die Verletzung, die ich zufüge (nichts anderes sind Provokationen!); konstruktiv offen lege und mich erkläre. Alles andere bleibt kindliches Sandkastengetue.
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