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Oi Nancy!


dieses ist eine Antwort von Lore auf einen Artikel von Nancy
ebenfalls erschienen in Tuntentinte Nr.18 "Politik und Sinnlichkeit" (Juli 2000)

Nachdem Du Dich beschwert hast, schreibe ich jetzt doch noch was zu Deinem Text. Ich bin ja schließlich auch auf jeden Fall damit gemeint. Es fällt mir aber nicht leicht. Es steht viel auf dem Spiel, wenn es um erotisch Bilder und Selbstbilder geht. Es ist die Ebene, wo unser Verhältnis zu uns und zu anderen derart mit dem Körper verwachsen ist, dass es Teil unseres unmittelbaren fühlend und wahrnehmend geworden ist. Dabei geht es auch immer um Wünsche, um sehr intime Wünsche, die wiederum oft eine ganz intime Verletzung heilen sollen.


Weil es hier um Geschlecht, Männlichkeit und Homosexualität geht, ist eine solche Verletzung natürlich auch die Kastration. Schwule sind wohl immer noch keine echten Männer. Das führt zu der paradoxen Situation, dass sie jemanden begehren, der sie entweder kastriert (jetzt eher symbolisch gemeint) oder zu kastrieren begehren. Schwule Erotik geht immer auch um die Rekonstruktion von Männlichkeit. Ein Dilemma: Wie können zwei Männer miteinander Sex haben und dabei trotzdem Männer bleiben? Kann es überhaupt eine schwule Männlichkeit geben? Und wenn ja, wie patriarchal wäre eine solche Rekonstruktion und Verschiebung von traditioneller Männlichkeit? Mein Geschlecht ist die Wunde. Meine Sexualität versucht diese Wunde zu schließen. Die Objekte meiner Begierde sind die Wundverbände. Wobei die Objekte meiner Begierde sehr untaugliche Wundheilmittel sind, weil sie (s.o.) die Wunde ständig wieder aufreißen. (Für die Theoretikerinnen unter uns: Was ich begehre, ist also gerade die Instabilität einer fetischistischen, nicht phallozentrischen Verweiskette.) Ich wollte das nur voraus schicken, um klar zu machen, was auf dem Spiel steht. .

Um verständlich zu machen, warum es so schwierig ist sich hier zu verstehen. Was mir politisch als Rahmen einer solchen Diskussion wichtig ist: Dass ich ein Recht darauf habe, diese Wunde zu schließen. Dass niemand von mir verlangen kann, mich für den antipatriarchalen Kampf zu opfern und mich zu kastrieren oder kastrieren zu lassen. Dass Ziel unserer Politik eine opferfreie Gesellschaft sein muss, in der Frauen nicht Opfer von Männern und Männer nicht Opfer von Kastration sein müssen. .

Ich werde deinen Text jetzt einfach inhaltlich der Reihe nach kommentieren: Die Idee einer Geschichtsschreibung schwuler erotischer Ikonen und ihrer politischen Bewertung erscheint mir interessant. Ich glaube aber, dass deine Auswahl völlig subjektiv ist und wirklich nicht die "hegemonialen" Ikonen adäquat wiedergibt. Dann behandelst du die Geschichte dieser Ikonen autonom, als würden sie einer sexuellen Eigengesetzlichkeit folgen. Sie müssen aber unbedingt im Kontext ihrer Zeit gesehen werde, in Bezug auf die Situation schwuler Identität und hegemonialer Männlichkeiten. Was soll zum jeweiligen Zeitpunkt sichtbar gemacht werden? .

Nur eine kleine Anmerkung: Deine Darstellung von Skinheads aus den frühen Siebzigern ist nicht ganz richtig. Auf den Fotos, die ich kenne, sind nicht allzu selten auch Schwarze und Farbige zu sehen. Bomberjacken kamen eigentlich eher später dazu. Die Kleidung war ein Zitat klassischer Arbeiterbekleidung. Die Trennung Körper/Geist wird in jeder Form von Erotik aufgegriffen. Sie wird bei Skinerotik vielleicht allemal anders artikuliert. Die Idee von der "puren Natur" ist da sicher sehr wichtig. Der Skinhead als Ikone fetischisiert aber doch interessanterweise auch gerade soziale und politische (manchmal auch musikalisch-kulturelle) Marker und ist damit "unnatürlicher" als der nackte Bodybuilder. Dass "Geilheit" keine politische oder politisierbare Kategorie wäre, ist in einer feministisch aufgeklärte Linken ja wohl Schnee von gestern. Dass sich aber Hingabe und Denken ausschließen sollen, überzeugt mich nicht. .

Vielleicht meinst du "kritisches Denken", aber das passt ja auch wirklich nicht zu Hingabe. Entweder ich gebe mich hin oder ich grenze mich ab. Der Konflikt zwischen politischem Bewusstsein und politisch unkorrektem Begehren ist meines Erachtens gerade das Interessante, die besondere Lustquelle der Skinikone. Er erzeugt eine Spannung, die ständigen Genuss garantiert: Man kann die Überschreitung genießen oder man kann die Kontrolle darüber genießen. In jedem Fall tut man was fürs Ego. Hier zeigt sich, dass meines Erachtens die Skinikone eben nicht getrennt vom politischen und moralischen Gesetz gesehen werden kann. .

Überhaupt ist der Skinheadkult eine extrem auf das eigene Verhältnis zur staatlich oder moralischen Autorität bezogene Kultur. Deshalb gehört es zu Skins auch, dass sie ordentlich und sauber sind.


Was du zum Türsteher schreibst, habe ich nicht verstanden. Da geht es doch um den alten Konflikt von Schönheit der Seele und Schönheit des Fleisches und dass Form und Inhalt irgendwie oft nicht zusammenpassen. Vielleicht wird ja hier gerade das nicht-zusammenpassend genossen. Ökonomisch gesehen gibt es aber auch Kunden, die ein Interesse haben, dass keine Nazis rein kommen. Deshalb legt z.B. im Ostgut (Berliner Club) auch wohl ein gewisser DJ nicht mehr auf. .

Mit der Sauna vergleichst du Äpfel und Birnen. Saunen gab es nicht nur in den Siebzigerjahren, Saunen gibt es auch heute. Wenn etwas in den Siebzigerjahren vergleichbar zur Skinikone wäre, wäre es die SM-Lederszene und die stand damals unter demselben Rechtextremismusverdacht / -hang. Man muss sich nur die Filme von Anger oder die Fotos von Mapplethorp ansehen. Gegen ende wechselst du sprunghaft die Ebenen. Du gehst von einer sozio-psyhologischen auf eine strukturelle Ebene. Erst jetzt deutest du an, dass Erotik auch was mit Macht zu tun hat und nicht nur mit "purer Natur". Systematischeres fällt mir dazu nicht ein, .

sorry. stay rude, stay rebel, Lore