Einleitung:

Am 7. März 1934 wurde die Strafbarkeit mann-männlicher Sexualität in der Sowjetunion wiedereingeführt. Dies geschah auf Initiative des damaligen Geheimdienstleiters Jagoda und fand prompt Stalins Zustimmung. "Diese Schurken exemplarisch bestrafen", schrieb J. W. Stalin unter Jagodas Gesetzesentwurf.

Diese Entwicklung war ein klarer Bruch mit der Leninschen Tradition in dieser Frage. Nach der Oktoberrevolution hatte der neugeschaffene Arbeiter- und Bauernstaat das zaristische Strafrecht sofort außer Kraft gesetzt, und damit auch die Strafbewehrung mann-männlicher Sexualität, wie sie unter dem Zarismus bestanden hatte. In der Neufassung des Strafgesetzbuches von 1922 und von 1926 blieb es für die europäischen Unionsrepubliken einschließlich der russischen bei der Nichterwähnung gleichgeschlechtlicher Sexualität, also der Straffreiheit. Diese Position der Bolschewiki war ein gewaltiger Fortschritt. In Deutschland z.B. bestand bekanntlich damals der § 175, der einvernehmliche mann-männliche Sexualität unter Strafe stellte.

Im Zusammenhang mit der Revision der revolutionären Errungenschaften der Oktoberrevolution, welche von der Stalin-Gruppe betrieben wurde, kam es auch zur erneuten Illegalisierung Gleichgeschlechtlicher. Dazu veröffentlichen wir hier die Note des damaligen Geheimdienstleiters G. Jagoda an Stalin, und den dazugehörigen Gesetzesentwurf.

Jagoda beklagt sich in seiner Note über Päderasten (dieser Ausdruck wird gleichbedeutend mit Homosexuellen benutzt), die Orgien feiern und Rotarmisten verführen, ohne dass man sie bestrafen kann. Um diesem "Missstand" der fehlenden Strafbarkeit abzuhelfen, legt er seiner Note gleich einen Gesetzesentwurf bei. Stalin stimmte diesem zu, dann das Politbüro, und dann wurde dieses schändliche Gesetz Realität. Übrigens wurden nur gleichgeschlechtliche Handlungen zwischen Männern, nicht aber solche zwischen Frauen unter Strafe gestellt. Das deutet auf Ungleichberechtigung zwischen Männern und Frauen hin, auf eine Geringschätzung der Sexualität von Frauen seitens der Führung der KPdSU(B).

Gustav Kluzis (um 1934): "Das Leben ist besser geworden, das Leben ist fröhlicher
geworden". J.W. Stalin Für schwule Männer galt das nicht... Quelle: Köln, Museum Ludwig. Kat.IV/6

All das geschah ohne jede öffentliche Diskussion. Hier wird deutlich, in welche Richtung sich die gesellschaftlichen Zustände in der SU bereits entwickelt hatten. Lenin machte klar:

"Die Bourgeoisie hält nur dann einen Staat für stark, wenn er mit der ganzen Macht des Regierungsapparates die Massen dorthin zu dirigieren vermag, wohin es die bürgerlichen Machthaber wollen. Unser Begriff von Stärke ist ein anderer. Nach unseren Begriffen ist es die Bewußtheit der Massen, die den Staat stark macht. Er ist dann stark, wenn die Massen alles wissen, über alles urteilen können und alles bewußt tun." (Lenin, "Schlußwort zur Rede über den Frieden", 1917, Werke Band 26, S. 246)

Das Prinzip der Bewusstheit der Massen, von dem Lenin hier spricht, wurde von den Stalin-Leuten bei der Einführung des antischwulen Paragraphen gröblich verletzt, und "der Schluß von der Schlechtigkeit des Mittels auf die Schlechtigkeit des Zwecks ist ganz gerechtfertigt." (Engels, Die Lage der arbeitenden Klasse in England, MEW 2, S. 400).

Die Wiedereinführung der Strafbarkeit mann-männlichen Sexes war nur ein Schritt bei der Wiederherstellung bürgerlicher Verhältnisse in der Sowjetunion. Weitere Schritte folgten bald, im Bereich der Familienpolitik unter anderem:

Die Ehescheidung wurde erschwert, die Abtreibung verboten (1936) , und schließlich gab es sogar Medaillen für Mutterschaft:

"In der Sowjetunion werden die Mütter wie noch niemals und nirgends auf der Welt geehrt, wofür die Auszeichnung von Frauen, die zehn und mehr Kinder geboren und großgezogen haben, mit dem Titel "Mutterheldin" ein sichtbarer Ausdruck ist. Es gibt im Sowjetland weit mehr als 30000 Mütter, die den Titel "Mutterheldin" tragen, und mehr als 2 800 000 Mütter, die mit dem Orden "Mutterruhm" und mit der "Muttermedaille" ausgezeichnet sind." Über kommunistische Moral, Berlin 1953, S. 150

Familie: Höchstes Glück- die Sowjetfamilie... Die Familie des Kommandanten, 1938, Moskau. Zentrales Armeemuseum. Kat. IV/16

Wo Unterdrückung ist, gibt es Widerstand, stellte Mao Tse-tung einmal fest. Ein Beispiel dafür ist der schwule britische Kommunist Harry Whyte, der damals im Redaktionskollektiv der Moscow News in Moskau arbeitete. Er schrieb einen Protestbrief an den Generalsekretär des ZK der KPdSU (B), J. W. Stalin gegen das neue, antischwule Gesetz. Dazu gehörte großer Mut. Harry Whytes russischer Freund war bereits verhaftet worden.

Im Folgenden veröffentlichen wir zum ersten Mal in deutscher Sprache diesen Brief, den die Jelzin-Regierung 1993 erstmalig und auf Russisch veröffentlichte (übrigens unter der unverschämten Überschrift: "Aus den Archiven des Humors", als ob Unterdrückung von Schwulen und der Kampf dagegen eine humorige Angelegenheit seien).

Der Historiker Dan Healey wertete dieses Dokument in seinem Buch: Homosexual Desire in Revolutionary Russia (University of Chicago Press, 2001) aus, und ich habe dann die Übersetzung dieses Briefes aus dem Russischen ins Deutsche veranlasst.

Über Harry Whyte als Person war nichts herauszufinden, außer den Angaben, die er am Ende seines Briefes über sich selbst macht. Desgleichen bleibt leider die Identität seines russischen Freundes unbekannt.

Nun zum Inhalt des Briefes von Harry Whyte. Der Ausgangspunkt seines Briefes ist die heute noch gültige Feststellung:

Die Lage der Homosexuellen im Kapitalismus ist im Ganzen analog der Lage der Frauen, farbiger Rassen, nationaler Minderheiten und anderer Gruppen, die aufgrund dieser oder jener Gründe Unterdrückung ausgesetzt sind.

Für sehr gut halte ich auch die Art und Weise, wie Whyte Stalin über die Gleichmacherei zitiert und diese Aussage Stalins heranzieht, um den ganzen Widersinn der erneuten Schwulenverfolgung nachzuweisen.

Arbat: Der Arbatplatz, ca. 1930. Ein Treff kontaktsuchender Männer am Moskauer Stadtring. Quelle: die Sammlung Dan Healeys.

Whytes Argumentation gegen die antischwule Haltung dem Verfasser des Homosexualitätseintrags in der Großen Sowjetenzyklopädie von 1930 gegenüber halte ich für korrekt. Ein Standpunkt ist stets nach seiner Richtigkeit und nicht nach der sexuellen Orientierung des/der Verfassers/Verfasserin zu beurteilen.

Ich sehe allerdings in Whytes Ausführungen eine Reihe von Fehlern und schiefen Argumenten, auf die ich hier näher eingehen möchte:

1.Whytes Unterscheidung zwischen konstitutionellen Homosexuellen und solchen, die aufgrund von Lasterhaftigkeit oder Armut gleichgeschlechtlich handeln, ist kompletter Unfug. Weder Armut noch Reichtum haben direkte Auswirkungen auf die sexuelle Orientierung, und - wie Kinsey gezeigt hat, sind die Übergänge von anders- zu gleichgeschlechtlicher Orientierung fließend. Wenn im Übrigen Homosexualität aus Überdruß an der Heterosexualität entstehen kann, dann müsste das umgekehrt ja auch gelten, und es gäbe eine Menge früherer Schwuler, die aus Überdruß an der Männerliebe sich den Frauen zugewandt hätten.

2.Whytes Ablehnung einer jeden organisatorisch selbständigen Schwulen- und Lesbenbewegung ist grundfalsch, wie die Geschichte gezeigt hat. Ohne eigene Anstrengungen wäre die Lage von Lesben und Schwulen heute bedeutend schlechter aus, sie wüssten viel weniger über ihre eigene Geschichte, und ihr Selbstbewusstsein wäre weniger entwickelt.

3.Whytes Einschätzung der beiden Briefe von Friedrich Engels ist verkehrt. Engels Brief vom 22.6.1869 ist eine Darlegung seines antischwulen Standpunkts, und es gibt nichts Lobenswertes an diesem Brief. Engels geht in diesem Brief sogar so weit, auf die Fortdauer des antischwulen Sonderparagraphen (später §175) im Strafgesetzbuch zu hoffen. (Marx/Engels, Werke, Bd. 32, S. 324 ff.) Auch Whytes Haltung zu Engels Brief vom 8.2.1890 ist falsch: antischwule Pressekampagnen gegen Schwule als Schwule, auch wenn diese der herrschenden Klasse angehören, sind stets politisch und nicht privat, weil sie der Verfestigung der Diskriminierung Gleichgeschlechtlicher dienen, und insofern muß das revolutionäre Proletariat, müssen Kommunisten einem solchen Dreck entschieden entgegentreten. (Zum Gesamtkomplex der Haltung von Marx und Engels zu Gleichgeschlechtlichen werden wir demnächst einen Aufsatz veröffentlichen, der diese Frage tiefer und genauer untersucht).

Stalin würdigte Harry Whyte keiner Antwort. Er schrieb auf Whytes Brief: (ins Archiv) "Ein Idiot und Degenerierter. J. Stalin."

Die antischwule Linie, die sich in den dreißiger Jahren unter Führung Stalins in der Sowjetunion und der gesamten kommunistischen Bewegung ausbreitete, hatte erhebliche Folgen. Nach dem Sieg über die Nazifaschisten und der Errichtung der Volksdemokratien sowie dem Sieg der chinesischen Revolution fand diese antischwule Linie Eingang ins Strafgesetzbuch all dieser Staaten. In der späteren DDR wurde der § 175 in der vornazistischen Fassung wieder in Kraft gesetzt (in der späteren Bundesrepublik galt der Naziparagraph unverändert weiter), und schwule KZ-Häftlinge wurden nicht als Opfer des Faschismus anerkannt. Ein Teil der Verantwortung dafür trägt Stalins antischwule Linie, einen weiteren Teil trägt die SED, die von Anfang an deutschnationalen und rechtsopportunistischen Auffassungen eine Heimstatt bot, so auch in dieser Frage.

Die Nikitskie-Tore, ein Platz am Moskauer Boulevard-Stadtring, damals ein bekannter Treff. Hinter dem Denkmal gab es unterirdische Toilettenanlagen, in denen Männer in den 1920ern und 1930ern Sex hatten. Quelle: Photo undatiert, späte 20er Jahre. Aus der Sammlung Dan Healeys.

Für uns, die wir heute leben, gilt:

Es hat Hunderte von Jahren gedauert, bevor der Kapitalismus über den Feudalismus gesiegt hatte. In unserer historischen Epoche besteht zum ersten Mal in der Geschichte der Menschheit die Möglichkeit, den Kommunismus, die klassenlose Gesellschaft zu erkämpfen, in der alle auf Ausbeutung und Unterdrückung beruhenden Beziehungen zwischen den Menschen abgeschafft sein werden:

"An die Stelle der alten bürgerlichen Gesellschaft mit ihren Klassen und Klassengegensätzen tritt eine Assoziation, worin die freie Entwicklung eines jeden die Bedingung für die freie Entwicklung aller ist." (Marx/Engles Manifest der Kommunistischen Partei, Werke Bd.4, S. 482)

Dieser Kampf dauert jetzt schon über 150 Jahre. In dieser Zeitspanne gab es großartige Siege, aber auch gewaltige Niederlagen. Aus diesen Niederlagen zu lernen ist die Vorbedingung künftiger Siege. Schwule und Lesben müssen hier mitreden und mithandeln, damit die weltgeschichtlich gesehen nächste Runde für alle revolutionären Kräfte besser ausgeht und der Kommunismus näher rückt.

Die Veröffentlichung der folgenden Dokumente möge ein kleiner Beitrag dazu sein.

Im einzelnen veröffentlichen wir:
1. Jagodas Note an Stalin, seinen Gesetzesentwurf und Stalins Kommentar (erstmalig auf Deutsch).
2. Harry Whytes Protestbrief an Stalin (erstmalig auf Deutsch)
3. Auszüge aus der Großen Sowjetenzyklopädie von 1930 (angeführt von Harry Whyte) und den gesamten Eintrag über Homosexualität aus der Großen Sowjetenzyklopädie von 1952 (erstmalig auf Deutsch). Er bringt die "Theorie" der Stalinzeit über gleichgeschlechtliches Verlangen auf den Punkt.

Berlin, im März 2005

Michael Hellmann


Willkommen im
T-Haus von etuxx!



Ab sofort möchte ich Ihnen hier Texte präsentieren, die Geschichte und Gegenwart des Heterosexismus und des Kampfes dagegen beleuchten.
Vergessene Originale, Fremdsprachiges in Übersetzung, nichts soll hier ausgespart werden, wenn es denn der Wahrheitsfindung dient. Denn ohne Theorie wird die Praxis blind. Geschichtskenntnisse sind unverzichtbar bei der Veränderung der Gegenwart. Hier zur Erhellung beizutragen, nehmen ich mir vor.

Erster Schritt:
Sonnenbrillen ab.

Zweiter Schritt:
Rein in die Archive.

Dritter Schritt:
Öffentlich machen!

Wer hier etwas beitragen und veröffentlichen möchte, möge sich mit mir in Verbindung setzen:
michael[at]etuxx.com

Und nun viel Spaß beim Tee trinkenden Theoretisieren.

Michael Hellmann

Die Verhältnisse zum Tanzen bringen, indem man ihnen ihre eigene Melodie vorspielt.




Jagodas Note an Stalin, sein Gesetzentwurf und Stalins Kommentar




Harry Whytes Protestbrief an Stalin




Auszüge aus der Großen Sowjetenzyklopädie 1930, 1952, 1972




Donna San Floriante: Der Ansatz: ab Stalin boese-boese, bei Lenin alles gut, scheint mir fragwuerdig zu sein. Obwohl ich die Grundtendenz auch so sehe - gewisse sexualpolitische Fortschritte nach 1917, Rollback unter Stalin - ... z.B. ist mir keinerlei Erwaehnung der Homosexualitaet bei irgendeinem fuehrenden Bolschewiken bekannt. Dir?  
michael hellmann: mh@DSF: es geht nicht um böse-böse, es geht um den Schaden, den die Stalin-Linie angerichtet hat. Äußerungen führender Bolschewiken zur Gleichgeschlechtlichkeit sind auch mir nicht bekannt. Doch gab es schwule Bolschewiken, z. B. Außenminister Tschitscherin. Hier ist noch viel auszugraben und auszuwerten.  
Donna San Floriante: Tschiterin? War mir nicht klar, ueber den bin ich ueberhaupt auch erst kuerzlich gestolpert, eine spannende Figur in der revolutionaeren Soap Opera. Wie offen war der denn?  
Donna San Floriante: Korrigiere: Tschitscherin.  
Zu Tschitscherin: The Soviet authorities, in line with the medical views of the time, believed that a gay man could be easily cured by marriage or by medical treatment. A good example is the case of Chicherin. The diplomat Georgy Chicherin (1872-1936), a classmate of Kuzmin, had been comfortable with his orientation prior to 1917. After joining the Bolshevik Party in 1918, he broke all contact with Kuzmin and his other gay friends.  
Zu Tschitscherin II: Chicherin scored many diplomatic vitories for the Soviet Union between 1918 and 1925. Then he was urged by the Soviet Government to commit himself to a series of psychiatric clinics in Germany. A memoir published much later by his cousin in the West revealed that the illness in question was his homosexuality. No cure was achieved, and in 1930 Chicherin was dismissed form his post, again "for reasons of health."  
Zu Sergei Eisenstein: Another major figure whom the Soviet authorities tried to keep in a lifelong closet was the great filmmaker Sergei Eisenstein. Eisenstein may have internalized the homophobia of the Russian and international Communist movements, as when he told the Soviet critic Sergei Tretiakov that if it were not for Marx, Lenin, and Freud, he would have ended up as "another Oscar Wilde." But he did yield to his gay desires when visiting Berlin and Paris and even more so during his 1930-1932 stay in Mexico to make a film, where he became openly gay and almost caused an international scandal.  
Zu Sergei Eisenstein II: The Soviet government blackmailed him into returning to Moscow by threatening to disclose his private life. Before he was allowed to make another film, he had to submit to that Soviet cure-all for homosexuality: marriage. His friend and assistant Pera Attasheva volunteered to go through the ceremony, though they never lived together.  
Nina Berberova: There existed before the revolution only two laws in this area, the already mentioned Articles 995 and 996. What was abolished was the entire Criminal Code of the Russian Empire, of which these articles were only a small portion. Nina Berberova, who left the Soviet Union in 1922 and who had many gay friends both in the USSR and in emigration, when told of the American publications that state that homosexuality was legalized by the Soviet leaders in 1917, thought it too funny for words. "But in that case, the abolition of the old Code had also legalized murder, rape and incest," she said. "We had no laws on the books against them in 1917-22 either."  
Persecutions prior to Stalin: When civil war ended, a new Soviet Criminal Code was promulgated in 1922 and amended in 1926. [...] It did not mention sexual contacts between consenting adults, which meant that adult male homosexuality was legal. The provisions of this code extended to the Central Russian and the Ukrainian Republics of the USSR. But, according to Valery Chalidze, an expert on Soviet criminal law, the previously widespread homosexual practices in the Caucasus (e.g., Georgia) and in the Moslem areas of Central Asia (the Azerbaijan, Turkmen, and Uzbek Soviet Socialist Republics) were persecuted and punished during the 1920s.  
Brenda: hm. woraus ist das jetzt zitiert?  
Pathologizing: n Central Russia, including Moscow and Leningrad, two forms of the Soviet government's negative attitude to homosexuality became evident after the end of the civil war: morbidizing it by regarding it as a mental disorder; and dismissing or ignoring its manifestations in literary works that appeared in the 1920s. If the nineteenth-century legislation considered homosexuality as a crime to be punished, the Soviet regime in the 1920s saw it as an illness to be cured. This view is clearly stated in the book 'Sexual Life of Contemporary Youth', published in Moscow in 1923 by Izrail Gel'man.  
Pathologizing II: The book was based on an anonymous questionnaire about sexual practices, circulated among young factory workers, farmers and university students. Two of the respondents were lesbians, aged twenty-three and twenty-eight, both of working-class background and both ardent Communists. The author's comments on these two cases reads: "Science has now established, with precision that excludes all doubt, [that homosexuality] is not ill will or crime, but sickness [...]. The world of a female or male homosexual is perverted, it is alien to the normal sexual attraction that exists in a normal person."  
Pathologizing III: The other prominent Soviet "expert" on homosexuality in the 1920s, Mark Sereisky, stressed that it should not be punished because it is a form of mental illness. He emphasized the pathology of the phenomenon by replacing the verb "to be" when writing of it with the verb "to suffer." Sereisky opened his entry on homosexuality in the Soviet Medical Encyclopedia (reprinted in the first edition of the Great Soviet Encyclopedia in 1930) by defining it as "sexual attraction, counter to nature, to persons of one's own sex." He then stated that some 2 percent of men "suffer from homosexuality" and that some outstanding figures, such as Socrates and Leonardo da Vinci, "were victims of homosexuality."  
Pathologizing IV: Sereisky listed a number of emotional infirmities to which homosexuals are supposedly prone: They tend to be hysterical, infantile, and rude and to live in a world of their own fantasy. The entry in the medical encyclopedia ends with Sereisky's description of his experiments to cure male homosexuality by transplanting a heterosexual man's testicle(s) to a homosexual. He believed that this method could "cure" all homosexuals once the problem of the body's rejection of alien tissues was solved.  
Quelle: Simon Karlinsky, Russia's Gay Literature and Culture: The Impact of The October Revolution. In: Martin Duberman et al. (Hrsg.): Hidden From History: Reclaiming The Gay & Lesbian Past. New York u.a. 1989. S. 347-364.  
progress?: Though consensual homosexuality was nominally legal in the Soviet Union in the 1920s, most gay men who wanted a career in the arts or in government had to resort to a tactic practiced to this day - marriage to a woman - in order to deflect suspicions. This practice was unknown in Russia prior to the October Revolution. The painter Kuzma Petrov-Vodkin, noted for his male nudes, was married early in the 1920s, after which he specialized in scenes of farming and numerous portraits of his wife.  
progress? (II): The poet Pavel Antokolsky and the actor-director Yury Zavadsky were lovers in 1918 according to Marina Tsvetaeva's memoirs, and made no secret of their relationship. By the mid-1920s, they were married men. Riurik Ivnev, the bard of gay sado-masochism in prerevolutionary times, dropped gay themes, got married, and was allowed to join the Soviet diplomatic corps.  
Donna San Floriante: Lieber MH, danke für die Tipperei. Die Bolschewiki waren wahrscheinlich in tune mit der bürgerlichen Wissenschaft ihrer Zeit, aber besonders fortschrittlich kann man das alles nicht finden. Da war der alte Bebel Jahrzehnte vorher wesentlich weiter...  
Myth Hacker: Bebel? Der war doch genauso homophob. Aber das such ihr euch bitte selber raus.  
Donna San Floriante: Vielleicht sitze ich da einem Myth auf, aber ich meine er hat den Antrag gegen §175 im Reichstag selber eingebracht. Was nicht heissen muss, dass ... usw  
michael hellmann: mh@karlinskyzitierer:1. Den oben zitierten Text von Simon Karlinsky gibt es auch auf Deutsch. Er wurde in der Zeitschrift Capri, Zeitschrift für schwule Geschichte, Nr. 2/90, unter dem Titel: "Schwule Literatur und Kultur in Rußland" publiziert. 2. Dan Healey weist in Homosexual Desire in revolutionary Russia darauf hin, daß Karlinskys Ausführungen über Strafbarkeit mann-männlichen Sexes und deren Abschaffung durch die Bolschewiki mit allergrößter Vorsicht zu genießen seien.  
michael hellmann: Karlinsky hat Unrecht, wenn er den Bolschewiki bezüglich des Strafgesetzbuches von 1922 und 1926 unterstellt, sie hätten sozusagen "vergessen", männliche gleichgeschlechtliche Handlungen zu bestrafen. 3. Die weiter andauernde Strafbarkeit in den außereuropäischen Unionsrepuliken ist zu kritisieren, Healey gibt auch hier einige Hinweise in seinem Buch.  
michael hellmann: zu Sereinski:Dan Healey sagt in seinem Aufsatz „Homosexual Existence and Existing Socialism“, in: GLQ A Journal of Lesbian and Gay Studies, Vol. 8, Nr. 3 2002, Duke University Press: “…eine teilweise Übersetzung dieses Artikels, der unglücklicherweise den Eindruck einer feindseligen, pathologisierenden Sichtweise von Homosexualität gibt, indem Sereinskis positive Bemerkungen über das Leben der schwulen Gemeinschaft in Deutschland ausgelassen werden und seine vorsichtige medizinische Ausdrucksweise nicht kommentiert wird... (ibid.,S. 373) Das bezieht sich auf Sereinskis Beitrag in der Großen Sowjetenzyklopädie.  
michael hellmann: mh@DSF: Insegesamt gesehen: Die Oktoberrevolution brachte einen gewissen Fortschritt, der keineswegs tiefgehend genug war, der nicht ausreichend war, aber bei weiter revolutionärer Entwicklung ausbaufähig gewesen wäre. Die Stalingruppe aber zerrte diesen Prozeß, und da hast Du ganz recht, sogar noch hinter den damaligen Stand der bürgerlichen Wissenschaften zurück.  
michael hellmann: mh@myth hacker und DSF: Bebel hat die Petition gegen den §175 in den Reichstag eingebracht, es gab wohl auch eine leichte Verbesserung in seinen Positionen vom "freiwilligen" Rauswurf Waechters bis zur Petitionsunterzeichnung, aber das rechtfertigt nicht seine feindseligen Ausführungen gegen Schwule und Lesben in "Die Frau und der Sozialismus" - d'accord.  
michael hellmann: mh@alle: hat jemand genauere Literaturhinweise zu Tschitscherin und Eisenstein und deren gleichgeschlechtlichen Neigungen? Ich bin für jeden Hinweis dankbar.  
Mandy: aufgrund meiner ost-sozialisation habe ich nur rudimentäre englisch-kenntnise vorzuweisen. all die vielen erläuterungen sind für mich also leider nicht sehr hilfreich.  
Myth Hacker: Die Ersetzung des Strafrechtsmodells durch das Pathologie-Modell war kein Fortschritt, noch nicht einmal ein bescheidener, zumal die einschlägigen Strafgesetze - zumindest laut Karlinsky - im zaristischen Russland kaum angewendet worden waren. Sie gehen überhaupt erst auf die Modernisierung Russlands durch Zar Peter den Großen zurück, der die Sodomiegesetze aus Württemberg und Schweden importierte. Es gibt keine Beweise dafür, dass sie jemals in größerem Umfang angewandt wurden. Tolstoi beruft sich in seiner Kritik am Zarismus genau auf diese Milde, und sieht sie als Beweis für die Korruption und moralische Laxheit des alten Regimes.  
Myth Hacker: Der Fehler, den du begehst, Michael, ist, dass du den Bolschewiki überhaupt irgendeine besondere eigene Haltung zu diesem Thema unterstellst. Die hatten sie nicht. Sie orientierten sich lediglich an den sexualwissenschaftlichen Diskursen im Westen, insbesondere den Theorien Magnus Hirschfelds, von dem Mark Sereisky die Idee der Hodentransplantation zur Heilung von Homosexuellen hatte. Die Bolschewiki haben nie eigene Ideen dazu entwickelt, sondern einfach das übernommen, was sie in der bürgerlichen Wissenschaft vorfanden.  
Myth Hacker: Dein Lob an den Bolschewismus, die zaristischen Strafgesetze abgeschafft zu haben, bringt nicht viel, wenn es um die Erkenntnis der Sache geht. Der Witz ist doch gerade, dass die Bolschewiki _nicht_ mit der Biopolitik des bürgerlichen Staats gebrochen haben. Abschaffung der Sodomie-Gesetze - so weit haben es westliche Staaten wie Frankreich und Italien, Dänemark und Bayern teilweise schon Anfang des 19. Jahrhunderts gebracht.  
Myth Hacker: Wenn es dein Ziel ist, Antikommunisten eins auszuwischen, dann weis halt darauf hin, dass die Bolschewiki lediglich nachvollzogen haben, was der bürgerliche Staat ihnen vorgemacht hat. Aber der Versuch einer Ehrrettung der Bolschewiki durch Verweis auf ihre angeblich so fortschrittliche Sexualpolitik, mit der der Verräter Stalin dann gebrochen hätte, ist eine Geschichtsmär, die von Trotzkisten unablässig weitererzählt wird.  
Myth Hacker: @Mandy: Der Inhalt der Zitate geht ungefähr so: Die Bolschewiki haben 1917 das gesamte Strafrecht abgeschafft. Formal gab es auch keine Gesetze gegen Mord, Vergewaltigung oder Inzest mehr. Das sagt also nicht viel aus. 1922 haben sie dann ein eigenes Strafgesetzbuch eingeführt, in dem einverständlicher Sex jedweder Art nicht mehr vorkam. In den peripheren Sowjetrepubliken, etwa den muslimischen, haben sie aber sexuelle Praktiken zwischen Männern, die dort sehr verbreitet waren, trotz fehlender Gesetze verfolgt und bestraft.  
Myth Hacker: @Mandy: In Zentralrussland (wozu Moskau und Leningrad zählten) haben sie dagegen angefangen, Homosexualität zu pathologisieren, die einschlägige Avantgarde-Literatur, die nach der Revolution von 1905 blühte, mit äußerster Herablassung zu behandeln oder ganz totzuschweigen. Prominente Künstler wie Sergei Eisenstein wurden erpresst und in Scheinehen gedrängt, Diplomaten wie Tschitscherin gezwungen, sich in deutschen Psychiatrien therapieren zu lassen. Die implizite Behauptung von Karlinsky ist, dass sich der gesellschaftliche Status gleichgeschlechtlicher Liebe durch die Oktoberrevolution nicht verbessert, sondern eher sogar noch verschlechtert hat.  
michael hellmann: mh@mythenzerhacker1:ich gebe Dir Recht, daß die Bolschewiki keine eigenständige, kommunistische Theorie zur Sexualität, darunter auch ihrer gleichgeschlechtlichen Variante, hatten. Das ist kritikwürdig, und um es kritisieren zu können, ist eine genaue Untersuchung der kommunistischen Theorieentwicklung in diesen Fragen zu leisten, beginnend mit Marx und Engels. Auch Lenins Auffassungen sind hier genau unter die Lupe zu nehmen.Das wird in dieser Diskussion hier nicht gelingen.  
michael hellmann: mh@mythenzerhacker2:Es ist aber ebenso klar, daß die Oktoberrevolution im Bereich Gleichstellung der Frau, Ehe- und Familienpolitik, und Entkriminalisierung von Gleichgeschllechtlichkeit einen Riesenfortschritt bedeutete,den der eingefleischte Antikommunist Karlinsky nicht sehen will. Wir sind uns doch wohl hoffentlich darüber einig, daß - um beim gleichgeschlechtlichen Sex zu bleiben - Entkriminalisierung ein Fortschritt war.  
michael hellmann: mh@mythenzerhacker3:Karlinsky verfälscht die Geschichte, wenn er den Bolschewiki "unabsichtliche" Entkriminalisierung unterstellt.Kennst Du den Text von Batkis von 1925? Ich habe ihn leider nur in Auszügen, doch spricht der eine ganz andere Sprache. Übrigens: die barbarische Idee der Hodentransplantation hatten Semashko und Sereiski wohl eher von Eugen Steinach als von Hirschfeld. Es gab in den 20ern in der SU widersprüchliche Tendenzen. Es bestand die Möglichkeit einer weiterhin revolutionären Entwicklung, die Stalin abgeschnitten hat.  
michael hellmann: michael hellmann@mythenzerhacker4: Es ist doch auch kein Zufall, daß die Stalingruppe Gleichgeschlechtlichkeit illegalisierte, die Abtreibung verbot und die Ehescheidung erschwerte. Das hat einen inneren Zusammenhang. Literaturhinweiszur Kritik an Karlinsky: Dan Healey, Male Homosexuality in Stalin's Russia, GLQ, Vol.8No.3,2002  
michael hellmann: michael hellmann@mythenzerhacker5: Gerade als leidenschaftlicher Mythenzerstörer muß man/frau bei der Erwähnung der zeitweiligen Entpönalisierung gleichgeschlechtlichen Sexes in einigen deutschen Teilstaaten zu Beginn des 19. Jahrhunderts dringend darauf hinweisen, daß dies unter dem Einfluß der französischen Revolution und des Code Napoleon geschah, um keinen deutschnationalen Mythios zu befördern. Der Hauptfeind steht nach wie vor im eigenen Land!  
Myth Hacker: Nein, wir sind uns nicht einig, dass die Entkriminalisierung von gleichgeschlechtlichem Beischlaf ein Riesenfortschritt war. Sie war nämlich die logische Folge der Pathologisierung von "Homosexualität". Wenn man Homosexuelle als geisteskrank betrachtet, kann man sie nicht mehr dafür bestrafen. Geisteskranke sperrt man in die Psychiatrie, nicht ins Gefängnis. Es handelte sich also lediglich um die Ablösung des Verbrecherparadigmas durch das Krankheitsparadigma. Wenn man Leute durch Stigmatisierung ihrer Person in den Selbstmord treibt statt sie für ihre Handlungen einzusperren, ist das KEIN Fortschritt.  
Myth Hacker: Im Übrigen hat Eugen Steinach seine Hodenexperimente in Zusammenarbeit mit Magnus Hirschfeld durchgeführt. Die Probanden für diese Versuche wurden ihm durch Hirschfeld vermittelt, der damals das "Institut für Sexualwissenschaft" leitete. Es war auch Hirschfeld, der die vermeintlichen Erfolge dieser Therapie international bekannt machte, um seine Theorien über die physiologischen Grundlagen der Homosexualität zu stützen. Hirschfeld glaubte, so das Strafrecht aushebeln zu können.  
Myth Hacker: Und warum sollte man die kommunistische Theorieentwicklung zu dieser Frage untersuchen? Der Leninismus ist doch so oder so ein Riesenquatsch. Er enthält so viele Missverständnisse und Denkfehler, dass es sich nicht mehr lohnt, da noch eine Mülltrennung vorzunehmen. Und Marx was Marx angeht: der hat eine _Kritik der politischen Ökonomie_ vorgelegt, keine Analyse der sozialen Konstruktion von "Homosexualität". Es ist irrelevant, was er zu letzterem gedacht hat. Wir schreiben doch hier keine Hagiographien.  
Myth Hacker: Im Übrigen hat Karlinsky vollkommen recht: die Bolschewiki haben Homosexualität 1917 nicht entkriminalisiert. Sie haben nur darauf verzichtet, sie 1922 wieder unter Strafe zu stellen, als sie ihr eigenes Strafgesetzbuch einführten. Das ist ein kleiner Unterschied. Nicht jeder, der den Leninismus entglorifiziert, ist ein Antikommunist. Und in Karlinskys Artikel sehe ich auch sonst keinen Hinweis, dass er ein Antikommunist wäre. Er selbst war unter Stalin Verbindungsoffizier und Dolmetscher im sowjetischen Staatsdienst, was natürlich ebensowenig etwas heißen will.  
Donna San Floriante: Meinerseits trotzkistisch erzogen, kann ich Mythackers Befund voll unterstreichen. Ich habe das genauso gelernt, zwar von Bebels Antrag gg §175 gehoert, aber nicht vom Fall Waechter etc. Seit ich mich selber damit beschaeftige, implodiert ein Mythos nach dem naechsten.  
Donna San Floriante: @MH: Fortschrittliche Frauenpolitik der Bolschewiki geschenkt - aber es ist leider so, dass daraus keine fortschrittliche Schwulenpolitik folgt. Bei Alexandra Kollontai gibt es gleichgeschlechtliche Liebe nicht, bei Zetkin und anderen sozialistischen Frauenrechtlerinnen auch nicht. Anders die Anarchistin Emma Goldmann - oder platzt hier der naechste Mythos?  
michael hellmann: mh@dsf: Fortschrittliche Frauenpolitik ist auch nicht geschenkt- und Stalin hat auch daran gedreht - zurückgedreht. Nicht nur bei Zetkin, sondern auch sonst bei keinem der dt. revolutionären Linken (Spartakusgruppe) gibt es positive Bezüge auf Gleichgeschlechtliches. Ich gebe Dir insofern recht, als daß sich Heterosexismus bis zum heutigen Tage durch die revolutionären Strömungen zieht. Dagegen versuche ich zu arbeiten.  
michael hellmann: mh@mythenzerstörer:Harry Whyte verteidigt Sereiski in seinem Brief, Dan Healey verteidigt ihn gegen Karlinsky (in Homosexual Desire in Rev. Russia), und ich folge diesen beiden hier.Warum tut Whyte, der ja an Ort und Stelle war, das? Ich denke, daß Sereiski und die die von ihm repräsentierte Linie zur Gleichgeschlechtlichkeit stark kritikwürdig sind (wie der gesamte Hirschfeldianismus), aber daß es unhistorisch wäre, ihn als Reaktionär und kompletten Finstermann abzustempeln.  
michael hellmann: mh@mythenzerstörer2: Ich möchte Dich fragen, ob Du die Möglichkeit hast, Sereiskis Beitrag in der Großen Sowjetenzyklopädie von 1930, lt. Healey Bd. 17, S. 593-596 zu beschaffen und zu übersetzen bzw. übersetzen zu lassen, so daß wir ihn auf etuxx veröffentlichen können. Dann wären wir alle klüger in dieser Angelegenheit. Ich möchtze diese Frage darüber hinaus an alle LeserInnen richten. Kontaktiert mich einfach per e-mail.  
Myth Hacker: Nein, Sereiski war ganz sicher kein Reaktionär. Vielmehr hat er neue Formen der Unterdrückung ersonnen, nämlich die Schöpfung einer homosexuellen Minderheit aus dem Geiste der Psychopathologie, begleitet von dem Versprechen, diese Minderheit durch chirurgische Eingriffe heilen zu können. Wenn man mal aufhört, den Fortschrittsbegriff zu mythologisieren, dann könnte man das tatsächlich als "Fortschritt" in den Technologien staatlicher Machtausübung bezeichnen.  
Myth Hacker: @mh: nein, ich habe die möglichkeit nicht, den enzyklopädieartikel zu besorgen, zumal ich gar kein russisch kann. mich interessiert das thema auch nur am rand. schließlich hat die frühe SU gar keine spezifische homosexuellenpolitik aufzuweisen. sie war nicht anders als die bürgerlichen staaten im westen, die ihr als vorbild dienten. auch die abschaffung des sodomie-strafrechts war nichts revolutionär neues. das hat napoleon bereits am anfang des 19. jahrhunderts in frankreich und nach ihm auch die regierungen von bayern, dänemark, italien usw. durchgesetzt.  
Reaktionärer Mythos: In Folge der französischen Revolution wurde gleicggeschlechtlicher Sex entkriminalisiert, also war die Entkriminalisierung durch die Bolschewiki nicht fortschrittlich. Analogie: In Folge der französischen Religion wurden Kirche und Staat konsequent getrennt, also wäre eine solche Trennung im heutigen Deutschland nicht fortschrittlich.  
Myth Hacker: @Reaktionärer Mythos: In Frankreich gab es während des 18. Jahrhunderts eine massive Verfolgung von "Päderasten". Die gab es im zaristischen Russland nie. Tatsache ist, dass sich das Leben von Lesben und Schwulen durch die Oktoberrevolution im Durchschnitt nicht verbessert, sondern verschlechtert hat, jedenfalls was ihre sexuelle Freiheit angeht. Was deine abstruse Logik angeht, möchte ich dazu lieber schweigen. Eine Entkriminalisierung hätte dann einen Forschritt dargestellt, wenn sie nicht mit Pathologisierung, Totschweigen homoerotischer Literatur, Zwangsverheiratung und massive Verfolgung in den peripheren Sowjetrepubliken einhergangen wäre.  
Myth Hacker: massive - massiver