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Gehen Sie einfach los, in
Hamburg auf anderen Wegen
von Baella van Baden-Babelsberg






Tom of Finland Plakat

Tom of Finland,
Plakatauftrag, 70er Jahre





Freundespaar, um 1910

Freundespaar im Fotostudio, um 1910





Ernie Reinhardt

Mahnmal 1985







Inhalt:

Weimarer Republik
Entstehung der
Homosexuellenszene

Nazi-Diktatur
Die Verfolgung

Nachkriegszeit
Schwerer Neuanfang

Aufbruch nach 1969
"Macht Euer Schwulsein öffentlich!"

AIDS
verändert die schwule Emanzipationsbewegung

Homosexualität
in der Literatur

Homusexuelle Künstler
aus Hamburg

Mythos Matrose

Wo liegen sie denn?
Schwule im Grab

Stadtteilrundgänge
Vorschläge

Straßennnamen
durch das schwule Auge betrachtet









Alle Fotos sind dem Buch entnommen worden.


Seien Sie doch mal ehrlich. Haben Sie nicht auch irgendwann mal daran gedacht, eine eigene Kneipe oder ein eigenes Café aufzumachen? Es muss ja nicht gleich eine Buchhandlung sein. Ein eigener kleiner Kosmos, bestehend aus netten Gästen, die immer wiederkehren, angeregten Gesprächen, ja vielleicht sogar Veranstaltungen, die der herzlichen und geistigen Erbauung dienen? Falls Sie in Hamburg gerade auf der Suche nach einem geeigneten Ort dafür sind, versuchen Sie es gar nicht erst in der Kastanienallee Nr.7. Sie werden dort kein Glück haben, der Laden ist nämlich verhext. Seit Elsa Stoos vor über 40 Jahren ihre Kellerbar schließen musste und deshalb mit einem brennenden Fidibus durch die Kelleräume ging, sind alle Nachfolger bis heute vom Pech verfolgt. "In meinem Kohlenkeller wird niemand mehr glücklich", schwor sie damals und hätte bei all der Hexerei fast das ganze Haus angesteckt. Nun, es hat offensichtlich funktioniert. Der ehemalige "Laubfrosch", eine der vielen kleinen Szenekneipen auf St.Pauli, hat seither auch in abgewandelten Formen keine großen Sprünge mehr gemacht.

"Hamburg auf anderen Wegen" von Bernhard Rosenkranz und Gottfried Lorenz ist voll von diesen kleinen Geschichten und Anekdoten, die, wie Sie sehen, durchaus auch heute noch von praktischem Nutzen sein können. Und das nicht nur, weil Sie vielleicht ein Kneipe eröffnen wollen. Es reicht schon, sich von den Autoren an die Hand nehmen zu lassen und durch die Zeiten und Orte dieser Stadt führen zu lassen, um sich klar zu werden, dass auch die neueren Errungenschaften schwuler und lesbischer Emanzipation nicht möglich gewesen wären, wenn es die Entstehung dieser ganz speziellen Szene nicht gegeben hätte, auf der heute alles so selbstverständlich aufbaut. Das Buch berichtet darüber, in elf spannenden Kapiteln, von der Weimarer Republik bis in die Gegenwart, nebst Vorschlägen zu Rundgängen und einem ausführlichen Personen- und Sachregister. In liebevoller Kleinarbeit haben die beiden Autoren recherchiert, alle, na ja fast alle Orte der Stadt aufgesucht, an denen die Sterne zu leuchten begannen oder auch gegen Irrlichter gekämpft wurde. Legendär sind da ja schon die von schwulen AktivistInnen zerschlagenen Einwegspiegel in den Toilettenanlagen der Hansestadt.

Sie haben Interviews mit ZeitzeugInnen geführt, unter ihnen Sterne, die längst verblasst oder ganz erloschen sind, aber auch die Stars der Szene, Corny Littmann oder Lilo Wanders, um nur zwei der üblichen Verdächtigen zu nennen. Sie haben einschlägige Zeitschriften ausgewertet und sind in private Archive gestiegen. Sie müssen dabei selbst sehr viel Spass gehabt haben, denn fast auf jeder Seite springt der Funke über. Wer blättert und liest nicht gerne in alten Geschichten, die mit all diesen Bars, Theatern und Cabarets verbunden sind. Wer möchte nicht endlich einmal genauer erfahren, wie sich das schwule Leben überhaupt entwickeln konnte, jenseits vom Mainstream, in den zwanziger Jahren, dann unter der Nazi-Diktatur und schließlich in den gruseligen Wirtschaftswunderjahren danach. Erst dann lässt sich nicht nur verstehen, sondern auch nachempfinden, was der Aus- und Aufbruch aus all dem in den 70er und 80er Jahren wirklich bedeutete und wie sich dabei die ganz eigenen Gesetze des neuen Kosmos herausbildeten, unter denen die Szenegrößen liebten, lachten und kämpften. Manch eine von ihnen hat sich ja endgültig zur Ruhe gelegt, weshalb auch ein ausführlicher Hinweis auf die Ruhestätten nicht fehlt. Er könnte als krönender Abschluss des Buches gelesen werden. Ernst Meibeck zum Beispiel, nach dem unser Kulturhaus benannt wurde, findet sich da auch. Schauen Sie mal vorbei, Hauptfriedhof Ohlsdorf, Memento I, K 10, 13-22.

Geschichtsschreibung hat ihre eigenen Gesetze und Regeln. Sie geschieht durch Auswahl und Zusammenstellung des Materials, vor allem auch durch Kommentierung. Was Letzteres betrifft, so sind die Autoren behutsam vorgegangen, was einerseits dem Ganzen gut tut, andererseits zu manchmal nichts sagenden Resumées führt. Der tiefere Einblick in die Geschichte kann eben nur so weit gehen, wie es die Erinnerungen der ZeitzeugInnen zulassen, und die zählt ja bekanntlich nur die schönen Stunden. Von all den Intrigen und Leichen, die auf den Wegen zurückblieben, ist vergleichsweise wenig zu lesen, bisweilen wird es - vielleicht auch aus Unkenntnis - nur angedeutet. Aber knapp 80 Jahre schwules Leben in Hamburg zusammenzutragen, das ist so schon Arbeit genug. Und dass es Arbeit war, ist diesem Buch nicht anzumerken. Es liest sich wie ein spannender Roman, der das Auge auch für die Gegenwart schärft. Wenn Sie heute Ihre Lieblingskneipe betreten, werden Sie nach Lektüre dieses Buches ein neues Gefühl für den Ort bekommen, an dem Sie gerade stehen. Seien Sie sicher, auch dieser wird eines Tages Geschichte schreiben.

Gestatten Sie mir also eine zweifache Empfehlung. An die Leserinnen und Leser, das Buch zu erwerben und es in vollen Zügen zu genießen. Als Nachschlagewerk wird es Ihre Bibliothek bereichern, auch wenn Sie dafür nicht in Hamburg gewesen sein müssen. Denn von dieser Stadt hat Vieles seinen Ausgang genommen, was sich andernorts wiederfinden lässt oder weiter entwickelt wurde. Hamburg war eben damals tatsächlich noch das Tor zur Welt. An die Autoren schließlich, demnächst eine zweite, erweiterte Auflage herauszugeben. Es fehlt nämlich noch der ganz andere Weg, der wohl so verborgen war, dass er selbst eingehender Recherche verschlossen bleiben mußte. Dieser Weg nahm seinen Anfang in den Achtziger Jahren am Hafenrand, verlief von dort in ein altes ehemaliges Theater am Schulterblatt, mündete schließlich auf eine Baustelle, an der noch heute gewerkelt wird und führt sogar bis hierher. Hafenstraße, Rote Flora, Schwule Baustelle, etuxx. Dieses Kapitel wird noch geschrieben werden müssen.

"Hamburg auf anderen Wegen" ist selbst der Geschichte entsprungen, von der es handelt. Das Buch ist im Lambda Verlag Hamburg erschienen und - wie der Verlag selbst schreibt - "in jeder guten Buchhandlung erhältlich". Ein zarter Hinweis darauf, dass am Ende alles gut wird?

Paperback, Format 17x24 cm,
384 Seiten mit teilweise bisher unveröffentlichten Fotos und Bildern
29,80 €
ISBN 3-925495-30-4

Weitere Infos auf der Site zum Buch

Der Lambda Verlag unterstützt die Aktion des Autors Bernhard Rosenkranz und von Ulf Bollmann (Hamburger Staatsarchiv), den vielen namenlosen homosexuellen NS-Opfern aus Hamburg im Rahmen des Projektes "Stolpersteine" ihre Namen zurückzugeben.