OA: Der Verweis auf das "Natürliche" im Sexualleben(Ungeschützter Sexualverkehr ist im Leben auch das Natürliche) könnte direkt aus päpstlicher Feder stammen. Die katholische Moraltheologie leitet ja gerade aus der Bestimmung dessen, was an Sexualität "natürlich" ist und was nicht das Kondom-Verbot ab. Ich denke, dass das Ficken mit Kondom tatsächlich eine Leistung ist, kann und muss man anders plausibel machen. Im Grunde haben sich die VerfasserInnen ein Eigentor geschossen. Denn umgekehrt heißt es, dass 70 % unnatürlichen Sex machen. Kann ja wohl nicht Absicht sein, oder? |
vadda: irgendwie tut dieser beitrag doch niemanden weh. |
xenon: ich sehe bei dieser barebackdiskussion ganz grosse parallelen zur drogenverbotsdebatte! verbote und panikmache statt objektivität und aufklärung. (den begriff "natürlich" finde ich allerdings auch sehr problematisch - ist schwuler sex nicht nach der auffassung vieler reaktionärer menschen "widernatürlich" ?) |
safer sex, auch wenn's "out" ist!: was hat es mit "wider-natürlich" sein zu tun, wenn man(n) sich und seine sexualpartner vor einer ansteckung mit einer tödlichen krankheit schützt? ist es nicht das "natürlichste" zu leben? und dafür auch verantwortung zu übernehmen? safer sex zu propagieren hat doch nichts mit entsolidarisierung zu tun! wer damit ein problem hat, sollte sich mal erkundigen wie in der schweiz und in österreich mit dem thema "bareback" (strafrechtlich) umgegangen wird! |
rydra wong: wie wird denn in der schweiz und in österreich damit umgegangen? |
xenon: in österreich und in der schweiz gibt es strafen für partyveranstalter die für barebacking-parties werben (und solche veranstalten). bei der cdu wird das auch gerade diskutiert. @safer sex, auch wenns... : genau deswegen finde ich den begriff ja problematisch, weil man als das gegenteil "widernatürlich" auffassen KÖNNTE, was sicher nicht im sinne der verfasser(innen) und der kondomgebraucher ist! |
xenon: ich selbst finde bareback-parties auch höchst problematisch - die frage ist doch - ob man sie verbieten sollte [jemanden vorzuschreiben, was er für sex haben darf..?] oder ob es nicht sinnvoller wäre, den AIDS-Hilfen und der DAH mehr geld zu geben, um aufklärung zu betreiben und für safer sex zu werben. |
Christian Förster: @xenon: genau um die debatte der strafrechtlichen art geht es ja. deswegen diese resolution unter anderem @all: wir haben die definitionshoheit des begriffs bareback verloren. was einst ein begriff für eine (m.E. unter bestimmten Umständen legitime) form des sex zwischen positiven war, ist inzwischen in der allgemeinen debatte zu einem synonym für unsafen sex generell geworden. |
Christian Förster: @OA: der verweis auf das "natürliche" hat nix zu tun mit päpstlich. es geht darum zunächst zu bemerken, dass sex a priori ohne gummi ist, und die tatsache dass immer noch über 70% der schwulen einen gummi benutzen bedeutet, dass hier ein ziel sehr gut erreicht wurde |
Brenda: das "a priori" macht es aber nicht besser. was soll denn das sein, a-priori-sex? ist anal auch prior zu oral? oder wixen mit rechts prior zu wixen mit links? beinhaltet a priori sex auch das schlucken von sperma? und wie ist mit fisten? ist das schon a posteriori-sex? durch den austausch des wortes "natürlich" durch "apriori" ist wenig geholfen. beides normiert, reguliert, standardisiert. und jeder andere begriff, der sexuelle praktiken hierarchisiert, tut das ebenfalls. geschützter analverkehr ist eine sexuelle praktik genau wie ungeschützer analverkehr auch. unter bestimmten gesichtspunkten kann das eine sinnvoller sein als das andere. |
Halford: Den Verweis auf die angeblich "natürliche Form des Umgangs" finde ich auch falsch. Es ist nicht sinnvoll, sich an einem Diskurs über "natürliche" (und dann wohl zwangsläufig auch über "widernatürliche") Formen von Sexualität zu beteiligen, wie er von der Moraltheologie geführt wird. Wie natürlich kann eigentlich ein Gummi-Fetisch sein? |
Halford: (PS: Die „natürliche Form des Umgangs“ ist nach marxistischer Lehre die urkommunistische. Und da es im Kommunismus ja kein Ficken ohne Gummi geben wird, wie Michael Hellmann an anderer Stelle mal angedeutet hat, muss das Gummi ja irgendwie natürlich sein :-) .) |
Halford: Überhaupt ist der ganze Absatz "Zur Sexualität" problematisch: Dass Kondome "objektiv" sexuelle Erlebnismöglichkeiten einschränken, ist Unsinn, weil sexuelle Erlebnismöglichkeiten immer subjektiv sind (deshalb ja auch ERLEBNISmöglichkeiten) und die Behauptung nicht belegt wird. Unklar ist mir auch, wieso in Punkt 2 auf das individuelle Aushandeln von Grenzen sexueller Praxen verwiesen wird, um dann in Punkt 3 die AIDS-Hilfe aufzufordern, solche Grenzen öffentlich aufzustellen. Und wieso eigentlich werden die Einsparungen im Präventionsbereich nicht kritisiert, wo doch mehrfach darauf hingewiesen wird, dass Prävention Anstrengungen und Geld kostet? |
Halford: Die von xenon erwähnte Parallele zur Drogenverbotsdebatte sehe ich übrigens auch. Genau wie Discos geschlossen werden, in denen erwiesenermaßen illegale Drogen verbreitet werden, so wird der Staat auch gegen Partys einschreiten, auf denen erwiesenermaßen HIV verbreitet wird, was unter bestimmten Voraussetzungen ja einen Straftatbestand darstellt (Körperverletzung). Fehlt nur noch der Beleg, dass Bareback-Partys tatsächlich für Neuinfektionen verantwortlich sind. |
Christian Förster: Sorry, ich finde diese Debatte zum Artiekl am Thema vorbei - hier geht es um die Frage Barebacking und die politische Diskussion, die darum derzeit geführt wird. Und ihr streitet euch um das Wort "natürlich"? ... zum Verzweifeln, schade |
Christian Förster: @ Halford: du weist zurecht auf die Einsparungen im Präventionsbereich hin - die aber sind in der Resolution (siehe Punkt 6 bei Präventionsstrategien) enthlaten. Deswegen kan ich deine diesbezügliche Kritik, dies würde fehlen, nicht verstehen. |
Halford @ C.F.: Stimmt, die Mittelkürzungen werden in einem Nebensatz kritisiert, den ich übersehen habe. Zu deiner Kritik: Die hier zur Diskussion stehende Erklärung des Positiventreffen stellt eine Verbindung zwischen Barebacking und der vorgeblich "natürlichen Form" des ungeschützten AV her, und deshalb finde ich es auch legitim, hier darüber zu streiten. Aber zweifelsohne gibt es noch andere wichtige und diskussionswürdige Punkte. |
Halford @ C.F.: Und zu deinem Einwurf über die Definitionshoheit: Barebacking stand immer für ungeschützten AV. Nicht diese Definition wurde verändert oder auf einmal von anderen Akteuren bestimmt, sondern der Kreis derjenigen, die Barebacking praktizieren, hat sich verändert und vergrößert. Das zumindest ist mein perönlicher Eindruck. |
Brenda@C.F.: ich finde nicht, dass die Debatte hier am Thema vorbeigeht, zumal dies nicht die erste Diskussion auf etuxx zum Thema barebacking ist. Die "natürliche Form" ist auch nicht ein Nebenaspekt der Resolution, der plötzlich von einigen aufgebauscht wird, sondern die Frage der "Natürlichkeit" wird dem Text als grundlegend vorangestellt ("dies muss man erstmal zur Kenntnis nehmen"), sie bekommt einen eigenen Absatz mit eigener Überschrift. Der Absatz enthält auch den absurden Hinweis auf eine "objektive Einschränkung" des sexuellen Erlebens, was Halford bereits kritisierte. Diese Grundlagen der hier eingestellten Resolution zu hinterfragen ist nicht zum Verzweifeln, sondern notwending. |
Brenda: Außerdem streiten wir ja immer nur über die Dinge, worüber wir uns uneinig sind. Ich persönlich stimme der Text ansonsten im Wesentlichen zu. Etwas unklar war mir, was mit "Eine Korrelation zum Testverhalten findet nicht statt" gemeint ist. Wir wissen einfach nicht, ob hier eine Korrelation besteht, da durchgeführte negative Tests nicht gemeldet werden. Meine Vermutung ist durchaus, dass es hier einen Zusammenhang gibt in dem Sinne, dass pro Jahr mehr Tests positiv sind, da regelmäßige HIV-Tests immer stärker beworben und durchgeführt werden, die absolute Zahl an Testungen also insgesamt steigt und damit auch die Anzahl positiver Ergebnisse. |
Harry Schäfer: Gay Community, Rücksichtnahme, Anteilnahme scheinen uncool, Worte aus ferner Vergangenheit. Barebacking ist der tiefe Wunsch zur Selbstzerstörung, also eine Depression, die auf auf Verdrängung der eigenen Homosexualität beruht, ungefähr so wie jemand der von einer Brücke springt, ohne Seil. Kein "freier Sex". |
Sven: Alles klar: dann ist springen ohne Seil also die natürliche Form von Bungee und wenn ich dabei auf jemanden drauf falle ist der daran schuld! |
oa@schäfer: "der tiefe wunsch nach selbstzerstörung": wie "tief" ist denn der wunsch? entspricht der in etwa dem thanatos, also der todestrieb-theorie sigmund freuds? ich halte solche verkürzten psychologismen für sehr gefährlich und in diesem falle auch für falsch. bei "barebacking" spielen weit mehr komponenten eine rolle als der wunsch nach selbstzerstörung, den ich apriori als einen erklärungsversuch aus grauer vorzeit halte. wenn es eine diskussion untereinander und nicht übereinander sein soll, müssen alle auf dem teppich bleiben. |
Eike Stedefeldt: Wer sich mit Sprache im politischen Raum befaßt, sollte, wenn schon nicht das Wissen, so doch zumindest einen Instinkt dafür haben, daß Worte in anderem Kontext andere Bedeutungen annehmen. So gebraucht die Resolution „natürlich“ selbstverständlich in völlig anderem Sinne als der Papst: im Sinne von "herkömmlich"/"gewöhnlich". Anderes zu unterstellen ist infam; es entwertet die wichtigen Kernaussagen der Resolution und stempelt ihre Urheber zu Deppen, die sich in einer von Kriminalisierung geprägten Lage gegen Entsolidarisierung inner- und außerhalb der Homo-Szene wehren müssen. Die Resolution mag sprachliche und begriffliche Schwächen haben, aber den Leuten das vorzuwerfen, ist unsauber. Gigi |
oa@eike: tschuldigung, herr stedefeldt, aber "unsauber" ist genauso blöd wie "natürlich". und dann noch: "sprache im "politischen raum". was ist das denn? wie komm ich dahin? ist der "politische raum" ein schutzraum für sprachliche missgriffe? oder du erklärst uns mal den größeren zusammenhang, den wir außerhalb des politischen raumes stehenden dummchen nicht in der lage sind ad hoc zu verstehen. | |