Eine kanadische Geschichte
von Margaret Robinson




Torontorianische Kennzeichnung von Cruising-Parks
Teil 2

Was stimmt also an der gleichgeschlechtlichen Ehe nicht? Eines der Probleme in der Ehediskussion ist, daß alle von unterschiedlichen Definitionen ausgehen. Ist es die gesetzliche Stellung? Die Zeremonie? Die Praxis der Monogamie? Männliches Eigentum an Frauen? Ein Wochenende in Las Vegas? Da sich selbst die religiöse Rechte darüber streitet, was die Ehe eigentlich ist, benutze ich hier meine eigene Begriffsbestimmung. Ehe ist eine erfolgreiche und langfristige Aufrechterhaltung und Weiterentwicklung einer Liebesbeziehung. Wenn Du das machst, dann bist Du verheiratet, unabhängig davon, welche Papiere Du hast. Das begreift eine Reihe von Leuten ein, die sich für Nicht-Heirat entschieden haben. Aus meiner Perspektive sind sie verheiratet, auch wenn sie sich entschlossen haben, nicht zum Standesamt zu gehen, was ich verstehen und respektieren kann. Aber wenn es sich um romantische Liebe handelt, und diese mit der Zeit wächst und gedeiht, dann ist das für mich eine Ehe.

Einige der Einwände gegen die Ehe richten sich gegen die sozialen Privilegien, welche die Gesellschaft den Verheirateten gewährt. Die gleichgeschlechtliche Ehe mit den selben Vorrechten auszustatten wie die gemischtgeschlechtliche, heißt, die Ungleichheit zwischen Unverheirateten und Verheirateten zu verstärken. Alleinstehende tragen oft die finanziellen Lasten, welche diese Privilegien verursachen. All diese Punkte stimmen. Als gewollt Kinderlose ärgere ich mich oft über die Ungerechtigkeiten, die ich erleben muß. Sicherlich ist die Annahme, daß Verheiratete mehr zur Gesellschaft beitragen als Alleinstehende mehr ein Glaubensartikel als eine bewiesene Tatsache. Doch ein Einwand gegen soziale Ungerechtigkeit ist kein Einwand gegen die Ehe. Verheirateten wird ein sozialer Status gewährt. Aber das ist nicht das Wesen der Ehe. Die Frage ist nicht, ob die Regierung gleichgeschlechtliche Ehen einführen sollte, sondern ob die Regierung anerkennt, daß wir diese schon haben. Die Frage kann nicht ausschließlich im Rahmen einer Mittäterschaft gestellt werden, als ob wir so lange außerhalb gesellschaftlicher Teilnahme ständen, bis wir endlich eine Eheerlaubnis beantragen.

Zusätzlich steht hinter der Gegnerschaft gegen Privilegien für Paarungen eine Auffassung, welche die Welt als eine von Individuen sieht, und die Selbstgenügsamkeit überbewertet. Kurz, es ist das Bild des individualistischen männlichen Subjekts, das am Besten für sich allein lebt, und alle Bindungen mit anderen als Beschränkungen seiner Freiheit ansieht. Solcherart Individualismus verträgt sich weder mit meinem bisexuellen Feminismus, noch mit meiner Auffassung des Menschen als eines Wesens, das insbesondere durch soziale Beziehungen (Sprachentwicklung) zum Subjekt wird. Aber Gefahr lauert auch in der Gegenrichtung: Während der Mensch ein soziales Wesen ist, glaube ich kaum, daß wir lediglich eine Hälfte einer größeren Einheit seien, die nur darauf wartet, vervollständigt zu werden. Eine solche Auffassung war lange die Wurzel heterosexistischer und antifeministischer Argumentation, besonders der des Vatikan. Ich bin keine Hälfte eines mann-weiblichen Wesens; ich bin ein reifes menschliches Wesen, das Beziehungen von Bedeutung sucht.

Einige Einwände gegen die Ehe richten sich in Wirklichkeit gegen besondere Formen derselben, zum Beispiel gegen die Vielweiberei.Ich kann die Abneigung dagegen verstehen, aber meine Vorliebe für die Entscheidungsfreiheit der Leute ist stärker als meine Mißfallen. Ich will ein Land, wo die Leute die Freiheit zu wirklich blöden Beziehungsentscheidungen haben. Einige FeministInnen betonen zu Recht, daß nicht alle Frauen in der Lage sind, vernünftige Entscheidungen zu treffen ... Trotzdem: wir müssen sie so behandeln, als ob sie es wären. Die Individuen müssen sich ihre Rechte nicht erst verdienen. Sie haben diese bereits, und das erkennt die Gesellschaft an. Wenn wir damit anfangen, Leute vor ihren eigenen Entscheidungen zu schützen, dann sind sie keine gleichen Staatsbürger mehr, sondern Mündel des Staates. FeministInnen, die solche Frauen als stark schutzbedürftig ansehen, sollten diese Mündel lieber im Stil Harriet Tubmans retten und in ein bewußtseinschaffendes Lager bringen. Jeder, der daran glaubt, daß die Regierung solch eine Gesetzgebung als gute Elternschaft gebraucht, kann sich darüber informieren, wie Kanada seine Einheimischen behandelt.

Die Ehe in meiner Definition ähnelt den Olympischen Spielen. Hier werden Errungenschaften im Bereich der Liebe erzielt. Manche Leute halten das für elitär, weil hier einige im Bereich der Liebe als besser bezeichnet werden als andere. Diese Auffassung ist nur teilweise falsch. Ja, ich habe eine elitäre Auffassung. Aber das beruht nicht auf Willkür. Diese Sicht erkennt an, daß manche sich die Erreichung bestimmter Ziele vornehmen, und andere nicht. Ich möchte drei Hauptzüge einer erfolgreichen Ehe im Allgemeinen herausarbeiten, und erklären, wie sich das zur Queer Community verhält, und zur Frage der gleichgeschlechtlichen Ehe.

1. Ehe macht Spaß und ist einfach
Das Klischee: "Ehe ist Arbeit" ist falsch. Erstens beruht es auf kapitalistischer Propaganda. Menschen behaupten, daß die Ehe Arbeit sei, um andere davon abzubringen, sie als eine Freude anzusehen, und sie als schlecht, unproduktiv und frivol anzusehen. Die Gleichsetzung von Ehe und Arbeit ist ein Ergebnis der protestantischen Arbeitsauffassung, die hier ins Sexuelle überschwappt. Die Ehe ist keine Babyfabrik. Die Ehe ist langandauernde Liebe, und Liebe ist keine Arbeit.

Die Gleichsetzung von Ehe und Arbeit hat eine Menge Schaden verursacht, weil die Leute das so interpretieren, daß sie an ihren schlechten Beziehungen festhalten and härter daran arbeiten, diese zu verbessern. Verlaßt Eure schlechten Beziehungen. Im Ernst. Hört nicht auf die Ermahnungen, daß jede Liebesbeziehung zu einer Ehe führen muß. Viele gute Fickbeziehungen sind durch die Ehe ruiniert worden. Kurzzeitbeziehungen sind keine Schande. Manche Persönlichkeitstypen vertragen sich nicht lange mit bestimmten anderen. Das bedeutet aber nicht, daß sich die Leute nicht ineinander verlieben können, tollen Sex haben oder Freunde werden können. Ehe aber ist ein langfristiges Engagement. In dieser Beziehung ist sie wie eine Tätowierung.

Nicht alle, denen die Ehe gefallen könnte, sind auch dazu bereit. Eine Ehe ist eine Beziehung zwischen Erwachsenen. Dies ist weniger eine Frage des Alters, sondern mehr eine der Reife. Idealerweise ist ein Ehepartner jemand, der auch alleine zurecht kommt. Ein bedürftiger Verletzlichkeitspartner bestärkt vielleicht einen Unsicheren, aber gegenseitige Abhängigkeit ist nicht Liebe. Mit einem reifen Partner zusammenzusein entspannt, weil man den/die andere(n) nicht beaufsichtigen muß, damit er/sie nichts Irres oder Dummes anstellt. Queers sind hier vielleicht einen Schritt weiter als ihre heterosexuellen Gegenstücke. Der Coming-Out-Prozeß ist oft der Katalysator persönlicher Reife und Entwicklung. Queers müssen sich mit sozialen Hinweisen, Geschlecht, Macht und Sexualität ganz anders als Heteros auseinandersetzen. Dies bedeutet nicht, daß alle Queers reife Menschen wären, sondern daß uns Möglichkeiten der persönlichen Entwicklung offenstehen, welche die meisten Heteros nicht haben.

Viele Beziehungen bleiben oberflächlich und schwierig, weil die TeilnehmerInnen füreinander eine Maske aufsetzen,und sich nicht wirklich als sie selbst aufeinander beziehen. Das wird schließlich ermüdend und ruft Ablehnung hervor. Zu lernen, Du selbst zu sein, und es auch zu tun, ist keine Arbeit. Um das zu lernen, mußt Du unterscheiden zwischen dem, der Du heute bist, dem, der Du in Zukunft sein willst, und dem, der Du laut Gesellschaft sein solltest. Auch hier haben Queers einen Vorsprung, weil sie sich von heterosexuellen Erwartungen absetzen mußten. Doch dann müssen wir uns mit den sozialen Erwartungen der Queer Community auseinandersetzen, und denen ist möglicherweise schwerer zu widerstehen.

Wenn Du einen reifen und passenden Partner gewählt hast, dann brauchst Du nicht Deine Persönlichkeit zu verändern, um Zeit mit ihm/ihr zu verbringen. Mit jemandem Zeit zu verbringen, der/die zu einem passt, hilft einem, sich wie sich selbst zu fühlen.Die religiöse Rechte möchte uns glauben machen, daß Männer und Frauen füreinander geschaffen sind. Das stimmt nur dann, wenn man Männer und Frauen dazu zwingt, sich gemäß einer vorher festgelegten Rollenverteilung von männlich und weiblich zu unterwerfen. Wenn die religiöse Rechte gleichgeschlechtliche Paare bewertet, sieht sie nur Gleiches und bezeichnet das als Narzismus. Jeder, der schon einmal eine gleichgeschlechtliche Beziehung hatte, weiß, daß es die unterschiedlichsten Leute gibt, und das diese Unterschiede nichts mit den Geschlechterrollen zu tun haben.

Beziehungen zwischen zueinander passenden Queers gibt es schon so lange, wie es Queers gibt. Diese Paare waren die Grundlage, auf der sich ganze Gemeinschaften und Bewegungen gebildet haben. Dieses ist so, weil Beziehungen lebendig und dynamisch sind. Das ist das Gegenteil des Bildes eines Aktivisten als großartigem Individuum, der unermüdlich ein einziges Ziel verfolgt. Aktivismus, der auf Beziehungen basiert, ist flexibel und kann sich wechselnden Bedingungen anpassen.

2. Ehe ist Arbeit
Kompatibilität ist wesentlich, reicht aber allein nicht aus. Eine erfolgreiche Ehe erfordert die verschiedensten Fähigkeiten. Einige Experten raten dazu, die Kommunikation unseres Partners geschlechtsspezifisch zu interpretieren (Männer sind vom Mars, Frauen von der Venus etc.) Ich halte das für Müll. Als Bisexuelle habe ich einen guten Überblick über geschlechtsspezifische Kommunikation. Ich habe erfahren, daß Männer keine Gedankenleser sind, und Frauen auch nicht. Mir ist es viel leichter gefallen, geschlechtsspezifische Formen der Kommunikation, wie Frauen sein sollen, zu verlernen und auf eine Art zu kommunizieren, die keiner Übersetzung bedarf. Ich nenne das: «seine Meinung sagen». Es ist eine neue Herangehensweise, aber ich habe gelernt, daß sie funktioniert.

Genauso, wie «man/frau selbst sein», kann «seine Meinung sagen» eine Herausforderung sein. Die meisten von uns sind mit der Idee großgeworden, daß wenn die Leute unser wirkliches Selbst kennenlernten, sie uns hassen würden. Meine persönliche Erfahrung ist die, daß das Geheimnis des Gemochtwerdens dafür, wer ich wirklich bin, darin besteht, mich dem Risiko auszusetzen, gehaßt zu werden für das, was ich wirklich bin. Auch hier war mein Coming Out als Bisexuelle ein gutes Training.

Obwohl die Ehe Spaß macht und leicht fällt, ist sie auch Arbeit. Doch ist dies eine Arbeit ähnlich der, ein Talent zu entwickeln. Diese Arbeit ist eine, die man gerne tut, und die gut zu verrichten eben Arbeit ist. Es macht Mühe, aber es verkleinert einen nicht. Es ist so eine Arbeit, wie toller Sex Arbeit ist. Es hat wenig bis nichts mit Lohnarbeit zu tun. Es ist ein bißchen wie Kunstproduktion, oder Sport treiben, oder ein Musikinstrument spielen. Wie jedes Talent muß auch dieses mit großer Aufmerksamkeit entwickelt werden. Das bedeutet, Zeit miteinander zu verbringen. Das heißt auch, daß einige Sachen, die man/frau persönlich sehr schätzt, in den Hintergrund treten müssen.

Ich glaube, daß die queere Gemeinschaft leidet, wenn wir vergessen, daß diese Bindungen unsere Gemeinschaft mitbegründet haben. Ja, Sex ist eine Bindungserfahrung und sollte eine Rolle in unserer Gemeinschaft spielen. Weil gleichgeschlechtliche Aktivitäten keine Kinder herstellen, sind wir in der einzigartigen Position, die Funktion rein sexueller Bindungen zu erforschen. Und wir können den Heten eine Menge über den Wert von Sex beibringen, unabhängig davon, wofür Sex in der Heterowelt herhalten muß. Doch als Antwort auf AIDS, und die antisexuelle christliche Rechte, haben wir Sex als einzigen Ausdruck unseres Andersseins bewertet. Klar: Ehen sind sexuell; und das sollten sie auch. Aber wenn wir vergessen, daß auch Liebesbeziehungen unsere queeren Viertel mitbegründet haben, dann haben wir bereits einen Teil unserer Queerness verloren.

3. Ehe ist nicht Alles
Wenn meine Beziehung ziemlich oben auf meiner Liste steht, heißt das keineswegs, daß mir nichts Anderes wichtig wäre. Mein Aktivismus, mein sozialer Kreis, meine Arbeit in der Schule und meine Arbeitsstelle sind mir wichtig. Alle, die nur ihre Ehe für wichtig halten, machen ihre Beziehung kaputt. Interessen, wie Arbeit, Schule, Kunst, Aktivismus, und Freundschaften helfen uns, uns als Menschen zu entwickeln. Jede/r, die all das aufgeben, verpflichten sich zum Stillstand. Nach meiner Erfahrung belebt Erfolg in einem Bereich die anderen Bereiche mit. Die Stärke meiner Beziehung ist ein Ansporn für meine politische Praxis (Aktivismus). Meine Arbeit, meine Kunst und meine politische Praxis verbessern meine Liebesfähigkeit. Der Liebe eine wichtige Rolle einzuräumen, heißt eben nicht, all meine anderen Interessen über Bord zu werfen.

Einer der Einwände gegen gleichgeschlechtliche Ehen scheint herzurühren von der Furcht, daß sich alle Queers verpaaren und Eigenheime in den Vorstädten kaufen - daß die Ehe also den Verlust unserer Gemeinschaft bedeutet. Leute, die so denken, verwechseln Ehe mit Assimilation. Ehe ist die langfristige Aufrechterhaltung und Entwicklung einer Liebesbeziehung. Auf welche Weise jemand das zum Ausdruck bringen möchte, ist eine ganz andere Frage. Als eine Selbstverpflichtung zu einer Liebe, und zur Entwicklung von Talent und Fähigkeiten, diese weiterzuentwickeln, ist die Ehe etwas, was zwischen mehreren Partnern vorkommen kann, und welches in nicht-romantische Bereiche hineinreicht, wie Kindererziehung, Haustierhaltung, Fürsorge für die Eltern, Aufbau queerer Gemeinschaften, oder die Zerstörung der kapitalistischen Maschinerie, wenn man/frau das für richtig hält.

(Übersetzung: Michael Hellmann)

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