Martin Dannecker im Interview
Perspektiven in der HIV-Präventionspolitik

von Bodo Niendel und Brenda von Strick am Barren


Am Rande des Symposiums «HIV im Dialog», das am 20. August 2005 in Berlin stattfand, führten etuxx-Redakteurin Brenda von Strick am Barren und Bodo Niendel ein Interview mit Martin Dannecker. Darin geht es unter anderem um veränderte Perspektiven der Präventionspolitik und um den Niedergang der Schwulenbewegung.

Martin Dannecker
Prof. Dr. Martin Dannecker ist stellvertretender Direktor am Institut für Sexualwissenschaft der Universität Frankfurt.



Publikationen (Auswahl):

Sexualität und Gesellschaft
Frankfurt am Main 2000

Vorwiegend homosexuell
Hamburg 1997

Das Drama der Sexualität
Hamburg 1992

Der homosexuelle Mann
im Zeichen von AIDS
Hamburg 1991

Homosexuelle Männer
und AIDS
Stuttgart 1990

Der Körper und
seine Sprachen
Frankfurt am Main 1989

Das Drama der Sexualität
Frankfurt am Main 1987

Der Homosexuelle und
die Homosexualität
Frankfurt am Main 1986

Schwule Regungen -
schwule Bewegungen
Berlin 1985

Der Körper und seine Sprachen
Frankfurt am Main 1985












































«Alle Homosexuellen sind tendenziell treu und tendenziell promisk.»















































«Es gibt auf jeden Fall keine Schwulenbewegung mehr, die radikale Forderungen stellt und die gesellschaftlichen Normen systematisch hinterfragt.»


























«Die HIV-Prävention befindet sich in der Krise aus Gründen der strukturellen Verhaltensänderungen, aber auch weil sie zu lange an der alten Vorstellung von AIDS hängen geblieben ist. Der Präventionsgedanke wurde damals von Ängsten unterfüttert und motiviert. Aus diesem Grunde ist es eine doppelte Krise.»


































Verwandte Artikel:
link-iconGeheimsache SÜK
link-iconDie hedonistische Kultur und das Virus
link-iconCatch a Virus...
link-iconUrsprünge des Berliner Alternativ-CSD
link-iconGay Lifestyle und Neoliberalismus

Brenda von Strick am Barren und Bodo Niendel bei HIV im Dialog
Brenda von Strick am Barren &
Bodo Niendel bei HIV im Dialog

Befindet sich die HIV-Prävention in einer Krise?
Fraglos. Die HIV-Prävention befindet sich in der Krise aus Gründen der strukturellen Verhaltensänderungen, aber auch weil sie zu lange an der alten Vorstellung von AIDS hängen geblieben ist. Der Präventionsgedanke wurde damals von Ängsten unterfüttert und motiviert. Aus diesem Grunde ist es eine doppelte Krise.


Ist die in Deutschland zentrale Präventionsbotschaft «Ficken nur mit Gummi, beim Blasen raus bevor es kommt» noch zeitgemäß?
Man muss die Präventionsbotschaft ausdifferenzieren. Man muss bei den zentralen Botschaften zum einen abstrakte Einstiegsbotschaften haben, aber dann weiter ausdifferenzieren. Und zwar indem die Situationen thematisiert werden, in denen unsafer Sex vorkommt. Denn wir haben eine relativ große Anzahl von Männern, die relativ verlässlich und in vielen Situationen Präventionsüberlegungen einhalten - sei es aus strukturellen Gründen, weil sie eine übermäßige Angst vor Erkrankungen haben, vielleicht weil sie zwanghaft sind, sei es weil sie übermäßig vernünftig sind oder weil sie angemessen vernünftig sind - wie auch immer. Aber wir haben eine nicht kleine Gruppe, die dazwischen lebt. Und für diese Gruppe brauchen wir ausdifferenzierte Botschaften. Denn sonst bleiben sie außerhalb des Erreichbaren bei der AIDS-Prävention, weil sie sich nur eingestehen können: «Ich habe es mal wieder nicht geschafft, mich an diese Botschaften zu halten» - das ist nicht sehr motivierend, etwas zu verändern.


Wie können wir die Menschen erreichen, die sich in ihrem Sexualverhalten hohen Risiken aussetzen?
Indem man die häufigsten Risikosituationen thematisiert. Das sind zum einen Beziehungen oder Verliebtheiten. Beziehungen ist ein zu großes Wort dafür, weil wir da immer an längere Zeiten denken. Aber es gibt nicht wenige Homosexuelle, die vier, sechs, acht oder zehn Wochen lange Beziehungen haben. Hier taucht relativ schnell die Illusion auf, dass man sicher wäre. Das ist eine der Situationen, in denen man sagen müsste: «Überlegt euch, wie ihr mit den Risiken, die es in einer solchen Beziehung gibt, umgehen wollt.»
Und zum anderen sind das alle Orte und Situationen innerhalb der homosexuellen Subkultur, wo Sexualität häufig in Gruppen stattfindet. Denn Leute, die sich eigentlich präventiv verhalten, lassen sich durch die sexuell aufgeladene Situation und über die Teilidentifikation mit anderen, die scheinbar ohne Probleme unsafen Sex machen, verführen. Das ist mittlerweile eine quantitativ ganz beträchtliche Gruppe. Es ist schließlich nicht so, dass wir auf der einen Seite die nur Promisken und auf der anderen Seite die nur Treuen haben. Die gibt es nicht. Ich habe schon sehr früh gesagt, alle Homosexuellen sind tendenziell treu und tendenziell promisk. Und damit hat auch die Prävention zu rechnen.


Hat sich an den entsprechenden Orten wie Darkrooms, Pornokinos, Parks und Klappen ein risikofreudigeres Verhalten entwickelt?
Ich glaube, dass die Orte, an denen es schon immer unsafen sex gegeben hat, quantitativ zugenommen haben. Diese Orte haben etwas Sexualisierendes, etwas nachvollziehbar Verführendes. Eine ganz besondere Schwierigkeit ist die Zunahme von Sex-Partys. So etwas gab es früher in dieser Form nicht, und das Internet ist heute der Kommunikationsort, wo so etwas organisiert wird. Alleine schon dieses Wort «Sex-Party» macht es ungeheuer aufgeladen.

Prävention müsste genau in der persönlichen Kommunikation im Internet ansetzen, in der jemand seine sexuellen Vorlieben schildert: was er alles macht und was er alles nicht macht. Hier müssen wir über die unterschiedlichen Situationen und die unterschiedlichen Probleme ins Gespräch kommen. Ich spreche in diesem Zusammenhang auch nicht von Präventionsmüdigkeit, wie es im Moment so oft getan wird. Diese Beschreibung ist mir zu rosig. Es gibt auch Präventionswiderstand.

Um es plastischer zu machen: Ich habe einmal einen jungen Mann beraten, der Sex-Partys frequentiert und positiv ist und der eigentlich die Intention hatte, auf diesen Sex-Partys ein Kondom zu benutzen. Dieser Mann hat mehrfach Situationen erlebt, in denen er das Kondom einsetzte, aber es ist ihm mit einer ungeheuren Nonchalance vom Schwanz gezogen worden, und dagegen konnte er sich nicht durchsetzen. Und er fragte mich: «Was mache ich jetzt?»
Meine Antwort war: «Ich fürchte, entweder Sie gehen da nicht mehr hin. Oder aber Sie müssen versuchen, das Ficken mit Kondom mit einer aggressiven Phantasie durchzusetzen. Die innere Phantasie wäre: 'Ich fick dich jetzt mit Kondom, du Sau!'
So muss man auch über Sexualität sprechen! Wenn in der Prävention über Sexualität gesprochen wird, entsteht manchmal der Eindruck, das sei etwas Christliches. Was Sexualiltät ist, wird gar nicht so richtig entfaltet, sondern bleibt ein Abstraktum. Aber es geht da in Wirklichkeit sehr handfest zu, mit handfesten Phantasien dahinter.


Einerseits wissen alle, dass bei Viruslasten unter der Nachweisgrenze HIV praktisch nicht übertragen wird, andererseits wird das Gummi als die einzig sichere Schutzmöglichkeit dargestellt. Benötigen wir in Anbetracht dieses Widerspruchs präzisere und auch ehrlichere Päventionsbotschaften?
So sehe ich das auch. Einerseits brauchen wir weiterhin die rigiden zentralen Botschaften, aber andererseits müssen wir sicherlich auch kommunizieren, wo es eher unwahrscheinlich ist, dass man sich infiziert. Das heißt: «Wenn du dich an das und das nicht halten kannst, dann versuch doch aus den verschiedenen Möglichkeiten die für dich in deinem individuellen Lebenslauf am wenigsten riskante herauszusuchen.»
Das bedeutet, jemanden der früher hohe Risiken eingegangen ist, zurückzubringen auf weniger riskante Sachen. Wir müssen uns der Illusion zu entziehen, man bringe einen Menschen quasi mit einem Schlag, ob personalkommunikativ oder mit irgendwelchen Messages, dazu, sich immer und ausschließlich safe zu verhalten. Und das wird ganz gut ausgedrückt mit: risk reduction im risk taking. Wenn wir jemanden, der relativ häufig Risiken eingeht, dazu zu bringen, dass er es seltener macht, dann ist das ist ein präventiver Erfolg.


Wir haben bei unseren Sexualkontakten immer häufiger den Eindruck, unseren inneren Dialog über safer Sex sozusagen doppelt führen zu müssen, weil der Wille zum Safer Sex beim anderen nicht vorhanden ist.
Jede Sexualität - ob safe oder unsafe - ist das Resultat einer Interaktion. Das machen zwei miteinander. Und das Unbewusste spürt Widerstände, die beim Gegenüber gar nicht verbalisiert werden müssen: Widerstände gegen das Kondom. Widerstände gegen Vorsicht. Dagegen vorzugehen ist eine große psychische Anstrengung. Ich denke, hier hat sich das gesamte Klima verändert. Sex-Partys sind ein drastisches Beispiel dafür, dass es nicht mehr so leicht ist, safer sex durchzusetzen.


Hat das etwas mit einer neuen Männlichkeit zu tun?

Nein. Es gibt keine neue Männlichkeit, sondern ein Bedürfnis nach Sex ohne Kondom. Bislang lautet die Frage meistens: warum macht jemand Sex ohne Kondom?
Wir müssen aber umgekehrt fragen: warum macht jemand unter den gegenwärtigen Bedingungen eigentlich noch durchgängig Sex mit Kondom. Das ist doch die interessante Frage. Das Risiko ist nicht mehr das gleiche wie vor zehn Jahren, und das macht innerlich auch etwas aus. Die Frage lautet heute: Wie kriege ich es hin, trotz Widerstand, meinen Wunsch, mich safe zu verhalten, durchzusetzen?

Ist mit der Emanzipation der Homosexuellen nicht zugleich eine neue «Homo-Norm» entstanden? Eine Norm, die charakterisiert ist durch einen aufstrebsamen und leistungsbereiten Homosexuellen mit maßvollen Sexualkontakten, der bestenfalls in einer sogenannten Homo-Ehe verbandelt ist?
Das ist überhaupt nicht neu. Reimut Reiche und ich haben bereits 1974 in «Der gewöhnliche Homosexuelle» ein zentrales Kapitel über den Aufstiegswillen der Schwulen verfasst. Das hat wahrscheinlich immer noch etwas damit zu tun, dass es, wenn ich einer Minderheit angehöre, die - wenn auch sehr viel eingeschränkter, wie es jetzt der Fall ist - gesellschaftlich problematisiert oder auch verfolgt wird, eine Tendenz zur Identifikation mit dieser Gesellschaft gibt, eine Tendenz zur Identifikation mit dem Aggressor.
Wie in allen kapitalistischen Ländern gewinnt man Freiheitsspielräume über das schlichte und einfache Kapital. Ich glaube nicht, dass es eine neue Norm ist, sondern dass Gruppen, die man vorher zur Schwulenbewegung gerechnet hat und die dies kritisiert haben, heute eine immer geringere Rolle spielen. Wenn ich mir heute die Diskussionen auf der großen schwulenpolitischen Bühne ansehe, geht es da nur noch um Verbürgerlichung - unter dem Stichwort «Homopartnerschaft».
Wofür man zu Anfang der Schwulenbewegung bewusst gekämpft hat - einen anderen Lebensstil durchzusetzen, mit einem solchen anerkannt zu werden und nicht den angepassten Schwulen zu mimen - das wird heute überhaupt nicht mehr diskutiert. Und das ist ein ganz großes Problem.


Reproduziert die Präventionsarbeit eventuell die Norm des verbürgerlichten, angepassten Homosexuellen? Und reproduziert sie auch eine sexuelle Norm?
Es hat eine Zeit in der Deutschen AIDS-Hilfe gegeben, die vor allem von Hans-Peter Hausschild repräsentiert wird, in der gesagt wurde: Präventionspolitik muss vor allem gemacht werden für die Unangepassten, für die Drogensüchtigen, für die Rumvögelnden usw. Doch manchmal hat man heute wirklich den Eindruck, dass es so einen Unterton gibt, als ob das etwas Ungutes wäre. Dann wird Prävention schwierig, wenn sie mit einem Unterton arbeitet, wenn ein Vorwurf normativ wird. Die Leute, die dieser Norm nicht entsprechen, bleiben dann außen vor.


Hat Präventionsarbeit nicht große Probleme, durch den Wegfall der Schwulenbewegung Schwule als Schwule zu erreichen?
Da ist etwas dran, aber wir müssen noch ein Stück weiter zurück gehen: Die Leute, die am Anfang in den AIDS-Hilfen waren, haben immer auch Abwehrkämpfe gegen eine repressive Politik geführt. AIDS-Hilfe-Arbeit war zuerst ein Projekt der Solidarität, bis in kleinste Bereiche hinein. In der Schweiz wurde damals ein Hospiz gegründet. Es waren Projekte von Freunden für Freunde, denen es schlechter geht. Das hat sich verschoben, wie es immer wieder geschieht, wenn solche Gebilde, Institutionen oder Strukturen relativ lang in der Welt sind: Sie bekommen dann so eine Eigendynamik, und so haben sich auch die AIDS-Hilfen professionalisiert, was ich auch gut finde.
Aber diese Anknüpfung - «Ich bin ein Teil von dir und mache jetzt gerade zufällig eine Arbeit, die du nicht machst» - hat sich aufgelöst, aber die kann auch nicht wieder eingeholt werden. Die Ehrenamtlichen haben heute auch keine richtige Power mehr. Sie sind zwar noch da, aber manchmal habe ich das Gefühl, sie sind das schmückende Beiwerk. Es sind auch nicht mehr so viele. Und das Bild der Ehrenamtlichen hat sich auch gewandelt. „Hausfrauisierung“ muss man manchmal sogar sagen.


In den Schwulen-Magazinen taucht auch AIDS nicht mehr auf. Und damit ist es aus dem schwulen Sozialisationskontext auch verschwunden. Was bedeutet das für die Präventionsarbeit?
Ja, AIDS taucht überhaupt nicht mehr in den schwulen Medien auf. Und es hat keine Bedeutung mehr darin. Und die AIDS-Hilfen selber sind relativ autonom geworden und auch kein Teil der Bewegung mehr, sondern Teil einer sozialen Institution, die man braucht und die notwendig ist. Man müsste sich allerdings auch fragen, mit welcher Art von Schwulenbewegung sie sich denn zusammentun sollen. Es gibt keine Schwulenbewegung mehr, die radikale Forderungen stellt und gesellschaftliche Normen systematisch hinterfragt. Sondern es gibt eine Schwulenbewegung, die eine immanente Erweiterung von Freiheitsspielräumen ist. Das ist nicht wenig, aber steht in wesentlicher Differenz zur Schwulenbewegung der 70er Jahre.


In Zeiten einer neoliberalen Vergesellschaftung hat doch die Präventionsarbeit das Problem, dass sie auf zunehmend individuelle und auch egozentrische Subjekte in ihrer Arbeit trifft! Präventionsarbeit hat früher auch den anderen thematisiert, und nicht nur das individuelle Subjekt.
Ich habe schon zu Beginn der 90er Jahre gesagt: «Seid vorsichtig mit diesem Gemeinsamen!» Denn der Egoismus ist ein ganz entscheidender Bündnispartner. Dabei gibt es eine wichtige Differenzierung in der Prävention, je nachdem, ob sie sich an vermeintlich oder real Nicht-Infizierte richtet oder eben an Infizierte. Das ist ein riesiger Unterschied. Bis heute stehen die Infizierten am Rande der Prävention, sie haben ein spezielles, weil zusätzliches Problem: Denn die Wahrscheinlichkeit, dass sie beim unsafen sex jemanden infizieren, müssen sie immer mitdenken. Hingegen kann jemand, der sich für nicht infiziert hält, den Konflikt runterkochen. Und das ist der Unterschied: Hier das egoistische, das selbstsorgende «Ich will nicht, dass ich mich infiziere», und auf der anderen Seite: «Ich will nicht, dass ich andere infiziere». Beides zusammenzuführen ist wahnsinnig schwierig. Vielleicht kriegen das einige Leute hin, aber ich denke, zunächst einmal muss man sagen: Gut, die Welt ist egoistisch, daher setzen wir jetzt zynisch auf diesen Egoismus. Und danach erst gucken wir, wie man solidarisches Handeln, die Sorge für andere, möglicherweise stärken kann. Das ist nicht einfach und das spiegelt sich auch in den Zahlen wieder: Die HIV-Infizierten sind genauso safe wie die angeblich nicht mit HIV Infizierten, wenn nicht gar unsafer.
Ich finde aber auch, die Infizierten bleiben ein bisschen im Regen stehen, denn «Gib AIDS keine Chance» ist aus ihrer Sicht keine primärpräventive, sondern eine sekundärpräventive Botschaft.


Wie könnten die HIV-Positiven stärker in die Prävention einbezogen werden?
Ich kann die Frage nicht wirklich beantworten. Ich denke nur, es ist notwendig, dass man sie mehr in die Prävention mit einbezieht. Sie haben spezifische Probleme, die sich im Rahmen der Sexualität stellen, nämlich wenn sie vor der Frage stehen: «Soll ich es kommunizieren, soll ich es nicht kommunizieren? Ich will es in meiner Phantasie ungeschehen machen und nicht immer so tun, als ob ich so gefährlich sei...»
Wie stärkt man Sorge für andere? Das ist nicht nur ein individual-psychologisches Problem, sondern da hat die alte AIDS-Hilfen-Politik mit der strukturellen Prävention sicherlich recht: das ist eine Frage struktureller, politischer, solidarischer Verhältnisse. Denn das kann ich nur von jemandem erwarten, der auch mit Solidarität rechnen kann.

Aber ich denke, das ist das nächste große Thema, das auf den Tisch kommt und kommen muss. Man hat es zunächst aus guten politischen Gründen nicht so erörtert. Es gab eine Zeit lang mit Recht die Befürchtung, dass, wenn dies in den Mittelpunkt der gesellschaftlichen Diskussion käme, es zu Diskriminierungen und Diffamierungen von HIV-Infizierten kommen könnte. Die Angst habe ich gegenwärtig nicht mehr. Denn die Studien mit ihren Resultaten sind bekannt, auch bei den Politikern und Geldgebern. Und auch dort gibt es das Interesse, sich mit der Prävention bei HIV-Infizierten auseinanderzusetzen, und ich habe bei den Diskussionen darüber das Klima nicht als sehr repressiv empfunden. Dazu gehört es auch, eine Debatte zu führen über Verantwortung. Diese Debatte sollte wirklich begonnen werden.

Martin Dannecker, wir bedanken uns herzlich für dieses Gespräch.


mc: Toller Artikel. Abgesehen von der öden Klage über die "Verbürgerlichung der Schwulenbewegung". Schwulsein ist kein Systemwiderspruch. Können wir das mal klar haben, bitte? So als Lernerfolg aus den letzten 20 Jahren? Wenn der eine Schwule "hausfrauisiert", dann hindert das den nächsten Schwulen doch an garnichts.  
mc: Die Schwulenbewegung hat immer behauptet: "Uns gibt es überall" und deshalb ist Schwulsein durchaus "normal". Und sie hatte recht: schwule gibt es in allen Gruppen, Parteien und Millieus und sie reproduzieren dort die jeweils angesagten Gedankengebäude. Warum sollten sie nicht.  
mc: Ich kenne Schwule mit vorbildlich bürgerlichen Wohnzimmern und Festanstellungen, die auf etuxx grossartige analytische Artikel verfassen. Und revolutionäre Mitbewohner im Ex-besetzten Haus, die sich höchstens für den billigen Ausschank von tschechischem Bier engagieren. Die Mär von der gemeinsamen politischen Interessenlage aller Schwuler kann endlich mal in die Tonne.  
Rolf de Witt: Ich bin mir nicht sicher, ob Herr Dannecker die Arbeit der Präventionsprojekte überhaupt kennt. Die von manCheck offensichtlich nicht. Und dass er sagt, AIDS komme in den schwulen Medien nicht vor, erweckt bei mir den Eindruck, dass er die ebenfalls nicht liest... Wir werden ihn ermutigen, diese Defizite zu beseitigen.  manCheck
Brenda: @MC: Ich muss Martin Dannecker an einer Stelle in Schutz nehmen. Sein Begriff "Hausfrauisierung" folgte einer Zwischenbemerkung von mir, die sich auf die Beobachtung bezog, dass vor 10 Jahren vor allem schwule Männer in den AIDS-Hilfen gearbeitet haben, mittlerweile aber zum großen Teil - vor allem in den neuen Bundesländern - heterosexuelle Frauen. Insofern: "Hausfrauisierung" der AIDS-Hilfen. - @Rolf: Bei allem Respekt: aber was sind schon die ManCheck-HP oder etuxx (in ihrer medialen Außenwirksamkeit) gegen Sergej, Siegessäule, Gayromeo etc....?  
Anand X.: Dass "schwul" inzwischen ein akzeptierter (und nicht mehr nur pejorativer) Begriff für jeden homosexuellen Mann geworden ist, ist ein Erfolg einer Schwulenbewegung, die sich nützlich und damit überflüssig gemacht hat, weil sie als Agentin der Modernisierung der kapitalistischen Gesellschaft wirkte. Das Jammern über die (äusserliche oder innere) Verbürgerlichung ist in der Tat zweifelhaft und für mich ein Ausdruck linken Selbsthasses. Die einzige antibürgerliche Strömung von Relevanz sind im Moment die Neonazis.  
Hugo: @mancheck: AIDS kommt in den schwulen Medien nicht mehr vor. Es werden nur noch Botschaften darüber verbreitet, welche neuen Medikamente es gibt und daß diese nebenwirkungsärmer seien. In einigen Medien erscheint diese Meldung dann noch ünter der Rubrik "Wellness". Wenn es nicht so traurig wär, dann wäre es schon fast komisch. AIDS bzw. HIV wird in den schwulen Medien immer mehr als Krankheit wie Diabetes dargestellt...  
michael hellmann: @AnandX und mc: bürgerliche Wohnzimmer - antibürgerliche Nazis (was an denen Neo sein soll, ist mir neo) - bürgerlich hat einen Klasseninhalt, ihr benutzt den Begriff rein geschmäcklerisch. Und was die wundervolle Akzeptanz von Schwulen anbelangt, so spricht alleine die 4 mal so hohe Suizidrate unter schwulen Jugendlichen gegen dieses oberflächliche Geplauder.  
Neukölln@Anand X: "schwul" ist ein "inzwischen akzeptierter (und nicht mehr nur pejorativer) Begriff für jeden homosexuellen Mann"? Wo leben Sie eigentlich? Wenn man so die Berliner Motz-Straße hoch und runtergeht, mag das ja noch zutreffen.  
Anand X.: Michael, ich habe den Begriff "bürgerlich" nicht "geschmäcklerisch" benutzt, sondern mental, da ich den Klassenbegriff für teilweise überholt halte. Der Rede vom "akademischen Proletariat" beispielsweise legt lediglich dessen geringes Einkommen zugrunde, nicht aber deren Mentalität. Und was dem Kapitalismus absolut gelungen ist, ist die Abschaffung des revolutionären Subjekts, die Ver(klein)bürgerlichung der Arbeiterklasse.  
Anand X.: Ich habe auch nicht von der vollständigen Akzeptanz der Schwulen geschrieben, sondern von der vorherrschenden eines Begriffs. Eben das zeigt doch den "bürgerlichen Erfolg" der Schwulenbewegung: dass sie sich heute auf eine Lobbypolitik beschränken kann wie die Krötenschützer und in relevanten Gremien vertreten ist bzw. dort Gehör findet. - Im übrigen wäre es dem Diskussionsklima dienlich, wenn Du Dich einer gewissen oberlehrerhaften Attitüde (also der unqualifizierten Abqualifizierung Deiner Diskursgegner) in Zukunft enthieltest, ähem. :-)  
Robert M.@ Anand X.: Auch wenn ich zur Diskussion nichts beizutragen habe, lese ich Deine Kommentare - insbesondere hier - mit LUST, Danke.  
mh: @Anand X: der Kapitalism,us kann den Widerspruch zwischen gesellschaftlicher Produktion und privater (kapitalistischer) Aneignung nicht aufheben. Dieser antagonistische Widerspruch zeigt sich als Widerspruch zwischen Lohnarbeit und Kapital, bzw. zwischen Bougeoisie und Proletariat. Das isr die reale Grundlage des Begriffes bürgerlich. Weil dieser Widerspruch in der Produktion und Reproduktion ein tatsächlicher ist, kann er nicht durch Ver(klein)bürgerlichung aufgehoben werden, sondern nur durch die Umwälzung der Eigentumsverhältnisse.  
mh: @AnandX: Auch kann die Unterdrückung der Frauen auf kapitalistischer Grunslage nicht aufgehoben werden, wie ein Blick auf die weltweite Realität zeigt. Und da zur Feineinstellung der Frauenunterdrückung und des Heteronormdiktats die Unterdrückung gleichgeschlechtlichen Begehrens und Handelns gehört, hören auch Schwulen- und Lesbenunterdrückung nicht auf, auch wenn die politische Verfassung der hiesigen Schwulen- bzw. Lesbenbewegung, wenn davon überhaupt nocht gesprochen werden kann, desolat ist.  
mh: mh@AnandX: Was den Begriff schwul anbelangt, so ist er unter Jugendlichen mittlerweile zum Top-Schimpfwort avanciert für alles, was so Scheisse gefunden wird. Sowiel zum Thema Akzeptanz. Und die Nazis, eine ausgesprochene Schock-und Mördertruppe des Kapitals, als (einzig) antibürgerliche Strömung von Relevanz zu bezeichnen, wird diese freuen und AntifaschistInnen betrüben.  
Brenda: ist das jetzt Teil des von Dannecker angeführten Präventionswiderstands, dass AIDS jetzt auch aus dieser Diskussion verschwindet und statt dessen über Nazis und hundert Jahre alte Kapitalismustheorien diskutiert wird?  
Andreas: Was den "Präventionswiderstand" angeht - diese Aussage ist sehr treffend, aber nich weil wir von Sexualität als etwas christliches sprechen (ich habe so etwas in der Szene nicht erlebt) sondern deshalb, weil wir allzuhäufig mit religiösem Eifer missionieren und den verklärten Blick kriegen, wenn wir von Safer Sex sprechen("alles ist sooooooo toll mit Gummi") oder wir auch Leute moralisch mit der Stirn niederrunzeln, anstatt manchmal einfach etwas so stehen zu lassen oder zu sagen - "Irgendwie hast du ja auch Recht....."  
Andreas: Im übrigen sehe ich die "Hausfrauisierung" von AIDS-Hilfen nicht so negativ. Es ist an uns (wenn wir Ehrenamtliche ausbilden), ob wir "Hausfrauen" im Ausbildungsprozess emazipatorisch und kritisch begleiten oder ob wir einfach "nur froh sind", das sie da sind und sie dann einfach alles machen lassen - ohne kritische Reflexion ihres Handelns.  
mc: Die angebliche "Verbürgerlichung der Schwulenbewegung" hat tatsächlich nix mit dem Thema AIDS zu tun. Geb ich zu. Deshalb regt mich der dumme Spruch um so mehr auf.  
mc: Denn es lässt sich ebenso gut behaupten, die Schwulenbewegung habe sich seit 1980: proletarisiert (Königs Werkbank bis tätowierte Bauarbeiter aufm CSD), verpunkt (schwule besetzen Häuser bis Rattenbar) oder nazifiziert (Kühnenpapiere bis J. Fischer). Sie hat sich diversifiziert. Ganz wie vorausgesagt.  
mc: Und nun zurück zum Thema  
Anand X.: Also, MC, wenn Du noch mal (vom Hauptthema abweichen) darfst, darf ich auch noch mal, ja?! Offenbar gibt es hier erheblich voneinander abweichende Begriffsbestimmungen. Ich weiss nicht, was gegen so grundsätzliche Feststellungen einzuwenden ist, dass der schwule Mainstream seinen Frieden mit der Gesellschaft gemacht hat (so wie etwa die Grünen den ihren mit dem Krieg) oder dass es dem Kapital seit der Bismarckschen Sozialgesetzgebung gelungen ist, das Proletariat so zu korrumpieren, dass es als revolutionäres Subjekt schlichtweg verschwunden ist. Natürlich bedeutet das nicht, dass die immanenten Widersprüche nicht mehr existierten.  
Anand X.: Was hilft es aber, immer wieder zu beschwören, dass so viele Menschen gegen ihre eigenen Interessen votieren? Sie tun es eben. Und ein Indiz für die Ver(klein)bürgerlichung ist, dass noch die präkär Beschäftigten sich ängstlich von "denen weiter unten", von den Arbeitslosen abgrenzen. Der Raubtiergesellschaft ist mit grossen theoretischen Gegenentwürfen nicht beizukommen (es hat ja nicht einmal geklappt, angesichts der militanten Nazis einen antifaschistischen Grundkonsens durchzusetzen). Die einzige Hoffnung sehe ich in einer "roots"-Politik, darin, ganz von unten (und vielleicht sogar in gewisser Weise von vorn) anzufangen. Amen.  
Anand X.: Und nun zurück zum Thema (aber ohne mich). Hast ja recht, Brenda... ;-)  
Bodo: Für mich ist zentrales Moment des Interviews das Aufzeigen von Möglichkeiten, aus der neuen AIDS-Krise herauszukommen. Dabei finde ich folgendes sehr zentral: "Oder aber Sie müssen versuchen, das Ficken mit Kondom mit einer aggressiven Phantasie durchzusetzen. Die innere Phantasie wäre: 'Ich fick dich jetzt mit Kondom, du Sau!" Welche Möglichkeiten bestehen, die Hürde, den Widerstand beim Anderen zu überwinden? Dannecker schlägt eine positiv umgewandte Phantasie vor.  
Bodo: Zudem schlägt Dannecker vor, angesichts des Scheiterns der Prävention die Fragestellung umzukehren. Statt des vorwurfsvollen: "Warum fickst du ohne Gummi?" eher die investigative Frage zu stellen: "Warum fickst du mit Gummi?". Und dann zu überlegen wie man die Bejahung des Gummis in einen allgemeinen Präventionsansatz aufnehmen kann.  
mc: Dass der schwule Mainstream seinen Frieden mit der Gesellschaft gemacht habe, halte ich für eine Unsinnsbehauptung. Weil der schwule Mainstream nie im Krieg mit Gesellschaft war. Die Mainstreamgesellschaft hat ihren Krieg gegen die Schwulen eingestellt. Das ja. Und nun tauchen auch Fraktionen auf, die vorher unsichtbar waren: schwule Proletarier, Faschisten, Priester...  
mc: Natürlich tauchen auch haufenweise bürgerliche Schwule auf. Die grösste Gruppe bestimmt das Bild. So entsteht vielleicht der Eindruck von der Verbürgerlichung.  
Bodo: Wir müssen wegkommen von Verurteilungen und Vorwürfen im Angesicht der Realität. Der barebacker ist ja nur ein Ausdruck von dem, was in den meisten Betten bei einer flüchtigen Bekanntschaft abgeht. - Und wir müssen schauen, dass wir die HIV-Positiven mit in eine Prävention einbeziehen. Warum stehen immer weniger Positive zu ihrer Infektion bzw. dem Ausbruch der Erkrankung - vielleicht weil man die Krankheit nicht mehr so erkennt, (körperliche Einschränkungen, Karposi etc.)? Es fehlt auch an HIV-Positiven, die offen innerhalb ihres Bekanntenkreises mit der Erkrankung umgehen und dort über Prävention zwischen Negativen (bzw. unbekannten HIV-Status) und Positiven reden.  
mc: Agressive Mit-Kondom-Ficker wären mal eine Bereicherung. Ungefähr so: Ich will noch tausende ficken, du Arschloch, also zieh mir das Gummi über, wenn dir der heutige Abend lieb ist! Latex luthor, aggro anal ¦-D  
Bodo: Eben, wie ist trotzdem lustvoller Sex möglich? (Das ist jetzt kein Vorwurf an Positive! Sondern eine Feststellung, dass immer weniger Positive offen mit der Erkrankung umgehen. Die Sichtbarkeit nimmt ab und es bleibt zumindest in weiten Teilen meines Bekanntenkreises dethematisiert und das ist schade. Die Zeiten der Baldigas, Seyfarths, Hausschilds etc. sind vorüber. In einen offenen Diskurs einzutreten wäre der erste Schritt.  
Onair 1: Eine gesellschaftspolitische Diskussion zum Thema AIDS kann an der Institution "AIDS-Hilfe" nicht vorbeigehen. Mich wundert doch sehr, wie wenig diese Institution in die Pflicht genommen wird. Die gute alte AIDS-Hilfe ist alt geworden, und ich glaube auch verbraucht. Denn Alter könnte ja auch Erfahrung bedeuten. Davon aber ist nichts zu spüren. Institutionalisierung und Bürokratisierung auf der einen Seite und der "Fortschritt" bei den Medikamenten auf der anderen Seite haben sie zu einer anachronistischen Einrichtung mutieren lassen.  
Onair 2: Also: Wieso versuchen wir hier eine Diskussion zu führen, die wir eigentlich gar nicht leisten können, weil wir bestenfalls aus dem Nähkästchen plaudern? Wieso versuchen wir nicht stattdessen diese Institution in ihre verdammte Pflicht zu nehmen? Nämlich gezielt und differenziert Ansprüche an diejenigen zu formulieren, die sich tagtäglich damit befassen (können)? Wenn ich mir so anschaue, wie die AIDS-Hilfe überhaupt noch in der Öffentlichkeit auftritt: fantasielos starren die Gummis seit Jahren von den Plakaten. , immer die gleichen Broschüren, die keiner mehr liest. Was machen die eigentlich außer Kaffee kochen und Büroschlachten führen?  
Onair 3: Und hört endlich auf, über DIE Positiven und DIE Barebacker zu reden. Das erlebt jeder anders. Und selbst jede Situation erlebe ich neu. Ich kann und will daraus keine Trends ableiten, und glaube auch keinem, der so darüber redet.  
Anand X.: Von der Verbürgerlichungsdebatte zur Institutionalisierungsdebatte... Du hast ja mit Deiner Kritik an der DAH nicht unrecht, OA, aber es bleibt eine wirklich undankbare (und vielleicht unmögliche) Aufgabe, Kondome als irgendwie geil oder cool anzupreisen, wenn man merkt, dass es nicht weiter führt, ihren Gebrauch "nur" vernünftig zu finden und einige Barebacker sich geradezu als Verfemte stilisieren, was die Attraktivität ihres Risikoverhaltens noch erhöht. Barebacking hat Züge von Dissidenz, genau: Barebacking ist Punkrock! (Diese steile These widme ich mc.)  
Bodo: Na, jetzt könnte ich ja fast einige andere thesen wieder aufnehmen, aber es ist wohl besser dies bleiben zu lassen. zum problem: das kondom wird - wie bei den heten (da tragen frauen die ganze last!) - zur ausnahme. in zeiten wo die gefahr gering erscheint, innerhalb deines freundeskreises gerade niemand stirbt, das kaposi nicht zusehen ist, der darmkrebs nur innerlich ist und der durchfall nur selten offensichtlich wird, kann man meinen aids sei dich da. aber es mitnichten verschwunden. es kommt darauf an dies wieder ins bewusstsein zu rufen. und auch das gute alte wort solidarität wieder hervorzuholen.  
bodo: es geht nicht nur um mich! es geht verdammt noch mal auch um den anderen. wenn ich meine ich sei negativ, selbst wennn der letzte test erst zwei wochen her ist, dann kann ich doch nicht einfach mein sperma verteilen wie ich will. es geht um verantwortung. mir und dem anderen gegenüber - uns gegenüber. natürlich gibt es immer situationen die 100% safe sind, aber das heisst ja nicht: ich starte jetzt durch. auch eine so gute institution wie die aids-hilfe kann nicht einfach das bewusstsein, der zeiten des sterbens und der dramatisierung herbeizaubern, geschweige denn das sexualverhalten.  
unzureichend Aufgeklärter: Was'n Karposi?  
Bodo: Es handelt sich dabei um einen Tumor auf der Haut der als HIV-assozierte Erkrankung gewertet wird. Und den Ausbruch der Krankheit AIDS mitdefiniert weitere  Infos
Brenda: @Bodo: seit wann tritt denn Darmkrebs bei HIV-Positiven gehäuft auf? Hast Du dafür irgendeine Quelle (reine Neugier).  
Brenda: @Onair: was wünscht Du Dir von Institutionen wie der der Deutschen oder der Berliner AIDS-Hilfe? Innovativere Plakate? Mehr Vor-Ort-Arbeit? Können es Institutionen wie die AIDS-Hilfen leisten, in Anbetracht einer völlig aufgefaserten schwulen Szene noch alle zu erreichen? Was ist mit jedem einzelnen von uns? Reden wir über Schutzverhalten und Risiken?  
Onair: Also, um es noch etwas deutlicher zu machen: Ich habe keinen festen Partner und erfreue mich dennoch eines fröhlichen Sexuallebens. Dabei begegnen mir die Botschaften der AIDS-Hilfen so gut wie überhaupt nicht, und wenn, dann sprechen sie mich nicht an. Schlimmer noch, das Gegenteil ist der Fall, sie turnen ab. Anderen, mit denen ich darüber sprach, geht es übrigens genauso. Was die Außenwirkung betrifft, scheint die AIDS-Hilfe also total überflüssig geworden zu sein, vielleicht ist sie sogar kontraproduktiv geworden. Was ihre Beratungstätigkeit betrifft, so kann ich darüber nicht urteilen.  
Onair Forts.: Dass hier jemand fragt, was eigentlich Karposi ist, bestätigt eigentlich nur, wie sehr die Aufklärungsarbeit der AIDS-Hilfe im Argen liegt. @ Brenda: Ich denke AIDS-Hilfen MÜSSEN es leisten können, "in Anbetracht einer völlig aufgefaserten schwulen Szene noch alle zu erreichen". Das ist eine notwendige und hinreichende Bedingung für ihren Fortbestand.  
michael hellmann: Act-Up Gründer Larry Kramer hielt nach der Wieder"wahl" von George Bush eine Rede, in der er in äußerst klarer und scharfer Form zum mangelnden schwulen Selbstbewußtsein und zur selbstzerstörerischen Haltung zu AIDS und Drogen Stellung nimmt. Die Kramer-Rede ist insgesamt sehr lesenswert, auch wenn es zu einigen seiner Thesen hier sicherlich mindestens 2 Meinungen geben wird.  Kramer-Rede
Onair: Kannst Du die wichtigsten Thesen bitte wiedergeben? Habe leider keine Zeit die Rede zu lesen und zu übersetzen.  
Michael Hellmann: @Onair. Es ist eine sehr lange Rede, deren Feuer in Kurzthesen nicht richtig wiederzugeben ist. Es ist nur als Zusatzlektüre zur AIDS-Präventionsdebatte gedacht. Larry Kramer ruft schwule Männer dazu auf, angesichts der AIDS-Krise zusammenzuhalten, und zu kämpfen, und mit Barebacking und massivem Drogengebrauch zu brechen.Wie gesagt, nur Zusatzlektüre.  
Anand X.: Ja, sehr viel Verve (und Pathos) in dieser Rede, vor allem: ein sehr identitäres Konzept vom Schwulsein. Ich finde, es wird nicht ganz deutlich, worauf Kramer mit seinem (recht romantischen) Appell an den Zusammenhalt hinauswill. Er konstatiert, indem er einen südamerikanischen Journalisten als Kronzeugen anruft ("Bei uns zünden die Leute die Busse an, wenn die Fahrpreise erhöht werden!") einen Mangel an Radikalität in der Schwulenbewegung, sagt aber nicht, wie eine politisch wirksame Radikalität aussehen könnte. Hm.  
Aktuelle Zahlen: "Die Zahl der HIV-Infektionen in Deutschland ist sprunghaft gestiegen. Im ersten Halbjahr 2005 haben sich 20 Prozent mehr Menschen mit dem Aids-Erreger angesteckt als in der ersten Hälfte des vergangenen Jahres. (...) Das Risiko, sich mit HIV anzustecken, sei für Männer mit gleichgeschlechtlichen Kontakten derzeit so groß wie nie in den vergangenen zwölf Jahren. (...) Die Hauptursache sehen die Forscher darin, dass selbst bei neuen oder kaum bekannten Sexpartnern immer öfter auf Kondome verzichtet werde. HIV-Experte Marcus vermutet, dass sich homosexuelle Männer auch zu stark auf regelmäßige Aids-Tests verlassen. "Diese Tests schützen nicht vor Ansteckung", betonte er."  Der ganze Artikel bei SpO
Brenda: Dass in dem Spiegel-Online Artikel der Begriff "Aids-Test" benutzt wird, zeigt einmal mehr, dass die Medien auch nach 21 Jahren HIV noch nichts verstanden haben. Die Berliner Zeitung schrieb heute: "Vielleicht sei es Zeit für einen neuen Tabubruch". Vielleicht wird jetzt auch noch der Gauweiler reaktiviert.  
Robert M. @ Brenda: also ich nenne den Nachweis der An- oder Abwesenheit von Antikörpern gegen HIV-Proteine auch Aidstest, sage Hackfleisch - auch wenn es seit Jahrhunderten nicht mehr gehackt wird. Und Türkenmarkt geht auch schneller über die Zunge (und jeder weiß was gemeint ist) statt "Vorwiegend Obst- und Gemüsemarkt am Maybachufer", auch wenn ich von der Staatangehörigkeit der Käufer und Verkäufer keine Ahnung habe. Das ist alles sprachlich ungenau, aber ich glaube allgemein verständlich und durchaus gebräuchlich.  
Bodo: Zum Vergleich des rasanten Anstiegs der HIV-Infektionen emphielt es sich die Orginal-Quellen anzuschauen. Hier gibt es die Berichte des  Robert Koch Instituts
Brenda: vielleicht gibt es ja einen Unterschied zwischen dem, was in einer Zeitschrift wie dem Spiegel gedruckt wird und was Robert M. so im alltäglichen benutzt. @Bodo: was bei dir immer gleich "rasant" ist. Im Moment geht es um 20% mehr als im Vergleichszeitraum des Vorjahres.  
bodo@brenda: he, 20 % mehr innerhalb eines jahres, davon überproprtional viel homosexuelle, zudem ein noch höhrer anstieg in den großstädten wie berlin und die prognose fürs nächste halbjahr ist ein noch höherer anstieg. ich glaube schon, dass man dies als rasant bezeichnen kann. auch wenn der vergleich hinkt, aber stell dir mal vor die arbeitslosenzahlen würden innerhalb eines jahres um 20 % steigen. da wäre rasant noch milde formuliert. im angesicht der epedemie aids sollte man doch sich auf dannecker berufen und tatsächlich von einer aids-krise reden. aber ich gebe dir recht, bei aller dramatisierung sollte man nicht die sachliche ebene verlassen :-)  
Brenda@Bodo: nun komm mal wieder runter. In der BRD leben 11.000 Menschen mit AIDS, das sind 0,01% der bevölkerung. dabei von einer epidemie zu sprechen, ist weit übertrieben. alleine schon deshalb verbietet sich dein vergleich mit der entwicklung von arbeitslosenzahlen. wenn du dir die verlinkte grafik aus dem aktuellen rki-bericht ansiehst, siehtst du einen wellenförmigen verlauf. in der tat haben die neuinfektionen bei männern mit gleichgeschlechtlichem sex in den letzten jahren deutlich zugenommen.  grafik des rki
Brenda (Forts.): Martin Dannecker spricht von einer "doppelten" Krise der Prävention aus "Gründen der strukturellen Verhaltensänderungen" einerseits und von Unterfütterung des Präventionsgedankens mit Ängsten. All diese Dinge, auch wenn sie "nur" (umgangs)sprachlich daherkommen, tun aber genau das, sie unterfüttern mit Angst. "rasant", "Epidemie", "Aids-Infektion" (Berliner Zeitung von heute). Es hat wenig Sinn, in das Geschrei dieser Medien von einer Dramatik, die sich nur aus Zahlen speist, einfach nur einzustimmen. Dramatisch ist vielmehr das Verschwinden des Wissens aus den Köpfen derjenigen, die sich - bewusst oder unbewusst, vermeidbar oder unvermeidbar - hohen Risiken aussetzen.  
Brenda (Forts.): Dannecker spricht nicht von einer AIDS-Krise in der Gesellschaft, sondern von einer (doppelten) Krise in der AIDS-Prävention. Das ist ein wichtiger - und nicht nur sprachlicher - Unterschied. *** Und, lieber Bodo, Dein Vergleich hinkt nicht nur, sondern ist beidseits beinamputiert, um in diesem Bild zu bleiben. :-) Solche Vergleiche bringen jedenfalls überhaupt nicht weiter.  
Michael Hellmann: @brenda: Danke für Dein Insistieren auf sprachlicher und inhaltlicher Genauigkeit. Wenn die, welche die Zusammenhänge kennen, sich nicht klar ausdrücken, helfen sie beim Nebelwerfen z.B. des Spiegel mit,und dann brauchen wir uns nicht zu wundern, wenn es z. B. bald Ausschluß von der Krankenversicherung für "Selbstverschulder" und Schlimmeres geben wird.  
Transit: Wenn der Schrecken des Sterbens vergessen ist, fehlt eben die Motivation für´s Gummi. Danneckers Idee "Ich fick dich jetzt mit Gummi, du Sau" wäre mal was anderes. Denn die Vergangenheit lässt sich wohl nicht mehr hervorholen (ich unterstütze aber ihre Erinnerung!). Wo bitte geht´s zum Hipsten Club mit Gummi only? Wo sind die Gucci-Kondome? Und als Klingelton?  
Stepp: Das Reframing des Kondoms als geiles Untensil ist eine schöne Idee (im übrigen aber auch nicht ganz neu, siehe die „safer sex parties“ der 90er). Erreichen wird aber auch sie nur einen spezifischen Teil der Szene. Was o.k. ist, da sich Prävention auf Grund einer diversifizierten Szene wohl auch zunehmend auf die einzelnen Subgruppen innnerhalb der schwulen Szene konzentrieren muss  
Stepp: Menschen die ganz bewusst unsafe vögeln, bei denen der „unsafe sex“ Reaktanz auf Präventionsbotschaften ist oder unsafer sex als solcher fetischisiert ist wird man mit diesen Botschaften nicht erreichen. Ebenso wenig hilft das Reframing des Kondoms der Vielzahl an Leuten wenig, die sich zwar vornehmen ein Kondom zu benutzen, aber es nicht schaffen ihr Präventionsverhalten umzusetzen: sei es auf Grund von Drogen, der Geilheit der Situation, aufkommenden Verschmelzungswünschen oder der Schwierigkeit ihre Bedürfnisse gegenüber dem anderen zu vertreten.  
Stepp: Ich denke, dass das Konzept der Verknüpfung von Verhältnis- und Verhaltensprävention weiterhin geeignet ist den Herausforderungen zu begegnen. Prävention muss sich aber zunehmend auf die einzelnen schwulen Subgruppen konzentrieren. Damit meine ich nicht unbedingt nur auf für alle sichtbare Gruppen, wie Lederszene oder junge Schwule (nicht jeder Lederschwule verhält sich gleich!), sondern auf Gruppen mit einer gemeinsamen biografischen, psychosozialen oder ökonomischen Struktur - Strukturen, die auch für das Verhalten in sexuellen Begegnungen bestimmend sind. (Da wäre dann mal die sozialwissenschaftliche Forschung gefragt, solche Strukturmerkmale herauszufinden).  
andreas: Ich weiß ja nicht, verfolge ich die Diskussion über die Trägheit der DAH oder der angeblichen Untätigkeit, kriege ich etwas die Pimpernellen..... Lieber Onair, wenn ich so lese, was Du schreibst, verstehe ich dennoch nicht was du willst. Eine Diskussion über Prävention zu führen, aber nur von der Wirkung auf sich selber zu sprechen ist aber auch wirklich schwierig.... Die Frage muss doch lauten: "Was habe ich von Safer Sex - oder was riskiere ich, wenn ich mich riskiere?" Für dich liebr Onair ist doch klar, dass du keine Plakate mehr von der DAH brauchst, um dich zu schützen - oder?  
andreas: Und genau darum geht es. Wer hier mit diskuitert, gehört zu den Aufgeklärten und braucht sich nicht zu beschweren, wenn die Präventionsbotschaften ihn nicht ansprechen - für ihn sind sie nämlich nicht gedacht. SO - dass musste auch mal gesagt werden! Klar ist, dass Bareback als Bewegung ungeschützter Sex unter Positiven ist - und unsafer Sex eben nur unsafer Sex. Erstere wissen, was sie tun und haben sich entschieden. Warum sich aber andere oft nicht schützen, darüber müssen wir nachdenken.  
andreas: Und dazu hat Dannecker - auch wenn ich vieles von ihm nicht teile - in diesem Interview einen wichtigen Hinweis gegeben! Dazu braucht es keinen Plakate und auch keine Broschüre, sondern den Dialog und das Gespräch an Orten, an denen Sex stattfindet oder im Vorfeld dazu - und von mir auch aus danach.  
onair@andreas: ich halte das für einen irrtum, vom sogenannten aufgeklärten zu sprechen, der der botschaft nicht mehr bedarf. meine erfahrungen sind da (leider) anders, und zwar was mich selbst betrifft als auch was die beobachtung meines gegenübers angeht. ich habe mich in der letzten zeit öfter in situation wiedergefunden (und das drücke ich bewußt mal so etwas fatalistisch aus), in denen leute auf das gummi verzichten wollten oder es ihnen egal war. in solchen situationen immer so zu reagieren, wie das vielleicht idealerweise der fall wäre, ist ein frommer wunsch. sind also all diejenigen als zielgruppe verloren, weil sie zwar aufgeklärt aber dennoch wider besseres wissen handeln?  
Siegessäule: ein weiteres Interview mit Martin Dannecker zum gleichen Thema (etwas nach unten scrollen)  \"Wir müssen provozieren\"
Timur @ Anand X. & mc: könntet ihr eure diskussion fortsetzen - nicht hier, aber wie wärs im forum? ich finde sie recht interssant & würde mich evtl. einmischen. ich bin nämlich geneigt, anand x in bezug auf neonazis zuzustimmen.  
dietelge@bodo (weiter oben): barebacker machen etwas gewollt, gezielt, ggf. verabredet. machen sie es miteinander und im einvernehmen, dann dient das auch der prävention und kann als gelungenes risikomanagement angesehen werden (selbst wenn auch dabei infektionen erfolgen), zumal sich das zumindest von allem unausgesprochenen, gemutmaßten oder evtl. verdrucksten unterscheidet, was bei flüchtigen kontakten sonst oft passieren mag (und m. e. problematischer ist).  
dietelge@bodo(& mancheck, aidshilfe usw): du hast sicher recht, dass die sichtbarkeit von hiv und aids durch med. erfolge reduziert wurde, zumal zur eigenen infektion offen zu stehen noch immer nicht wenige nachteile birgt bei zugleich viel längerer lebens-(also auch möglicher diskriminierungs-)erwartung. unverzichtbar bleiben also aufklärung und beratung vor selbstbestimmter entscheidung über ein solches coming out (statt appellen oder gar outing)! dennoch können und sollten positive wieder (!) viel stärker in die prävention einbezogen werden.  
dietelge@onair (&mancheck aidshilfe usw): fantasielos von plakaten starrende kondome sind wohl eher die unbenutzten, noch nicht abgerollten der bzga (bundeszentrale für gesundheitliche aufklärung) für die sog. allgemeinbevölkerung. das sollte uns jetzt allerdings nicht beruhigen, denn die turnen ggf. nicht nur uns nicht an, sondern auch die nicht homo-/schwulidentifizierten msm (männer, die sex mit männern suchen, ohne sich als schwul o. ä. zu verstehen), also gerade auch viele menschen mit migrationshintergrund und alle anderen, die mancheck, aidshilfe (wir alle) kommunikativ nur schwer oder gar nicht erreichen können - aber die bzga so eben leider auch nicht!!  
dietelge@brenda: ich verstehe martin dannecker so, dass das heute weitgehende fehlen von angst die präventionskrise doppele - und nicht das damalige oder ein aktuelles unterfüttern mit angst. für kontraproduktiv halte ich allerdings die seit den erfolgen der kombitherapien gerade in einigen metropolen-aidshilfen versuchte strategie, der siechenden prävention durch künstliche unterfütterung mit dramatisch inszenierten ängsten aufzuhelfen.  
dietelge (forts.): martin weist auch selbst darauf hin, dass er zwar einerseits die steigenden infektionszahlen nicht für so dramatisch hält wie in den medien jüngst dargestellt, dass er aber zugleich statt bemühter printmedien eher eine provokante personale kommunikation für erforderlich hält. - und ob tatsächlich verschwundenes wissen ein vorrangiges problem ist, wage ich wiederum sehr zu bezweifeln.  
dietelge@onair: dank für deinen letzten eintrag, der deutlich macht, dass eben noch längst nicht alles klar und mancher abzuschreiben ist!! nein, hier wird die herausforderung erst richtig diffizil, zumal uns die forschung sehr wenig darüber sagen kann, wer (in welchen subzielgruppen) wodurch (nicht nur erreichbar, sondern auch wirksam) motivierbar ist - und wo die (zu) knappen ressourcen am aussichtsreichsten und also prioritär einzusetzen wären...  
dietelge@stepp: dein letzter eintrag zeigt zu meiner vorigen frage einen interessanten und evtl. die richtung weisenden ansatz, merci. und so richtig ich deine aussage zum präventionskonzept finde, müssen wir uns zugleich fragen, ob die umsetzungen noch zeitgemäß sind. so betreibt mann-o-meter einen seit gründung über die hiv-prävention staat- und stattlich geförderten niedrigschwelligen schwulen infoladen, der seit dem umzug auf die falsche seite des nollendorfplatzes immer schlechter besucht wird. dort liegen viele hiv-präventive druckwerke aus, die vermutlich kaum noch jemand interessieren.  
dietelge (forts.): strukturelle prävention à la deutsche aidshilfe ist das auch, aber ist es zeitgemäß, ausreichend, zweckmäßig, prioritär? mich z. b. hat dort NIE jemand auf hiv-prävention angesprochen, obwohl das ja nicht schaden könnte... ich finde es ja nicht falsch, dass es einen infoladen gibt (obwohl er sicher besser gemacht werden könnte und sollte), aber stimmt hier die relation zwischen mitteleinsatz und präventiver wirkung? können/wollen wir uns ggf. ein mißverhältnis leisten und wie lange hielte dies einer kritik stand??  
Brenda: @dietelge: Da gebe ich dir recht, Martin sprach von einer Unterfütterung durch Ängste in den 80ern. Vielleicht war ich in meiner Äußerung nicht differenziert genug: Ich denke man muss unterscheiden zwischen zwei Dingen: Einerseits den Ängsten innerhalb der Szene angesichts einer tödlichen Erkrankung, die dafür sorgte, dass im realen Leben die Freunde wegstarben (wobei ich dazu vielleicht sagen sollte, dass ich persönlich das so in meinem direkten Umfeld nicht erleben musste, biographisch bedingt sozusagen :-) ).  
Brenda (forts.): @dietelge: Diese Ängste hatten wohl einen gewissen schockbedingten Schutzeffekt. Hier haben sich die Zeiten allerdings geändert, diese Ängste gibt es nicht mehr, und ich glaube, es ist weder möglich noch wünschenswert, sie zu reaktivieren. Davon abzugrenzen ist die Medienpanik, die ich auch in der damaligen Zeit sehr wohl miterlebt habe, und die gerade wie ich finde eine gewisse Renaissance erfährt. Sie führt jedoch nicht zu präventivem Verhalten, meine ich, sondern zu homophoben Ressentiments. Damals wie heute. Ich halte das ständige Herumreiten auf diesen Zahlen ebenfalls für eine ärgerliche Hysterisierung.  
Brenda (forts.): @die telge: das mit dem Wissen ist so eine Sache... Wenn Du das Wissen um die Übertragungswege meinst, wissen glaube ich die meisten Schwulen ziemlich gut Bescheid. Ich meinte das Wissen um die Erkrankung, die aus den Köpfen verschwunden ist. Dass AIDS nach wie vor nicht heilbar ist. Und zu diesem Verschwinden tragen sehr viele bei: Schmiergazetten wie die Sergej, Medien, die nur Zahlen abschreiben, Ärzte in Hochglanzpraxen, die mit der Industrie kungeln und geschönte Daten auf Kongressen präsentieren, AIDS-Hilfen, die sich ihre Aufklärungsbroschüren von Glaxo schreiben lassen und und und. Nicht zuletzt die korrupten Auswüchse kapitalistischer  Pharmaindustrie
dietelge@brenda: stimme dir, liebe brenda, in allen punkten gern zu!