von Stonewall zum Dachlabel?
Kritik am Kölner CSD formulierten die Dragkings vom Kingdom of Cologne. Stonwall was a riot, der von KLUST e.V. veranstaltete CSD hingegen ist der Paraden-Party-Höhepunkt nach 14 Tage pride unter dem 'Dachlabel' Cologne Pride. Teilweise sei der Zugang zu einzelnen Veranstaltungen eben nur einem 'exklusiven' Kreis möglich - wie bei manch einer autonomen Feier auch ... doch lesen Sie selbst.

Anlässlich der Feiern zum Christopher Street Day 2005
1969 wehrten sich Schwule, Transmenschen und Lesben noch mit Leib und Seele dagegen, sich einen angepassten Lebensstil vorschreiben zu lassen, und hauten der einrückenden Staatsgewalt ihre Stöckelschuhe und Handtaschen um die Ohren. Im Jahre 2005 bekommt man beim CSD den Eindruck, dass sich Schwule und Lesben ganz freiwillig dem Massenzwang unterwerfen und einer Gesellschaft voller Normierungen anbiedern.

Als stellvertretende Instanz für diverse "Interessen"-Gruppen hat sich in Köln der KLUST etabliert (Kölner Lesben- und Schwulentag e.V.). Die Entwicklung des CSD in Köln spricht für sich: Organisiert vom KLUST wurde aus den früheren Demonstrationen ein "Event", aus einer Erinnerung an den Widerstand des CSD wurde ein Zelebrieren des "Cologne Pride", und statt autonom agierender Gruppen sieht mensch nun Global-Player-Firmen, etablierte Parteien und kommerzielle Veranstalter durch die Straßen ziehen. Ein paar wenige handgeschriebene Transparente mit politischen Forderungen verschwinden in einer Masse von professionell bedruckten Werbeschildern und Firmenwagen.

Wie seit einigen Jahren tritt der "Kölner CSD-Veranstalter" KLUST e.V. auch dieses Jahr wieder als "Eigentümer" des Christopher Street Days an. Gruppen, die noch unabhängig vom KLUST agieren, werden von ihm angeschrieben, ob sie sich nicht in das vom KLUST organisierte, "offizielle" CSD-Programm einfinden mögen. Dieses Angebot gilt freilich nur für solche Gruppen, die als Veranstalter in Erscheinung treten (und somit am wirtschaftlich lohnenden Geldkreislauf teilnehmen).

So hat auch das "Kingdom of Cologne" E-Mails vom KLUST bekommen. Zuerst wurden wir eingeladen, bei der Motto-Findung mitzudiskutieren, dann wurde uns eine "Kooperations-Partnerschaft" angeboten, und zuletzt wurden wir gefragt, ob wir nicht auf dem ColognePride 2005 etwas veranstalten wollten: "Ihr würdet dann als offizieller Punkt des CP laufen, u.a. auch mit Veröffentlichung im Programmheft usw.!!"

Wir müssen zugeben, dass wir eine lange Diskussion führten über die vom KLUST nahegelegten Strategien zu Öffentlichkeit und Präsenz und "Massen erreichen". Wäre es nicht gut, auch abseits der autonomen Kreise aufzutreten, die ja durchaus oft ebenfalls recht exklusiv funktionieren? Was ist denn mit solchen BesucherInnen, die sich vom CSD in Köln mehr erhoffen als nur Kommerz und Massentauglichkeit? Wäre es nicht schön, denen eine Alternative anbieten zu können? Und wäre nicht allein schon die Erwähnung wichtig, dass es in Köln Drag Kings gibt? Sollen wir uns das alles nehmen lassen, nur weil wir allein den KLUST in seiner Omnipräsenz als Gegenüber wahrnehmen und nicht die einzelnen Menschen, die dieses Heft am Ende in den Händen halten und unsere Gruppe finden können?

Wir wollen den CSD auch dieses Jahr zum Anlass nehmen, auf frei zugänglichen Plätzen unseren Anliegen Ausdruck zu verleihen. Als Fußgruppe und auf dem Straßenfest stehen wir dafür ein, dass ein Leben ohne zwanghafte Anpassung an die heteronormativen, patriarchal, dualgeschlechtlich und machtstrukturell dominierten Vorstellungen von Menschen als "Mann" und "Frau" möglich ist (welche auch vor der linken/autonomen Szene und der queer Community nicht Halt machen).

Einer Beteiligung am KLUST-Event "ColognePride" und der Erwähnung des "Kingdom of Cologne" im Programmheft des KLUST verweigern wir uns allerdings. Bei allem organisatorischen Engagement und allen großen Worten in Form von Mottofindungen und Presseerklärungen verfolgt der KLUST strukturell und inhaltlich eine Politik, die wir aus im Folgenden dargelegten Gründen nicht mittragen können.

1. "CSD, wie wir ihn heute kennen": Wir machen mit, egal mit wem?

Auf seiner Website beschreibt der KLUST seine organisatorischen Erfolge ("Daraus entwickelte sich sehr schnell der CSD, wie wir ihn heute kennen.") , und was diesen modernen CSD für ihn ausmacht: "Denn während 1991 nur einige hundert Teilnehmerinnen und Teilnehmer gegen gesellschaftliche Diskriminierung und für die Akzeptanz ihrer Lebensform demonstrierten und nur wenige tausend Besucherinnen und Besucher den Straßenrand säumten, wuchs der CSD innerhalb weniger Jahre zu einem Großereignis an. Bereits Mitte der 90er zählte der Christopher Street Day nach Karneval und Ringfest zu den drei größten Veranstaltung in der Rheinmetropole und etablierte sich als größtes Event seiner Art in Europa."

In der Logik des KLUST mündet die Geschichte des CSD darin, dass sie sich als Veranstalterinnen und Veranstalter dazu "veranlasst" sahen, "(...) den traditionellen CSD um die Facette ColognePride zu erweitern und damit ein "Dachlabel" zu etablieren. Demnach ist der ColognePride heute das große Rahmenprogramm (über 100 Veranstaltungen 2004), welches sich über einen Zeitraum von zwei Wochen erstreckt und dessen Höhepunkt das abschließende CSD-Wochenende bildet."

Für diese Fixierung auf Massen und Zahlen ist sich der KLUST nicht zu schade, selbst Gruppierungen wie ProKöln in sein Programmheft aufzunehmen. (Ist ja auch egal, denn: "Der ColognePride bietet einen Rahmen für Events jeglicher Art, ganz gleich ob Sportturnier oder Kulturfestival, Diskussion oder Party.) Unter einem solchen "Dachlabel" fühlen wir uns nicht zu Hause. Wir sind keine KLUST-Veranstaltung mit einer beliebigen Nummer!

2. Zahlen & Massen?

So misst der KLUST die Bedeutung des CSD:
- "weltweit größte Pride-Event"
- "mit hochkarätigen Künstlern"
- "größtes Event für Lesben, Schwule, Bisexuelle und Transgender in Europa"
- "wichtiges internationales Szene-Event"
- "Großereignis"
- "hohe politische Strahlkraft und durch BesucherInnenzahlen, die selbst dem Karneval zur Ehre gereichen würden"
- "erlebte Köln am Wochenende wieder einen gigantischen CSD: Laut der Nachrichtenagentur dpa schauten sich am Sonntag 1 Million Zuschauerinnen und Zuschauer Europas größte Pride-Parade an."
- "Kraft und Energie der Kölner Szene"
- "Bereits Mitte der 90er zählte der Christopher Street Day nach Karneval und Ringfest zu den drei größten Veranstaltung in der Rheinmetropole und etablierte sich als größtes Event seiner Art in Europa."
- "ColognePride und seinem Hauptevent, dem CSD-Wochenende"

Eine Einteilung des CSD in "Hauptevents" und anhand von Begriffen wie "Strahlkraft", "Kraft und Energie", "hochkarätig", "Groß"-Ereignis und "Ehre" finden wir befremdlich.

In unseren Ohren klingt dieses unerträgliche Vokabular nach überaus zweifelhaften Werten, mittels derer Ereignisse wie auch die beteiligten Menschen allein nach ihrer Leistung beurteilt werden.

Davon abgesehen glauben wir nicht an einen millionenfachen Beifall von heteronormiert agierenden Bürgern, die jeden Tag Menschen nach Fragen be- und abwerten wie: "Sind sie finanzstark?" oder "Gebären sie deutschen Nachwuchs?", und dann am CSD mal ein paar Stunden dumm und besoffen glotzend ihre geile Neugier an uns befriedigen und sich letztlich nur ihrer eigenen Normalität vergewissern.

3. Zugänglichkeit zu Veranstaltungen und Informationen

Außer auf der Straße gibt es den KLUST-CSD auch in sauberen Varianten und in sicherer Abgeschiedenheit, zum Beispiel im Maritim Hotel und im Phantasialand. Hier findet nur Eingang, wer sich selbigen leisten kann.

Das fröhliche Feiern im Phantasialand stellt sich der KLUST dann so vor: "Den ganzen Tag über wird das Phantasialand in Regenbogenfarben eingetaucht. Überall im Park tummeln sich Schwule, Lesben und deren Freunde. An jeder Ecke wird es etwas zu entdecken geben, sei es eine schrille Transe im "Mystery Castle", kreischende Jungs auf dem "Colorado Adventure" oder auch nur der ein oder andere Besucher mit großen Augen, der das ganze Spektakel zu verstehen sucht…(...) Die speziell für den Fantasypride verlängerten Öffnungszeiten laden zum Spaß haben mit den Karussells, Achterbahnen und Attraktionen bis zum Sonnenuntergang ein. Für all diejenigen, die den Tag doch lieber ein wenig ruhiger angehen wollen, wird es in der Western-Stadt ein Straßenfest geben. "

Wem Achterbahnen und Attraktionen in Zeiten zunehmender finanzieller und inhaltlicher Armut und steigender HIV-Infektionsraten nicht ganz passend erscheinen, der/die kann es ja mal mit der Gala versuchen: "Unter dem Motto 'Lass die Sonne in dein Herz'" (hach, was wären wir nur ohne Motto) wird dort bei einem "bunten, musikalischen Reigen von Klassik, Comedy-Chanson, a capella Gesang, Musicalmelodien bis Rock- und Popmusik (...) gegen das Verdrängen und Vergessen von AIDS" gefrönt und dafür gesorgt, dass "das Thema Solidarität mit von HIV und AIDS Betroffenen nicht nur ein Wort bleibt".

Bei den gleich daneben angebotenen "Weekend-Packages" lässt sich dann bequem die passende Übernachtung dazu buchen "im 4-Sterne-Hotel mit Frühstück + VIP-Entry zur besten Party" - schon ab 59,90 EUR.

Schön, dass so viel Geld in die Szene fließt? Da nimmt mensch die hohen Preise für Getränke und Toiletten-Benutzung doch gerne in Kauf? 2002 und 2003 wurde heftig diskutiert über die "Abtretung des CSD-Straßenfestes an anonyme Unternehmer" (whk 15/02). Als aktuelle Information hierzu gibt es auf der KLUST-Website nur noch den Vermerk: "Organisation ColognePride-Straßenfest: CPV GmbH, Hans Flock". Da berichtet sogar der Kölner StadtAnzeiger offener über Verhandlungen (im Hotel Mondial) und das Hickhack zu Ordnungsamt, Verwaltungsgericht, "politische Stimmungslage" und anderen Veranstaltungen wie WM 2006, Kölner Lichter, Rhein in Flammen, Bierbörse, Ringfest u.a. Ganz offen wird dabei von den jeweiligen Veranstaltern als Argument eingesetzt, dass sie - wie der "auf Sponsoren angewiesene" KLUST - "an Sponsoren-Verträge gebunden" sind.

"Gebunden" und "angewiesen", so werden also die großen politischen Anliegen des KLUST umgesetzt, dass er ein "weithin sichtbares politisches Signal aussendet (...) und darüber hinaus Schwulen und Lesben Mut und Kraft gibt, ihr Leben in einer gesellschaftlichen Minderheit anzunehmen und positiv zu besetzen".

Wir glauben nicht daran, dass nur große Massen an Geld, Sponsoren, Presse und Öffentlichkeit für das Anliegen einer Sache stehen. Auch für Menschen mit geringen bzw. anderen Mitteln müssen Informationen und Veranstaltungen zugänglich sein. Beispiele dafür, dass es auch anders geht, gibt es genug.

Fazit?

Wir sind uneins. Vielen sicherlich gut gemeinten Veranstaltungen und Möglichkeiten steht aber zur Zeit letzten Endes unser Unwohlsein gegenüber, dass die KLUST-Politik von Macht, Medien und Wirtschaft nun mal nicht eine ist, die wir mit unserem Namen und unseren Veranstaltungen mittragen können. Wir erwarten nicht, dass alle so denken und leben wollen wie wir - aber an die Stelle einer Konzentration auf einen einzigen Zugang zu Informationen, Öffentlichkeit und "erlaubter" Gestaltung eines Lebens in geschlechtlicher, persönlicher, zwischenmenschlicher und finanzieller Hinsicht muss eine Vielfalt an Möglichkeiten treten.

Mit einer Erwähnung des "Kingdom of Cologne" im Programm des KLUST hätten wir in den Augen des KLUST und einer von KLUST definierten "Öffentlichkeit" gar noch zu ihrem Begriff von "Vielfalt" beigetragen. Vielfalt heißt für uns aber nicht das Flehen um gnädige Toleranz, schon gar nicht unter so Vorzeichen wie "Wir sind doch genau so normal wie alle anderen auch". Vielfalt heißt für uns ganz im Gegenteil: sich frei zu machen von der Fixierung auf Mehrheiten und auf Bündnisse - um jeden Preis - zu verzichten.

Genau diese Freiheit nehmen wir uns nun auch dem KLUST gegenüber.

Es geht auch anders!

Das "Kingdom of Cologne" Orga-Team

Infos zum Kingdom of Cologne: http://www.kingdom-of-cologne.de.

Alle kursiv gesetzten Zitate wortwörtlich von: http://www.colognepride.de.

* zu dem Thema:
- "Abtretung des CSD-Straßenfestes an anonyme Unternehmer"
   (whk 1502)
- "Sommerschlussverkauf in Köln: CSD an heterosexuelle
   Geheimloge verscherbelt" (whk 1402)
- "Anonyme Investoren" (StadtRevue 11/02)
- "CSD am Rheinufer?" (Kölner Stadtanzeiger 17.03.2005)