von Undine Undulanz
Feigwarzen: Condylomata accuminata
Noppen auf der Eichel. Noppen am Arsch. Die wenigsten reden drüber. Dennoch gehören Feigwarzen zu den häufigsten Geschlechtskrankheiten. Es ist mehr oder weniger eine gefühlte Häufigkeit. Die Studienlage ist denkbar dürftig. Eine kürzlich durchgeführte Untersuchung an antiretroviral behandelten HIV-positiven Schwulen konnte bei 36 von 45 Männern (80%) den Erreger aus Zellmaterial aus der Gegend des Darmausgangs nachweisen (Quelle). Untersuchungen in Deutschland deuten auf ein noch höheres Vorkommen hin (Quelle und weiterführende Literatur). Das große Problem bei den auch Kondylome oder Condylomata genannten Feigwarzen ist: Wer sie einmal hat, wird sie so leicht nicht wieder los. Selbst wer sie sich entfernen lässt, bleibt Überträger von Feigwarzen. Ist das der Grund für große Schweigen, die große Peinlichkeit?

Erreger: Humanes Papillom Virus
Alle Warzen werden durch Viren übertragen. Nicht nur die hartnäckigen Warzen an der Fußsohle oder die Dinger, die wir als Kinder an den Händen hatten, sondern eben auch Feigwarzen. Warzenviren oder Humane Papillomviren (HPV) befallen Haut und Schleimhäute. Es gibt über 70 Untergruppen, die für die verschiedenen Warzenarten an verschiedenen Stellen des Körpers verantwortlich sind (für die analen und genitalen Feigwarzen sind das vor allem die Untergruppen HPV 6,11,16 und 18). Nach der Ansteckung können je nach Immunlage Wochen bis Jahre vergehen, bis es zur Ausbildung von Warzen kommt. Durch die Virusvermehrung in den obersten Zellschichten werden diese zu einer vermehrten Zellteilung und Hornbildung angeregt, so dass sich kleine hornige Noppen unterschiedlicher Form bilden. Oft werden Feigwarzen als «blumenkohlartig» beschrieben, sie können auch zu ganzen «Beeten» zusammenwachsen. Feigwarzen entwickeln sich vor allem auf den Schleimhäuten, also an Eichel und Vorhaut des Mannes und in der Scheide der Frau. Sie können auch in der Harnröhre oder bei der Frau am Gebärmutterhals auftreten. Bei schwulen Männern - bzw. bei Menschen die sich ficken lassen - ist die häufigste Lokalisation am Darmausgang (Anus) und im Enddarm (intraanal). Auch die normale Haut kann von Feigwarzen befallen werden. Bei Männern sind das vor allem die angrenzenden Bereiche wie Penisschaft und Hoden, bei Frauen die Schamlippen und Umgebung, sowie bei beiden die Perianalregion: der Po.

Abkürzungsdschungel: HPV, HIV & PCR
Da es sich bei der HPV-Infektion um eine chronische Infektion handelt, ist es sehr von der Reaktion des Immunsystems abhängig, ob sich Feigwarzen ausbilden oder nicht. Entsprechend darf auch in 10-30% der Fälle mit einer spontanen Rückbildung gerechnet werden. Ähnlich wie bei einer Herpesinfektion kann nämlich je nach Funktionszustand der körpereigenen Abwehr die Vermehrung von HPV in Schach gehalten werden. Wer durch eine zusätzliche HIV-Infektion eine geschwächte (zelluläre) Abwehr hat, hat so ein höheres Risiko für das Auftreten von Feigwarzen. Und auch für einen schwereren Verlauf. Ähnliches gilt, wenn gerade eine Chemo- bzw. eine immunsuppressive Therapie durchgeführt wird (zum Beispiel im Rahmen einer Krebserkrankung oder nach einer Transplatation).

Es ist leicht vorstellbar, dass Zellen, die durch ein Virus dazu gebracht werden, sich in unkontrollierter Weise zu teilen, in Krebs übergehen können. Bestimmte Untergruppen der Warzenviren sind in beim Analkarzinom (häufig bei Männern mit Analverkehr, insbesondere bei HIV-Positiven) besonders häufig nachweisbar. Entsprechend werden Hochrisiko-HPV (16 & 18) von Niedrigrisiko-HPV (6 & 11) unterschieden. Trotz der Erfolge in der Behandlung der HIV-Infektion konnte in den letzten Jahren eine deutliche Zunahme von Analkarzinomen bei HIV-positiven schwulen Männern festgestellt werden. Für Menschen mit HIV wird deshalb ein jährliches Screening auf Feigwarzen empfohlen. Dabei wird zunächt die Anal- und Genitalregion untersucht und eine Proktoskopie durchgeführt - ein Proktoskop ist ein ca. 2cm durchmessendes und 12cm langes starres Metallrohr, mit dem der letzte Abschnitt des Enddarms angeschaut werden kann.

Werden Feigwarzen gefunden und entfernt, wird das Gewebe hoffentlich zur Aufarbeitung und Typisierung eingeschickt (das ist für HIV-positive Männer wichtig, wird aber oft vergessen bzw. von der gesetzlichen Krankenkasse meist nicht bezahlt). Dabei kommen zwei Verfahren zum Einsatz. Zunächst wird wie bei Vorsorge für Gebärmutterhalskrebs bei Frauen eine Färbung nach Papanicolaou durchgeführt. Weiterhin wird die Gewebeprobe mit der PCR-Methode auf genetische Spuren von HPV untersucht. Die PCR-Methode ist dieselbe, die auch bei der Gensonden-Untersuchung auf Tripper oder Chlamydieninfektion sowie bei der sogenannten Viruslastmessung bei HIV benutzt wird. Mit der PCR-Methode können auch Niedrig- von Hochrisiko-HPV-Subtypen unterschieden werden. Durch entsprechende Vorsorge-Programme für Frauen konnte in der Vergangenheit erreicht werden, dass die Rate an Gebärmutterhalskrebs (Zervixkarzinom) rückläufig ist. Gefahr erkannt - Gefahr gebannt! Bezüglich des Analkarzinoms haben wir daher Grund zur Hoffnung.

Diagnostik: Hingucken!
Die Infektion mit Warzenviren ist zunächst unsichtbar und asymptomatisch. Solange sich noch keine Hautveränderungen ausgebildet haben, gibt es bisher auch kein sinnvolles Verfahren, eine HPV-Infektion festzustellen. Erst wenn die Feigwarzen gewachsen sind, können sie (selbst) ertastet bzw. gesehen werden, denn sonst fallen sie kaum auf, weil sie in der Regel weder bluten, noch brennen oder jucken. Für die Selbstuntersuchung bietet sich ein Spiegel an. Durch Bestreichen mit verdünnter Essigsäure können die Feigwarzen zur besseren Erkennbarkeit auch angefärbt werden.

Behandlung: nur symptomatisch!
Wenn die Warzen nicht von selbst verschwinden, gibt es grob gesagt zwei Ansätze, sie zu entfernen: medikamentös oder chirurgisch. Das bewährteste und modernste Medikament heisst Imiquimod und ist auf Rezept als Creme erhältlich, manche Apotheken können daraus auch Zäpfchen herstellen. Das Medikament gehört in die Gruppe der Immunmodulatoren und kann die Abwehr im Bereich der betroffenen Hautstellen verstärken. Dadurch wird die Anzahl der Viren reduziert. Der genaue Wirkmechanismus ist noch nicht wirklich verstanden. Das Zeug ist ziemlich ätzend und wird daher in der Regel als unangenehm beschrieben. Dennoch eignet es sich auch zur Nachbehandlung nach chirurgischer Entfernung der Warzen. Auch Interferon, das zur Behandlung der Hepatitis C eingesetzt wird, ist grundsätzlich zur Therapie von Feigwarzen geeignet. Abgesehen davon, dass es in Deutschland zur Therapie von Feigwarzen nicht zugelassen ist, kann es wegen der heftigen Nebenwirkungen nicht empfohlen werden.

Der zweite Ansatz ist chirurgischer Natur. Sind die Feigwarzen noch klein, können sie vereist werden. Die Vereisung führt zur Abtötung der virustragenden (Schleim-)hautzellen, die Warzen fallen gemeinsam mit den enthaltenen Viren ab. Ebenso lassen sich die Warzen in Narkose mit dem Skalpell oder mit dem schickeren Laser entfernen. Ein weiteres Verfahren ist das «Verkochen» der Warzen mit elektrischem Strom. Dabei werden die Warzen mit dem Elektrokauter entweder direkt verbrutzelt, oder indirekt in der sogenannten Wet-Field-Technik: Kurz vor dem Einschalten des Stroms wird das zu bearbeitende Hautareal mit Kochsalzlösung benetzt. Hierdurch werden dann nicht nur die Kondylome selbst, sondern auch die sie umgebenden obersten Zellschichten breitflächig abgetötet und damit diejenigen Zellen, die mit hoher Wahrscheinlichkeit Viren enthalten. Welches Verfahren auch immer gewählt wird - wichtig ist die Nachsorge vier bis sechs Wochen später. Eine vollständige Entfernung der Viren aus dem Körper wird mit keinem der genannten Verfahren erreicht. Dennoch lohnt es sich, Feigwarzen bereits im frühen Stadium entfernen zu lassen und nicht zu lange zu warten - sei es zur Rekuktion des Ansteckungspotentials für andere, aus kosmetischen Gründen oder aus Gründen der Krebsvorsorge.

Übertragung: wie schützen?
Auf die Frage: Wie kann ich mich vor Feigwarzen schützen, möchte ich fast zynisch antworten: gar nicht. Es gibt weder eine Impfung noch eine effektive Präventionsmaßnahme. Wer sich schonmal Dornwarzen im Schwimmbad eingefangen hat (das sind die kleinen Vulkane an der Fußsohle), kann sich vielleicht vorstellen, wie leicht Feigwarzen übertragen werden können. Die Ansteckung kann bereits unter der Geburt stattfinden oder bei kindlichen Berührungsspielchen im Vorschulalter. Wenige virushaltige Zellen genügen für eine Übertragung. Warum manche Menschen gar keine Feigwarzen bekommen und andere immer wieder, ist noch nicht vollständig erforscht. Feigwarzeninfektionen können auch ohne sexuelle Kontakte stattfinden, und selbst wer noch nie Feigwarzen hatte, kann nicht ausschließen, sie dennoch zu übertragen. Kondome können die Übertragungswahrscheinlichkeit lediglich reduzieren. Das alles macht die Diskussion um Vorsorge besonders schwierig. Wer selbst Feigwarzen hat oder beim Partner welche vermutet, sollte versuchen, offen darüber zu sprechen. Denn auch hier gilt: Vergessen ist ansteckend.

Wer noch nie Feigwarzen gesehen hat oder gerne mal wieder welche sehen möchte, sei auf die Seite der Universität Erlangen verwiesen. Aus Copyright-Gründen kann ich die Bilder nicht auf etuxx abbilden. Es gibt dort zwölf leckere Bilder zu Feigwarzen. Viel Spaß beim Durchklickern... Fotos!

Hinweis: Das Lesen von Texten zu medizischen Themen ersetzt nicht den persönlichen Besuch
bei deinem Arzt oder deiner Ärztin.
außerdem erschienen:
etuxx  Geheimsache SÜK (sexuell übertragbare Krankheiten)
etuxx  Wenn's vorne juckt & hinten beißt (Filzläuse & Krätze)
etuxx  Wenn Frauen zu sehr fließen (Scheideninfektionen)
etuxx  Testen bis der Arzt kommt
etuxx  Der Tropfer (Tripper, Chlamydien)
etuxx  Shigellen
etuxx  Der Arschflokati (Feigwarzen)
etuxx  Siffiges zur Syphilis
etuxx  Hepatitis C - Steht Berlin vor einer Epidemie? update
etuxx  Gay Panic Syndrome - Ist MRSA die neue Schwulenseuche?
etuxx  Rein bevor's kommt! - Impfungen gegen HIV?
Sascha B.: Die sind ja tatsächlich recht vielgestaltig, die Teilchen! Ich hatte den Eindruck, dass einige (Nicht-Fach-)ÄrztInnen sie (ähnlich anderen Warzen) v.a. als kosmetisches Problem sehen - was sie auf jeden Fall auch sind (Feigwarzen lecken fänd' ich irgendwie noch ekliger als Scheisse fressen; vielleicht gibt´s ja aber inzwischen sogar Leute, die auf Kondys stehen) - aber Karzinomgefahr ist ja nun wirklich nicht einfach abzutun...  
Lemmy: die wandelnde Karzinomgefahr:  Gesichtsflokati
Sascha B. @ Lemmy: Du wirst, laut einem Posting in unserem Forum, gesucht. Von "sev". Die Mailadresse lautet wohl "desperate@email.de". (Wusste gar nicht, dass es die Domain "www.email.de" gibt; scheint aber so...). +++ Fiese Warze auf dem verlinkten Face übrigens; würd' ich wegbrennen lassen. Narben sind cooler als Warzen.  
Müllrose: ein toller Artikel!  
Undine, aktuelle Ergänzung zur Syphilis: Laut Meldung des RKI ist die Syphilis-Dynamik nach wie vor aktiv. Für das Jahr 2003 ergab sich ein bundesweiter Anstieg der gemeldeten Diagnosen um 500 Fälle auf 2932. Die höchsten Meldungsraten kamen aus Berlin und Hamburg (18,1 bzw. 12,0; der Bundesdurchschnitt lag bei 3,6/100.000 Einwohner). Dabei entfielen im Jahr 2003 geschätzte 76% auf homosexuelle Männer, insbesondere zwischen 30 und 34 Jahren (2001: 60%). Daduch zeigt sich einerseits die milieuspezifische Begrenzung der Epidemie, andererseits die anhaltende Notwendigkeit der Aufklärung über Symptome der Syphilis.  zu den Daten
Undine, Fortsetzung: Bei gleichzeitiger Syphilisinfektion steigt die HIV-Konzentration in den Körperflüssigkeiten, und damit das Risiko, andere nicht nur mit Syphilis, sondern auch mit HIV anzustecken. Durch die Syphilis bedingte Schleimhautläsionen können zudem das Eindringen von HIV erleichtern.  zum Artikel "Siffiges zur Syphilis"
M. Mühlenstein: Und jetzt würde ich gerne noch einen Zusammenhang von Kondylomen und Syphilis erläutert bekommen: dann käme mir der Kosmos der sexuell übertragbaren Krankheiten "so richtig rund" vor. Oder wäre das unwissenschaftlich, Undine?  
Undine: weiss nicht, warum es unwissenschaftlich sein sollte, nach einem zusammenhang zu fragen. aber mir fällt dazu wenig ein. nur dass, wer viel sex mit wechselnden partnern hat, eher dazu tendiert, beides zu kriegen, als der keusche mönch um die ecke.