Was nahm Theresas Sohn
mit ins Grab?


Der Verein Belgrad Pride musste den Gay Pride 2004 in Belgrad aus Sicherheitsgründen absagen. (etuxx berichtete) Nun ging der Redaktion eine weitere Nachricht aus Belgrad zu. Der Ohrenzeuge bat uns, aus Sicherheitsgründen anonym zu bleiben. Hier ist sein Bericht:

"Vjeran Miladinovic, genannt Merlinka, wurde im März 2003 im Alter von 47 Jahren in seiner Heimatstadt Belgrad ermordet. Er war hierzulande bekannt als Schauspieler in dem mit einem Teddy bei den schwulen Filmfestspielen 1995 ausgezeichneten yugoslawischen Spielfilm "marble ass".

Merlinka war eine Ikone in Serbien. Er sagte offen, was er dachte. Beides ist in Serbien nicht erlaubt. Als Transsexueller war er stets öffentlicher Diskriminierung ausgesetzt. Selbst offen als Schwule erkennbare Mitbürger werden rücksichtslos von der Bevölkerung verprügelt.

Als er in der beliebtesten Talkshow des Landes auftrat, erzählte er, dass er gerade dabei sei, seine Autobiographie, "Theresas Sohn", zu veröffentlichen. Merlinka schaffte auf den Belgrader Straßen als Transsexueller an. In seinem Buch kämen auch die Namen seiner Kunden vor, unter denen sich Politiker und Showgrößen befänden.

Seit dem 19. März wurde er von seinem Mitbewohner vermisst. Auch auf seiner Arbeitstelle erschien er nicht mehr. Tagsüber verkaufte er Eintrittskarten für das Sternbeobachtungszentrums, nachts ging er auf den Belgrader Straßen auf den Transenstrich. Auch hier tauchte er nicht wieder auf. Er blieb 45 Tage verschwunden. In dieser Zeit wurde Serbien ausschließlich von der Polizei regiert. Der letzte Präsident Jincic wurde am 14. März vor den Augen der Weltöffentlichkeit am Eingang des Parlamentes erschossen.
Jincic und Merlinka stammen beide aus Prokupge. Zu dieser Zeit griff die Polizei noch härter und gezielter gegen unliebsame Organisationen und Minderheiten durch. Sie kontrollierte das Fernsehen, den Rundfunk und die Printmedien.

Die Polizei wurde von Merlinkas Freunden bedrängt, den Sachverhalt aufzuklären. Vor allem seine längste und beste Freundin, hielt intensiven Kontakt zur Ordnungsbehörde. Sie war es, die man schließlich anrief und auf die Wache bestellte. Erst dort wurde ihr mitgeteilt, dass man die Leiche Merlinkas, vergraben im Kanalsystem, gefunden hätte. Als Slatana ihn sehen wollte, verweigerte man dies mit der Begründung, der Körper sei in einem schlechten Zustand, bis zur Unkenntlichkeit entstellt. Dennoch sollte sie seine Kleidungsstücke identifizieren. Die Polizei erklärte, dass sein Schädel mit Gegenständen traktiert worden wäre Zwei Tage später wurde er beerdigt.

Nach serbischem Recht ging die Autobiographie in den Besitz von Merlinkas Familie über. Merlinka lebte zerstritten mit seinen Angehörigen. Er hatte es verhindern wollen, dass sie in den Besitz seines Manuskriptes gelangen.

Des Mordes beschuldigt werden nun zwei gute Freunde Merlinkas. Beide sind Zigeuner und gehören somit einer Gruppe an, für die in Serbien niemand Verständnis hat. Merlinka hatte sich immer eingesetzt für die Belange seiner Freunde, die Zigeuner waren.

Das Gebiet, in dem Merlinkas Leiche gefunden wurde, könnte keinen toten Körper unbemerkt für einen Zeitraum von 45 Tagen bewahren. Es ist zweifelhaft, ob die Erklärung der Polizei wahrheitsgemäß ist. Es spielt weiter auch keine Rolle, da die serbische Polizei recht eigenständig und willkürlich vorgeht und eng mit den Gerichten verwoben ist. Auch ohne Beweise können die zwei Freunde Merlinkas mit einer Verurteilung wegen Mordes rechnen."