Sonderangebote am Gehaltstag?
über Das Pilotprojekt "JobCard" von Mario H. Kraus (aus dem scheinschlag)

here it is!

Während alle noch von Reformen reden, wird derzeit fast unbemerkt die elektronische Verwaltung (eGovernment) vorbereitet, die am 1. Januar 2006 in Kraft treten soll: Statt Lohnsteuerkarten soll es JobCards geben, also Chipkarten für 40 Millionen Lohnarbeiter. Einer Broschüre des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit zufolge sollen "die Daten sämtlicher Arbeits- und Entgeltbescheinigungen in einer zentralen Stelle gespeichert werden, um diese bei Bedarf ohne großen Aufwand sicher abrufen zu können." Die Idee ist Teil des Hartz-Pakets und soll Verwaltungsvorgänge vereinfachen - Anträge auf Arbeitslosengeld, Versicherungsmeldung, Unterhaltszahlungen, Wohngeldanträge und ähnliches: "Die JobCard wird maßgeblich zur Entbürokratisierung des Standortes Deutschland beitragen!" Alle Arbeitnehmerdaten - Einkommens-, Versicherungs- und Steuerdaten, Familienstand usw. - kommen auf einen Zentralrechner. JobCards tragen Zugangsdaten, die bei Behörden über Lesegeräte als "Schlüssel" zur Zentrale dienen. Von September 2003 bis April 2004 läuft ein Modellversuch bei Lufthansa, Volkswagen, Datev, der Bundesagentur für Arbeit, einer Steuerberatungs-Firma und der Stadtverwaltung Frankfurt/Main.

Mit einer solchen Zentraldatei wird praktischerweise gleich die Hälfte der deutschen Bevölkerung in Stammdatensätzen erfaßt. Daß das im Konflikt zu den Datenschutzbestimmungen steht, nimmt man billigend in Kauf. Und die JobCard ist keine Einzelaktion: In den letzten Monaten wurde die weitere Öffnung des Melderegisters etwa für Finanz- und Kraftfahrzeugbehörden ermöglicht, die Einführung einer einheitlichen Steuernummer (Electronic Taxpayer Identification Number: eTIN) angekündigt und die Überwachung von Kfz-Kennzeichen diskutiert. Visionen vom "Gläsernen Bürger" sind nicht neu, aber 15 Jahre technischer Fortschritt erlauben in der heutigen BRD eine viel weitergehende Kontrolle, als es die Volkszählungsgegner in der Achtzigern noch befüchteten.

Bemerkenswert ist, wer die Träger des Pilotprojektes zur Einführung der JobCard sind: neben den Behörden die Spitzenverbände der gesetzlichen Krankenkassen und die Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände. Federführend ist die Informationstechnische Servicestelle der Gesetzlichen Krankenversicherung (ITSG, siehe www.itsg.de). Da wird der Bock zum Gärtner gemacht die gesetzlichen Krankenkassen haben nun eine weitere Möglichkeit an der Hand, um ihr Kartell zu festigen. Zusammen mit der "Gesundheitsreform" kostet das die Bürger jedes Jahr immer mehr Geld für immer weniger Leistungen.

Bürokratie abbauen, Schwarzarbeit bekämpfen, Verwaltung beschleunigen, lauten die Argumente für die JobCard. In Wirklichkeit wird nur der Umgang mit der Bürokratie erleichtert. Doch einmal eingeführt, sollen die JobCards noch etwas ganz anderes leisten: "An- und Abmeldung von Beschäftigungsverhältnissen oder die Nutzung als Sozialversicherungsausweis" sowie "einen attraktiven Wettbewerb rund um die Signaturkarte". "So könnte die JobCard später einmal auch im privaten Umfeld wie zum Beispiel im elektronischen Handel genutzt werden", schwärmt das Wirtschaftsministerium. Man nimmt nicht nur die Einführung der Einheits-Sozialversicherung unter Ausschluß der Öffentlichkeit vorweg, sondern verknüpft bedenkenlos öffentliche und private Interessen. Erscheinen dann Versandhausrechnungen auf Gehaltszetteln? Ist Marktforschung demnächst in Echtzeit geplant? Schicken Firmen ihre Sonderangebote in Zukunft am Gehaltstag?