Die Ritterinnen (D 2003, 96 min, Verleih: Neue Visionen)

Eine Zeit, in der die heutigen 35- bis 50-Jährigen ihren Jugendzenit hatten, feiert nicht nur bei Oliver Geißen ihr Revival: die Achtziger. Unverklebt packt Barbara Teufel (Buch + Regie) in ihrer Mischung aus Dokumention und Spielfilm ("Die Manns" verhalfen diesem Genremix endgültig zum Durchbruch) ein Stück ihres Lebens aus: die Straßenkämpfe in Berlin beim Queen- und Reagan-Besuch sowie der Kampf gegen das Patriarchat, wo immer frau es traf.

"Echte" Interviews mit den "echten" früheren Bewohnerinnen der Fabriketage in der Berliner Ritterstaße sind zwischen den schnell umrissenen Plot der nachgespielten Teufelschen Erinnerung geschnitten: 1987, als die Polizei ein Kreuzberger Straßenfest gewaltsam beendet, wehrt sich ein Stadtteil, angeführt von "den Autonomen". "Bolle fällt." (Noch heute muss diese Supermarkt-Ruine für ultra-punke Aufrufe zu 1.Mai-Randalen als Ur-Knall herhalten). Bonni, eine Schwarzwaldjugendliche, kommt nach Berlin, bevorstehende Staatsbesuche und die IWF-Tagung lassen den Zuschauer ahnen, wohin die cineastische Reise geht. Jedes Klischee wird ab jetzt bestätigt: Riesen-WGs, Frauen- und MännerInnen-Plena. Bonni, nicht ganz unbeleckt, steigt nach jenem Westberlinbesuch bei ihrer Freundin ein, in den Autonomen-Kosmos der damaligen Zeit.


Das Private ist politisch: Veränderungen finden erst mal in der Gruppe statt: Männer raus, Schritt 1 der Patriarchats-Revolution wäre damit gemacht. Die Einsicht, dass das auch Nachteile hat (man sie sogar lieben kann), kommt erst später, zunächst mal sehen und definieren sich die lederbejackten Damen als Lesben. Penetrante Manifeste, Worthülsen, aber auch wichtige Erkenntnisse und heute zum Teil zum allgemeinen status quo gehörender Benimm werden diskutiert und erstmalig versucht umzusetzen.

Bekämpft und radikal abgelehnt wird der Kapitalismus, wo er am meisten diagnostiziert wurde. Ein klarer Sündenfall wird wahrhaftig als eine beim Sinnbild allen Bösens, einem Großkonzern (Daimler) einen Job annimmt. Das stückweise Brechen mit ihrem Selbst und ihren Ansprüchen, die eigene Veränderung wird allmählich zu einem schweren Kloß im Hals Anfang der Neunziger.

Für die, die irgendwie dabei waren, sicherlich ein beherzter, zum Teil selbstironischer Rückblick, allen anderen wird leider nicht ganz klar, weshalb der "Zufluchtsort Westberlin" so viele kritische Stimmen aufsog. Das damalige Berlin-Sog-Phänomen ist gut beschrieben, doch das Gefühl kommt nicht ganz dabei rüber. Und heute? Was ist aus ihnen geworden? Sehen sie selbst, ab 21.8. im Kino (Robert M.)