Warum funktionieren meine Beziehungen nicht?
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von Ramazan (Paderborn) [Übersetzung: Ramazan & Koray Ali Günay]
Diese Frage habe ich mir oft gestellt. Ich hatte alle zwei, drei Monate einen neuen Partner - und nach dem Ende einer jeden Partnerschaft war ich todunglücklich. Aber so schwierig die Situationen für mich waren, so sehr litten auch meine Freunde unter mir und meinen Verflossenen. Entweder rieten sie mir, endlich eine anständige Beziehung zu führen, oder aber sie sagten, ich solle die Affären nicht unnötig verlängern, wenn ich so sehr unter ihrem Ende litte. Aber ich konnte weder das eine noch das andere. Eigentlich sehnte ich mich nach einer befriedigenden, treuen und entspannenden Partnerschaft, tat aber alles Mögliche, um in Darkrooms, Parks oder Saunen in bedeutungslose und unbefriedigende Affären zu stolpern, von denen ich mir erhoffte, sie mögen mich vor irgend etwas retten. Würde es nicht so banal klingen, müsste ich ehrlicherweise sagen, dass ich erhoffte, sie sollten mich vor genau dem retten, was ich mit ihnen tat.
Ich merke nun, da ich dies schreibe, wie schwierig es ist, sich - und gleichzeitig anderen, die du nicht kennst - selber zu erzählen, wer man ist und was man erlebt hat. Bei jedem Satz frage ich mich, ob er wichtig genug oder nicht zu privat ist. Aber der Ernst des Themas, über das ich sprechen möchte, tröstet mich über diesen Zweifel hinweg. Eigentlich könnte es sowieso eine sehr kurze Geschichte werden: Ich wurde als Kind sexuell missbraucht. Obwohl es jemand von der Familie war und auch andere Familienmitglieder es wussten, wurde geschwiegen - bzw. wurde ich überredet, die Sache unter den Teppich zu kehren. Ich wurde dann zu der Schwester meiner Mutter nach Holland geschickt, sie sollte mich verheiraten. Ich vermisste die Türkei, war unglücklich mit meiner Partnerin und ließ mich nach zwei Jahren scheiden. Ich wollte alleine leben - und obwohl sie etwas dagegen hatte, intervenierte meine Familie nicht. Ich zog nach Deutschland und bemerkte meine Homosexualität. In der kleinen Kreisstadt mit wenig Möglichkeiten ging ich zum ersten Mal in die Szene. .
Später dann begegnete ich den erwähnten Problemen. So wie meine Ehe nicht funktioniert hatte, waren auch die neuen Partnerschaften immer zum Scheitern verurteilt. Auch wenn ich die Fehler immer bei meinen Partnern suchte, gab es immer etwas, das in mir war, aus mir kam; ich war derjenige, der die Beziehungen torpedierte, daran führte kein Weg vorbei. Während ich über sie schimpfte, wühlte ich eigentlich in meiner Wunde, suchte nach einer Antwort auf eine Frage, die noch gar nicht richtig gestellt worden war. Denn herausgefunden habe ich all das sehr spät. Wie viele Partner, die es wert gewesen wären, habe ich verloren, wie oft habe ich gesagt (ohne Grund): "Ich vertraue dir nicht!" Wie oft hatte ich gedroht, wie viele Herzen habe ich gebrochen… Aber wo kam das her? .
Meine Chefin, die meine Zickigkeit bemerkte und auch dass ich schnell wütend wurde, machte mich mit einem Psychologen bekannt. Bei den ruhigen Gesprächen mit ihm erinnerte ich mich auch an das, was mir in der Kindheit widerfahren war. Es war, als lägen Jahrhunderte zwischen dem Ereignis und der Gegenwart. Ich schämte mich (wie damals), ich fühlte mich schuldig (immer noch!), ich konnte nicht daran glauben, dass ich unschuldig war. Hatte nicht ich ihn dazu verführt…?.
Meine innere Wut und der Hass, der irgendwo gespeichert war, hatte ich auf alle Menschen verallgemeinert, vor allem aber auf die Männer, die sich mir nähern wollten. Ich hatte sie für etwas leiden lassen, das sie gar nicht verbrochen hatten. Als ich das erkannte, habe ich angefangen, mich selbst zu hassen. Wie viel Kraft hatte ich seit Jahren darauf verwandt, um diese Wahrheiten nicht zu erkennen. Wie viele Ausreden hatte ich gefunden, um mich nicht mir selbst beschäftigen zu müssen. Wie stark war ich gewesen, in wie vielen Streitereien hatte ich meine eigenen Probleme auf andere projiziert und dann bei ihnen verurteilt… Dieses Kaputte und Wirre in mir gefiel mir andererseits aber auch. Unnötige Worte, Ausreden, Streitereien sollten ein Ende finden; vielleicht würde ich sogar glücklich werden. Aber ich fürchtete auch, dass es nicht ausreichen würde, all dies verstanden zu haben, um ein schöneres Leben zu haben. .
Um es kurz zu machen (und dies hier hätte noch viel länger gehen können!): Ob das, was mir angetan wurde, auch meine Zukunft verdüstern wird, hängt von mir ab. Ich habe gemerkt, dass das zerstörerische Verhalten in meinen Beziehungen eigentlich meine Selbstzerstörung ist. - Und ich möchte zukünftig auf dieses Spiel verzichten. Dass ich über alles gesprochen habe, was in der Vergangenheit liegt, wurde mir zu einem neuen Anfang. Ich habe mich mit allen meinen Exfreunden getroffen, die ich noch erreichen konnte, und am Ende beschloss ich, dass der Psychologe recht gehabt hatte: "Die Wiederholung dessen, was passiert ist, auch wenn sie nur im Gespräch stattfindet, befreit dich vom ersten Mal, das du nicht bewältigt hast." Es war wirklich so. Jetzt brauche ich nur noch einen Freund, mit dem ich ihm und mir beweisen kann, dass ich es wirklich verstanden habe…!.
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