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Eine Freundin aus der etuxx-Nachrichtenredaktion wollte doch neulich nachplappern, was eurogay berichtete. Die neue Schwulenseuche sei im Anmarsch. Leider sind in Zeiten von AIDS unsere Schwulengazetten - um in der gleichen Terminologie zu bleiben - von einem Virus infiziert, der zwar virtuell bleibt, aber ein folgenschweres Krankheitsbild auslöst: das Gay Panic Syndrome. Kommen jetzt die ganz fiesen Superbugs?
MRSA steht für «Methicillin resistenter Staphylokokkus [=«staph»] aureus». Das ist keine Krankheit, sondern ein gegen ein Referenzantibiotikum resistent gewordener Hautkeim. Man könnte auch «multiresistent» sagen, das ist intuitiv verständlicher. Ich und ihr, wir haben alle Staphylokken auf der Haut. Ausser wir haben gerade in Alkohol gebadet. Deshalb heisst die grösste Untergruppe auch «Staphylokokkus [=Haufenkugel] epidermidis [Epidermis=Haut]». (Bei den Bakterien gibt es grob gesagt je nach Form entweder kugelförmige=Kokken oder stäbchenförmige=Bakter oder Bazillus. Naja, und noch ein paar mehr wie den Syphillis-Erreger, der sieht mehr so aus wie ein kleines Würmchen).
Eine andere Untergruppe ist der Staphylokokkus aureus. Das ist der Keim, der unter anderem die Abszesse macht. Er kann Substanzen absondern, die bestimmte Gewebebestandteile «einschmelzen» und deshalb bildet sich, wenn dieser Keim irgendwie unter/in (nicht auf) die Haut gelangt, durch Mückenstich, Fusspilz, Ekzem oder andere Hautschäden, eine Eiterbeule: ein Abszess. Abszesse werden jedoch in der Regel nicht antibiotisch, sondern chirurgisch behandelt, weil der Abszess im Prinzip eine alte Suppe ist, die nicht durchblutet wird, und daher das Antibiotikum nicht dort ankommt, wo es wirken soll. Das heisst man schneidet das Ding lieber auf und lässt den ganzen Schmodder abfliessen.
Was ist jetzt das Problem mit MRSA? Das Problem liegt in der Art und Weise, wie resistente Keime entstehen. Nämlich durch unsachgemässen Antibiotikagebrauch. Das heisst: an falscher Stelle, beim falschen Keim, zu kurz oder mit zu geringer Dosis. Eine der weltweit höchsten MRSA-Raten gibt es in den USA (bis zu 70% aller Krankenhausisolate, zum Vergleich ca. 10% in der BRD). Schon ein kurzer Schritt über die Grenze nach Kanada lässt diese Rate massiv absinken. Das hat mit der Verschreibungspraxis von Antibiotika in den USA zu tun, wo sich eine unglaubliche Erregerpanik auf Seiten der PatientInnen mit einer unglaublichen Klagepanik auf seiten der ÄrztInnen paart. Anstatt jedoch sinnvolle gesundheitspolitische Kritik zu üben, beschränken sich Gazetten wie The Advocate oder Eurogay auf alberne Panikmache.
Denn es ist nicht so, dass nur weil ein Keim wie Staphylokokkus aureus gegen verschiedene chemische Substanzen resistent wird, plötzlich unser Immunsystem nicht mehr weiss: wie mit dem Teil fertig werden? Unserer Abwehr ist es egal, ob ein Bakterium gegen Methicillin resistent ist oder nicht. Ein Problem besteht nur dann, wenn ein immungeschwächter Mensch (zum Beispiel weil alt und im Krankenhaus) diesen Keim irgendwo hinbekommt, wo er nicht hingehört. Denn auf der Haut macht der resistente Keim genauso wenig Probleme wie sein nicht-resistenter Bruder. Wer aber solch einen Erreger über z.B. einen Katheter in die Harnwege (beim SM-Sex oder im Krankenhaus) bekommt, hat dann das Problem, dass er ihn nur noch mit einem von zwei Reserve-Antibiotika wieder loswird. Dann wird aus dem kleinen Problem ein grosses, nicht nur weil das Zeug schweineteuer ist, sondern weil es viele Nebenwirkungen hat und bereits einige Kokken auch darauf nicht mehr reagieren.
Dass MRSA die neue Schwulenseuche sein soll, ist also in einem doppelten Sinne falsch. Erstens ist MRSA ein resistent gewordener Erreger, keine Krankheit, auch keine Hautkrankheit und schon gar keine Seuche. Zweitens werden nicht in erster Linie Schwule betroffen (so ein Kugelbakterium vermehrt sich ganz asexuell durch Zweiteilung und hat so gar keine Ambitionen ausgerechnet auf Schwule...), sondern jeder hat Staph. aureus, und jeder kann auch resistente Staph. aureus haben. Nicht für Schwule ist das ein Problem, sondern für Immungeschwächte. Oder für Leute, die sich Dinge unsteril in Körperöffnungen stecken, in die nichts Unsteriles gehört (damit meine ich die Harnröhre).
Wer des englischen mächtig ist und noch mehr Hintergrundinformationen haben möchte, sei auf die Homepage der unsympathischen US-Seuchenbehörde CDC (centers for disease control) verwiesen.
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