"indymedialer" und "ägyptischer" Blick auf den "WowereitCSD" 2002
von Rückspiegel


Das mit der Außenwirkung ist ja so eine Sache. Auf Indymedia (böse Zungen nennen es auch Pöbelbude No. 1, nicht wegen der "Berichterstattung von unten", sondern wegen der gelegentlichen Kommentare) hatten nach der Veröffentlichung von CSD-Ku-damm-Bildern einige schnelle Zungen folgende Kommentare zum CSD-Jubel bereit:

   
   
Von: ohne Namen
Leute in albernen Verkleidungen toll...

Von: Wildschwein
Klasse! Eine Fanseite für Klaus Wowereit! Der nebenbei alle sozialen und fortschrittlichen Projekt weg spart! Herzlichen Glückwunsch. Nebenbei: Seit Mitte der Neunziger die politische, bzw. kritische Fraktion des CSD seitens der Komerzläden in der Motzstrasse, allen voran seitens des Mann o Meters, 'rausgedrängt wurden, kann auch ein FDP-Spaß-Wagen vor dem Hintergrund der aktuellen Antisemitismuskrise nur gutes bringen. Warum hatte Möllemann keinen Redebeitrag? Das Leben kann doch so spassig sein... :-D

Von: Queer
Es ist doch schon eine Blödheit hier Bilder vom Kommerz-CSD reinzustellen, wenn gleichzeitig ein linker, emanzipatorischer CSD in Kreuzberg stattgefunden hat! Interressiert euch linke, queere Politik überhaupt, oder nur "gut so" Wowi und "lustige" Transen mit "schrillen" Outfit? (obwohl Wowereits T-Shirt klasse war!) Das diese Gesellschaft heterosexistisch ist, macht einen Homo-Karneval noch nicht zu einer emanzipatorischen Veranstaltung.

Ganz anders sah Fahmi Huwaidi den Christopher Street Day. Er ist Kolumnist der ägyptischen Tageszeitung
al-Ahram. Huwaidi zählt zu den renommiertesten Journalisten der al-Ahram und vertritt innerhalb der Zeitung sogenannte gemäßigt islamistische Positionen. Er berichtete über seinen Berlinbesuch anläßlich einer Konferenz der Friedrich Ebert Stiftung zum 50. Jahrestag der Juli-Revolution in einem längeren Artikel über seine Erlebnisse auf dem Christopher Street Day in Berlin und gibt seine sogenannten islamistische gemäßigte Sichtweise über anti-amerikanische Stimmungen in Deutschland und die Möllemann-Affäre wieder. Der Artikel erschien am 30. Juli 2002. Hier der auf Grund der Länge, um den allgemeinen, den Bush- und Möllemann-Teil gekürzten Artikel: (ganzen Artikel bei MEMRI lesen)

   
   
"Zwei Reisen, die zeitlich und räumlich aus der arabischen Welt herausführen. Die erste nach Deutschland, die zweite nach Aserbaidschan, beide, um an Konferenzen teilzunehmen, die nichts miteinander zu tun hatten. Gemeinsam war beiden Reisen [die Erfahrung], dass das, was ich in den beiden Hauptstädten sah und hörte, wichtiger war als das, weshalb ich gekommen war und wozu man mich eingeladen hatte. Auch wenn das, was ich sah und hörte, wie üble politische und kulturelle Nachrede klingen mag, so gab es doch einige Szenen, die uns fremd sind, von deren Kenntnis wir aber - und sei es nur in touristischer Hinsicht - profitieren können.
(1)
Nach Deutschland reiste ich, um an einer Konferenz der Friedrich Ebert Stiftung anlässlich des 50. Jahrestages der Juli-Revolution [in Ägypten] teilzunehmen. Die Friedrich Ebert Stiftung ist eine von der Regierung geförderte Institution, die der regierenden [sozial-] demokratischen Partei nahe steht und in Ägypten und einigen anderen arabischen Ländern zahlreiche Projekte betreibt. .... Das Ereignis war nicht spannend, sondern ähnelte den gewöhnlichen kulturellen und künstlerischen Veranstaltungen, auf die kurz in jeder Tageszeitung hingewiesen wird. Was allerdings wirklich interessant schien, war das, was ich außerhalb des Konferenzsaales sah und hörte.

(2)
Es war zweifellos Zufall, dass die Konferenz zeitlich mit einem Fest der Schwulen [*] in Berlin zusammenfiel. Ebenso war es mit Sicherheit Zufall, dass das Hotel, in dem wir untergebracht waren, nur einige Schritte vom Ku'damm, auf dem das Ritual dieses großen Festes stattfindet, entfernt lag. ‚Schwul' ist eine Bezeichnung [für Homosexuelle], die ich verwende, eine Bezeichnung, die wir benutzen. Hingegen nennt man sie im Westen ‚Homosexuelle'. Schwule erkennen die geschlechtlichen Unterschiede nicht an und begreifen sich selbst als höheres Geschlecht, da sie sich über die Ordnung stellen, die die Menschen seit Ewigkeiten kennen und mit der die Menschen zwischen Männer und Frauen unterscheiden.

Als wir unser Gepäck ins Hotel brachten, vernahmen wir von draußen lauten Lärm, eine Mischung aus lauten Liedern mit afrikanischen Rhythmen. Zwischen den lärmenden Liedern, deren Echo im Himmel der Stadt widerhallte, einem ohrenbetäubenden Geschehen, wurde uns gesagt, es fände ein Festival statt, zu dem sich die Leute versammelten. Der Lärm machte mich neugierig und ich ging auf die Strasse, um die Sache zu ergründen - und ich sah Erstaunliches. Die Strasse war von der großen Menschenmenge gefüllt und versperrte beinahe die Sicht. Die meisten gingen zu Fuß, während einige auf großen verzierten LKWs mit Verstärkern auf den Ladeflächen standen. Die Mitfahrer auf den LKWs sangen und tanzten fast nackt, ihre Gesichter bedeckt mit Schminke, und winkten der Menge, mal mit der Hand, mal mit einer Flasche Bier.

Ich verstand nichts von dem, was ich sah und kam mir vor wie ein Landei, das sich zum ersten Mal im Herzen der Stadt wiederfand. Mein Begleiter Walid bemerkte die Verwirrung in meinem Gesicht, neigte sich an mein Ohr und flüsterte: ‚Diese - Verzeihung - Schwulen feiern ihren Jahrestag.'

Diese Art von Menschen hatte ich zuvor noch nie gesehen und ich begann, die Vorbeiziehenden anzustarren, um besser zu sehen. Vor uns ging ein schmächtiges Mädchen mit verziertem Gesicht und einem Schild. Walid beugte sich erneut an meine Ohren und sagte: ‚Das ist einer von einer Gruppe, die Arbeitskleidung tragen.' Ich glaubte nicht, was ich hörte und sah, hielt aber meine Verwunderung zurück und begann über das nachzudenken, was meine Augen gesehen hatten. Ich bemerkte eine Gruppe von Fotografen und Mitarbeitern von Fernsehsendern, die gekommen waren, um den Marsch zu verfolgen und die Ereignisse zu dokumentieren. Ich erschrak bei dem Gedanken, mein Bild könnte in der Menge auf dem Bürgersteig zu sehen sein, eine Vorstellung, die Beunruhigung, nicht Angst auslöste. Aber ich beruhigte mich - ein wenig -, da Gott sei Dank meine Frau an meiner Seite stand, weshalb meine Unschuld anzunehmen wäre. Gott stärke Euch und schütze Euch vor Anschuldigungen!

(3)
Die Idee der Konferenz kehrte in meinem Geiste zurück, da die Szene in mir viele Fragen auslöste, die für die Verwirrung eines Landeis standen, der sich erst vor kurzem in der Stadt niedergelassen hatte. Meine beiden Kollegen Walid al-Sheikh und Nadji Abbas, die als Korrespondenten in Berlin leben, halfen mir zu verstehen, was ich bisher nicht kannte. Das, was ich hörte, war viel schändlicher als das, was man sich in unseren Dörfern so vorstellt.

Die Schwulen sind zu einem ganz gewöhnlichen Phänomen in der Gesellschaft geworden, sie haben starke Institutionen und Organisationen und Aktivitäten in Europa und den USA. In einigen Berufen werden sie sogar vorgezogen und in der Werbung werden sie als Käufer bevorzugt, in großen Kaufhäusern beispielsweise, von denen sie als besonders schicke Kunden geschätzt werden. Ihr Auftreten in der Werbung zieht die große Zahl [der Homosexuellen] an, die auf vier der 80 Millionen Einwohner Deutschlands geschätzt wird.

Ich erfuhr, dass der Bürgermeister von Berlin einer von ihnen ist - der Bürgermeister der Hauptstadt des Landes und des wichtigsten Bundeslandes in Deutschland, einer Stadt, die dafür kandidiert, die Hauptstadt eines zukünftigen vereinigten Europas zu werden.

Er ist eine wichtige Persönlichkeit in der regierenden sozialdemokratischen Partei und heißt Klaus Wowereit. Der Mann erklärte sich einige Tage nach seiner Wahl, um der Presse und den Medien den Wind aus den Segeln zu nehmen und damit es nicht so erscheine, als ob er die Angelegenheit vor den Leuten verberge. In der Folgezeit veröffentlichten einige populäre Zeitungen das Bild seines Freundes und berichteten, dass Wowereit zur Zeit des Deutschlandbesuches von Präsident Bush seinen Jahresurlaub mit seinem Freund zu verbringen beabsichtigte. Er verschob die Reise angesichts des großen politischen Druckes, dem er ausgesetzt war.

Nachdem der Bürgermeister Berlins seine Identität offen gelegt hatte, diskutierten die Medien die Rolle der Schwulen im politischen Leben. Die beiden größten deutschen Wochenzeitungen, Der Spiegel und Focus, stellten die Frage, ob Schwulsein ein Nachteil bei einer Bewerbung im politischen Bereich wäre. Und der Spiegel fragte, ob der deutsche Bundeskanzler eines Tages ein Schwuler sein könne. Die Antwort der Mehrheit war: ‚Warum nicht?' Wenn die Heirat zwischen Schwulen und die gegenseitige Erbschaft wie in Holland, Deutschland und anderen Ländern gesetzlich erlaubt ist, dann sei es ungerecht, das Schwul-Sein später zu bestrafen. Es sei daher das Recht eines jeden von ihnen, Präsident von Deutschland zu werden. In diesem Fall müsste sich das Protokoll auf die Situation einstellen, in der der Freund des Präsidenten die Position der First Lady einnimmt.

Ein Blick auf jene, die die Tätigkeit eines Schwulen als Kanzler ablehnen, macht deutlich, dass sie meistens zur christlichen oder extremen Rechten zählen. Von Seiten der Schwulenverbände und Menschenrechtsorganisationen wird ihnen Rassismus, reaktionäres Denken und Fanatismus vorgeworfen. Die Schwulenverbände und Menschenrechtsorganisationen bekräftigen immer wieder die absolute Freiheit der Individuen und den absoluten Schutz dessen, was sie tun, und lehnen die Erzwingung von festen Werten - welchen Ursprungs auch immer - für den westlichen Bürger ab.

Im Rahmen dieser Aufklärung [über das Geschehen] erfuhr ich auch, dass der Feier der Schwulen eine andere folgen würde. An diesem Fest, das Loveparade genannt wird, nehmen bis zu anderthalb Millionen verliebte Jungen und Mädchen aus allen Ecken Europas teil. Die Teilnehmer an diesem Festival feiern mit Tanz und Gesang, mit und ohne Kleidung.

Um mir noch mehr zu erklären wurde mir gesagt, dass die Gerichte in Berlin auch die Ausrichtung eines anderen Festivals gestattet hätten, die ‚Verkehrsparade' [?] genannt wird. Bei diesem Festival versammeln sich die Jungen und Mädchen ohne jegliche Anmeldung [der Veranstaltung] und praktizieren öffentlichen Geschlechtsverkehr auf einer der wichtigsten der Straßen Berlins.

Als ich dies hörte, sagte ich, das ist das, was auch die Tiere machen, wobei die Tiere immer noch besser als die Schwulen seien, da wir wenigstens nichts darüber wüssten, ob Tiere - egal ob Männchen oder Weibchen - mit Gleichgeschlechtlichen verkehren würden.

(4)
zu dem Bush-Besuch

(5)
die Möllemann-Affäre

(*) Huwaidi verwendet den geläufigen Begriff shazz, der wörtlich anormal, unregelmäßig oder unnatürlich bedeutet. Da sich diese Bezeichnung nicht notwendig auf sexuelle ‚Andersartigkeit' bezieht, spricht er an einigen Stellen auch von shazz djinsi, von sexueller Anormalität. Der Begriff ist pejorativ, die Übersetzung mit dem Begriff Schwul ist daher nur eine Annäherung an die abwertenden Konnotationen des Begriffes.

die deutsche Übersetzung stammt von:
   
   
THE MIDDLE EAST MEDIA RESEARCH INSTITUTE, möchte mit seinen regelmäßigen Veröffentlichungen eine zusätzliche Perspektive zum tieferen Verständnis der Entwicklungen und Konflikte in der Region des mitteleren Ostens beitragen.


Alexis: hm, also verglichen mit der Seite damals von blue mit ihrer genialen Patriarchatskritik nehmen sich doch die Kommentare geradezu zahm aus...  siehe dort
paul: huiiii was soll dazu gesagt werden? langsam bin ich heiß auf einen tanz mal queer und antisemitismus zu diskutieren. wer ideen dazu hat möge sie schnell posten. in mir verbreitet sich eine leichte ratlosigkeit. und dann noch: wenn der offizielle csd immer noch so viel staub aufwirbelt, ist das doch ein ganz gutes zeichen.  
javier: Ich habe einen Sprecher der "Christlichen Freunde Israels" gefragt, was sie über den Jerusalemer CSD denken. Die Antwort ist Teil eines längeren Artikels:  'Christen für Israel' segnen Außenminister
aufgeschnappt: Memri sei angeblich nicht ganz neutral bei der Auswahl seiner übersetzten Artikel. Das behauptet Brian Whitaker in GUARDIAN. Die Darstellung der islamische Länder als intolerant, antiwestlich extremistisch könnte dazu dienen, der westlichen Welt bei einer Entscheidung zu einem Krieg behilflich zu sein.  Guardian
auch aufgeschnappt: dem Gerücht gingen auch x-berg-Redaktösen nach:  x-berg-Redaktösen im Trialog
p87zed: Die Vorwürfe des GUARDIANs und ein entsprechender Hetzartikel des Autors gigi auf x-berg.de, MEMRI sei singemäß a.)eine rechte, pro-israelische Lobby-Einrichtung und biete b.)eine einseitige Auswahl von Übersetzungen, um die arabische Welt in ein schlechtes Licht zu rücken, wurde von 2 MEMRIstInnen zurückgewiesen. "Wir versuchen, ein möglichst breites Spektrum an Positionen aus der arabischen Welt anzubieten, können aber nichts herbeizaubern, was uns nicht zur Verfügung steht."  ganze Stellungnahme
Leo: In dem x-berg-Artikel wird von einer "Monopolstellung" von MEMRI phantasiert. Unfug. MEMRI ist die Ergänzung zu einer ganzen Reihe arabischer Medien, die selbst englischsprachig publizieren. Um bestimmte Probleme in der islamischen Zivilisation sehen zu können braucht es kein MEMRI. siehe z.B.:  ArabNews: "Three beheaded for homosexuality"