Liebesfilme
Unsere Bedürfnisse und unsere Vorstellung darüber, wie eine Beziehung sich entwickeln wird, haben natürlich einen grossen Einfluß darauf, von wem wir uns angezogen fühlen, was wir erwarten und wie wir reagieren. Von einem gewissen Herrn Professor Sternberg (1998) und seinen Studenten kommt die wunderhübsche Theorie, dass Beziehungen Liebesfilme sind, in denen jeder seinem eigenen Drehbuch folgt.

Damit eine Beziehung funktioniert, so die Theorie, müssen die beiden Liebesfilme kompatibel sein, — entweder durch ähnliche Motive (zum Beispiel zwei Menschen, deren Beziehung auch ein Projekt für die Öffentlichkeit ist), oder durch komplementäre Motive ( wenn zum Beispiel ein selbstsicherer Mensch einem Schüchternen hilft ). Die grössten Probleme, so weiter, ergeben sich jedoch bei zwei gleichen Filmen - weil dann jeder im anderen plötzlich die Schwächen des eigenen Drehbuchs entdeckt.

Man wundert sich zwar über die fidele Wissenschaft, aber es macht Spass, sich die Liste der Liebesfilme anzusehen, die Sternberg und seine Studenten aufgestellt haben, und dabei die eigenen Reaktionen zu beobachten: ...diesen Film habe ich schon mit meinen Freunden gesehen ... In dem da habe ich schon mitgespielt... Filme wie den mag ich überhaupt nicht... Oh, und der Film hier kommt als Remake zweimal im Jahr... Mit mir in der Hauptrolle ...

Ist dein Beziehungs-Drehbuch unter der Liste der populären Filme?

  • Liebe bedeutet für dich, für einander andere Dinge aufzugeben (Das Opfer)

  • Der Inspektor überwacht den Verdächtigen (Polizeifilm)

  • Deine Liebe sollte eine niemals langweilige Reise sein (Reisefilm)

  • Liebe bedeutet für dich, ein aufregendes Sexleben miteinander zu haben (Gutenachtfilm)

  • Zur Liebe gehören jemand, der sich hingeben kann, und eine starke Persönlichkeit (Der Dominator)

  • Deine Liebe bedeutet, einer Person mit schweren Problemen aus der Krise zu helfen (Heiligenlegende)

  • Deine Liebe fordert wie ein Garten Pflege, häufiges Giessen und gelegentliches Jäten (Naturfilm)

  • Deine Liebesbeziehungen sind wie Arbeitsbeziehungen, jeder hat hat dabei bestimmte Pflichten zu erfüllen

  • Irgendwo wartet ein Prinz auf dich in ewiger Leidenschaft (Fantasy)
    .
  • Mit einander Streiten und um einander Kämpfen findest du aufregend, lustig und gesund (Kriegsfilm)

  • Humor findest Du leichter und besser als ensthaftes Probleme-Wälzen (Comedy)

  • Je mehr schöne Menschen du abschleppen kannst, desto besser (Splatter)

  • Deine Liebe: der eine verdient gerne Geld - der andere gibt es gerne aus (Wirtschaftskrimi)

  • Du wirst von ungewöhnlichen, verrückten, wilden Liebhabern angezogen (Science Fiction)

  • Deine Welt ist eine Bühne. Und du liebst es, darauf zu schauspielern (Theater-Verfilmung)

  • In welchen Film würdest du dich gerne mal trauen, wenn dich jemand mitnimmt?
    Und vor welchem Film kannst du nur warnen?

    Catch-A-Sperm: Mein horrorfilm (können das alles horrorfilme sein?) :science-fiction. dabei kenne ich total nette leute, aber wenn irgendwas fremdes aufregendes vorbeischwebt, muss ich da ran. und wenn das dann leute sind, die eben wirklich wild und aufregend sind, dann müssen sie bald weiter. Zusammenhocken ist ja nicht aufregend. Wenn sie also nicht gehen wollen, dann schick ich sie notfalls weg, mit einem kleinen drama, so bleiben sie wenigstens aufregend.  
    Catch-A-Sperm: und wenn sie dann weit genug weg sind, sind sie auch wieder aufregend. ist das das nicht eher eine fernsehserie als ein film, 1 muster in 345 variationen?  
    About_a_boy: Gibts da auch Hassfilme?  
    ???: ich verstehe die art hier zu sprechen nicht, wer redet hier mit wem? wer stellt wem welchen film vor? wer vergleicht hier wirklichkeit mit film? dieses diskussion ist wirr? oder ich? was soll die scheisse?  
    nickname_xyz: Auch wenn mir zu diesem Artikel erstmal kein Kommentar einfällt: ich finde diese Art, über Beziehungen nachzudenken, ganz amüsant. Und vielleicht auch hilfreich in einer schwulen Linken, die sich bis heute kein Instrumentarium erarbeitet hat, um ihr primäres Bedürfnis zu diskutieren.  
    nickname_xyz:: Ich weis auch nicht, wie Mann über Beziehungen diskutieren kann. Aber aus ihnen so einen von jeder Diskussion ausgenommen Popanz zu machen, wie das unter politisch engagierten schwulen Männern der Fall ist, das scheint mir mit repressiv noch schwach umschrieben.  
    nickname_xyz::: In Sex und Politik ist jeder abseitige Denkansatz, jede noch so randständige Detailanalyse willkomener Anlaß zu heissen Diskussionen - sobald Gefühle thematisiert werden, verwandelt sich die politische Schwuchtel in eine Karrikatur von einem Mann. Ein Zitat aus der ansonsten verdienstvollen Zeitschrift Tuntentinte22: "während einige kein interesse an der Auseinandersetzung mit gefühlen .. hatten.. hielten einige [diese] durchaus für wichtig, wenn auch aus dem Gefühl heraus keine politische Einschätzung und Strategie entwickelt werden könne."  
    nickname_xyz:::: Das als Beispiel für organisierte Abwehr. Wenn die Gefühle nicht Ausgangspunkt der Einschätzung sind, dann bleibt die Reise doch ein hilfloses Umherirren in Strategiedebatten. Und von da aus ist es dann nur noch ein kleiner Schritt bis zur Verteidigung des Männerpanzers.  
    Lore: Mir fällt immer wieder auf, wie sehr Beziehungen in linken schwulen Kreisen ins Private abgedrängt werden. Da ist schnell von Pärchenterror die Rede. Es gilt als unfein, eine Zusammengehörigkeit nach außen zu dokumentieren und sich die Solidarität seines Umfeldes zu wünschen. Warum beteiligen sich linke Schwule daran, schwule Beziehungen zu torpedieren?  
    lemmi@lore: weil der trugschluss in bäh-bäh-patrirchat = ehe = homoehe = homopärchenscheisse zwar auch stimmt, der umkehrschluss, das ein enges füreinandereinstehen, zuwievielt auch immer, aber auch zu ZWEIT, auch etwas schlechtes sein muss, nicht stimmt, aber immer durcheinander gebracht wird. ein in der welt rumficken kann auch heissen monogam zu zweit im kopf & im leben dazustehen, niemand behauptet auf vertraglich geregeltem ewig. links schaut jede gut funktionierende beziehung mit den verächtlichen (homo)ehe augen an, darunter könnte immer der muff von 1000 jahren sitzen ... .  
    lemmi@lore: und nicht zu vergessen: freundInhaben bedeutet auch manchmal verzicht für die gemeinschaft, evt. auch als 2er beziehung - und schon wieder dieser pärchenverdacht, alarmglocken ...  
    qwertz@nickname_xyz: Bevor ich dich/deinen Beitrag kritisiere, ein Verständnisfrage: was meinst du mit "primäres Bedürfnis"?  
    nickname_xyz: Das Bedürfnis nach einer engen Zweierbeziehung  
    Freundschaft feiern: Komm zum  4. Festival der Freundschaft
    Das Instrumentarium linker Beziehungs-: Kritik besteht durchaus. Es verortet Neid und Angst, Eifersucht und Verlustängste als Unterdrückungsmechanismen in demjenigen, der sie fühlt. Es preist auf der anderen Seite nahezu jeden sexuellen Akt als Akt der Befreiung (erst seit neustem etwas eingeschränkt durch die Vergewaltiger/Pädo-Debatten). "Hol dir, was du brauchst.." "Wer zweimal mit dem selben pennt..."  
    Linke Beziehungskritik ...: Das einzig geschätze Gefühl in einer Beziehung war Leidenschaft, alle anderen sind unter "Frust" zu subsumieren. Was sogar soweit ging, das die Abwesenheit von Leidenschaft als Zeichen einer repressiven Beziehung gedeutet werden konnte.  
    Ob man das nun mag oder nicht,: das sind noch immer die unausgesprochenen Eckdaten unserer (öffentlichen) Beziehungsdiskussionen - Gruß//quertz  
    quertz: (Mit "unserer" meine ich jetzt linkes, kritisches Gruppenvolk.)  
    nickname_xyz@quertz: Was du beschreibst, bestätigt für mich nur, das hier Modelle als Regieanweisungen (um mal im Bild des Artikels zu bleiben) zum Tragen kommen, die immerhin schon 40 Jahre alt sind und nie kritisch hinterfragt wurden. Vor allem gibt es keine Kritik zur Heteronormativität dieser Beziehungsspielregeln. Unter Schwulen, wo im Prinzip jeder mit jedem auch eine erotische Komponente abzuklären hat, wäre ein differenzierters Instrumentarium nötig. Zum Beispiel gibt es unter Heteros nicht dieses Netz aus Freundschaften, die aus Ex-Beziehungen hervorgegangen sind. (Die positive Bewertung von Leidenschaft würde ich allerdings verteidigen ... :-)...)  
    jörk: im grunde beweisen diese regieanweisungen nur, wie wenig sich die menschen mit eigenen, selbstgemachten entwürfen auseinandersetzen. arme welt. arme menschen. meine virtuelle realität hat sich leider auch darin sehr lange erschöpft. erst nach leidigen erfahrungen traue ich mich nun, eigene drehbücher zu schreiben. und der traum ist für mich eine mischung aus den besten komponenten.  
    quentin: Genau! Crossover! Nach 15 Trash-Versionen kommt dann der Durchbruch!