01.Postertapete
Man verliebt sich in ein Bild. Aber dann ist es ja meist schon zu spät. Selten in eine Handlung. Fast nie in etwas Akustisches. Wir standen in der Washingtonbar einer Gruppe im weg. Die lachend aus dem Kickerraum kam, dem Kickerraum. Auf dessen Tür eine Postertapete klebt und das Lachen. Auf einem schon einmal, schon oft gesehenen Gesicht. Traf mich ins Mark! Nicht weil es so schön war sondern weil es eben so schön war. Daß es gerade vor mir auftauchte. Das Lächeln auf diesem Gesicht. Hängt wie eine Postertapete an der Wand meines Bewusstseins. Und ich vermute eine Tür dort, wo gar keine ist. In meinem Kopf in meiner Bar.  
02. Käsebrot
Ich war mal in den Bassisten von "kolossale jugend" verliebt, der hetero war wie nur was. Ich war der einzige zahlende Gast im Underground in Köln. Hinterher schliefen wir auf einem Matratzenlager, und die ganze Nacht stank es. Ich war vorher ohne es zu merken in ein Käsebrot getreten - wie oft im Leben tritt man in ein Käsebrot? Alles ging schief. Am nächsten Morgen stellte ich eine Tüte Brötchen hin und haute ab. Der Schlagzeuger, nicht der Bassist, wollte mich später mal zum Essen einladen. Aber da war ich nicht mehr verliebt und es war mir unangenehm. Manchmal denke ich daran, wenn ich "Die Sterne" höre. Da spielt er heute. Der Schlagzeuger. Nicht der Bassist.  
03.Lebenserfahrung
Ein deutscher Ingenieur, der 25 Jahre bei Daimler-Benz in Südafrika beschäftigt war, sitzt neben mir an einem Berliner Tresen und zieht folgendes Fazit: "Ich habe nichts gegen Schwarze, aber sie sind völlig verschieden von uns. Wenn ein Schwarzer in ein Hotelzimmer kommt, wird er dort ein Lagerfeuer machen und in die Ecke scheissen. Er kann nichts dafür; so ist eben seine Natur. Das muss man verstehen lernen!".  
04.Spätnachmittag
Mit 19 nahm ich LSD ohne Ende. Ich wollte mich irgendwo hin ballern. Am liebsten auf den roten Mars. Ich schmeiße also einen Trip mit Kalli, einem Freund, und er klappt einfach weg. Liegt in sich gerollt auf der Matratze, will nicht mit mir sprechen. - Ich gehe aus dem Haus, norddeutscher Spätnachmittag , Gelb und Blau am Himmel, ich gehe über die Straße. Und die Menschen, die ich sehe.. sind Skelette! Ich konnte ihre Skelette sehen. Ihre Schädel. Ihre Knochen Ich sah sie wirklich.  
05.Knochengefängnis
Ich erkannte: der ganze Zirkus um Herz und Schwanz und Haut, ist nur fauler Zauber. Unser Fleisch ein Kostüm. Eine Vorspiegelung. Um die schreckliche Wahrheit über uns vor uns zu verbergen: ein grämliches Bewußtsein, winzig in seinem Knochengefängniss, das sterben wird. Und ich erkannte auch: ich brauche kein LSD, um auf den Mars zu kommen.  
06.fortdauernde verkrampfungen
im fürther jüdischen museum (getragen von der kommune, nicht von der jüdischen gemeinde) läuft grad ne ausstellung, in der eine jüdische künstlerin versucht, auf ironische weise die klischees zu entlarven, die deutsche gutmenschen und klezmer-fans ans judentum herantragen. reaktion der repräsentanten jüdischer gemeinden in ganz deutschland: der museumleiter ermögliche antisemitische propagande a la "stürmer". verstehe da einer die welt noch! ist antisemitisch, wer platten philosemitismus enttarnt? mausebär, hilf!  
07.Gefahrenwarnung!
Eine Sache, die ich nicht vergessen kann: einmal tanzten wir, Leute von der schwulen Baustelle, völlig losgelassen in Fummeln und Röcken auf einem Hamburger Strassenfest. Später dann drehte einer von uns mit seinem Bruder den hirnverbrannten Mackerfilm "Oi-Warning". Hat eigentlich schon mal jemand darauf hingewiesen, das beim Sprengen von Geschlechterrollen schreckliche Verstümmelungen entstehen können?  
08.Freibank1
Ich tanze auf der Stelle, den Kopf in einen Strahler gedreht. Um über den toten Punkt wegzukommen. Zwei Typen pissen gegen eine Schwarzen in Bauplane. Ein Bodybuilder schüttet Koks auf eines anderen Uhr. wie backpulver (ich hab noch 5 mark, das ist ein red bull und die Heimfahrt) Die Barebackstute lässt sich fisten von einem Typen, der eine Rolle Klopapier am Hosenbund trägt. Und du willst unbedingt zugucken.  
09.Freibank2
Licht geht in die Schädeldecke. Und im Rachen wieder raus. Licht geht in die Stirn. Und im Nacken wieder raus. Licht geht in die Brust. Kommt am Kreuz wieder raus. Aber ich bin dir dankbar. Und manchmal finde ich dich auch toll. Aber meistens nicht. Zuhause kommt es mir immer, wenn du mit einer Augenbraue auf George Clooney machst.  
10.beobachtung zweiten grades
manchen etuxxen scheint die welt nur unter drogeneinfluss seltsam und fremd vorzukommen. seltsam. befremdlich.  
11. schreibe und höre
gestern haben sie auf deutschlandradio ne alte sendung von 1968 ausgegraben. da liest gisela elstner, die böse, böse, böse romanproduzentin, aus ihrem buch 'der nachwuchs'. böser, böser, böser text. aber so ne sanfte, nette stimme. wie kann eine eiskalte giftspritze so viel charme haben?  
12.Goldhamster
als ich das erste mal den mut fasste, überhaupt jemandem von meinen schwulen gefühlen zu erzählen und mir dazu eine meiner besten freundinnen aussuchte, die auf mich scharf war, sagte sie, sie habe im spiegel einen artikel gelesen, dass sich schwule in san francisco goldhamster anal einführen würden, wo sie dann elend verendeten und einen darmverschluss verursachten, sodass fast alle schwule künstliche darmausgänge hätten. ich fragte mich, was um alles in der welt meine zarten gefühle mit goldhamstern in ärschen zu tun haben könnten. ob heteros auf kaiserschnittnarben angesprochen werden, wenn sie von ihrer ersten liebe erzählen?  
13. Kulturkontaktsanthropologie
Letzten Sommer war ich hin und wieder Sonnenbaden auf der Tiergartener Tuntenwiese. Einmal kamen zwei ganzkörperverschleierte junge Türkinnen vorbei, wohl von ihren Familien, welche auf der anderen Seite der Siegessäule grillen. Beim Anblick von einigen dutzend nackten Männern im Gras mußten die beiden loskichern. Ein klares, helles, befreiendes Lachen das mich und andere angesteckt hat. Sie lachten immer noch als sie wieder hinter den Büschen verschwanden.  
14.Malwegfahren
Auf der Autobahn lag Schnee | Niemand kümmerte sich um uns | Daniels Kinn sah schön aus | Während wir fuhren, dachten wir nach | Im Cassettenrecorder liefen "the clash" | Vor Merseburg mussten wir pinkeln | Daniel kaufte ein Mars | Während wir fuhren, sahen wir füreinander schön aus | Während wir fuhren, war unsere Beziehung fast schon Geschichte | Ich träumte davon fliegen zu können. Ich stellte mir vor fliegen zu können. Die Zeit verging nicht so: wie im Flug.  
15. Berlin vor 90
Mit siebzehn immer mal nach Berlin getrampt, ohne Ziel... aber was für eine Atmosphäre! Immer in irgendwelchen WGs geschlafen, morgens dann um sieben raus, Wohnungsschlüssel liegen in WGs immer in der Küche auf dem Tisch, und Brötchen geholt. Heißen die immer noch Schrippen? Durch fremde Straßen gelaufen auf der Suche nach einem Bäcker. Was für ein Licht! Die Luft war viel dichter, komprimierter, und die Morgensonne hat mir jedesmal das Herz weit werden lassen. Die ganze noch leere Stadt in erwartungsvoller Spannung, unglaublich klar... und atemberaubend schön.  
16. SSV im EKZ
Wir latschen durch Einkaufszentren, fahren Laufbänder hoch, der Regen prasselt zehn Meter über unseren Köpfen aufs Glas. Man wird so benebelt in diesen Häusern - am S-Bahn-Ring steht eins an jeder Station. Du magst plötzlich Jungs die normal sind. Homboy. Witboy. H&M. Wer sich solche Jacken kauft, scheint in Sicherheit zu sein; attraktiv, nicht wie ich. Ein bürgerliches Leben, eine helle Wohnung, ein regelmässiger Job. All das steckt in den Jacken aus dem Einkaufszentrum, die normale Jungs tragen. Wenn du es hast, dann verprasst du das Geld für eine solche Jacke in einer einzigen Nacht.  
17.Poser
Zu einer Party gehört tanzen, also tanzen sie. Wer am besten tanzt, hat die beste Party, also tanzen sie am besten. Sie brechen auf die Tanzfläche durch, stellen sich in der Mitte ab, und führen ihre sorgsam geklauten Bewegungen vor. Dann erwarten sie Applaus. Aber weisst du, was das schreckliche ist? Diese Leute haben keine Verbindung zur Musik. Sie sind hier, weil Party das soziale Ereignis ist. Fun ist Pflicht! Also demonstrieren sie Fun. Kann bitte jemand hingehen und ihnen ein LSD-Zäpfchen in den Arsch schieben?  
18. Alltag
Kueche, Spuele, Kuehlschrank, Gefrierfach - eine ueberschaubare Welt. Hinter der Ofentuer rechts die Topflappen, damit sich niemand die Finger verbrennt. Leises Surren der Elektrizitaet, ein Glas Orangensaft auf dem Tisch, fast ausgetrunken. Im Neonlicht der Lampe in der Abzugshaube spiegeln sich Deine Augen und verschwimmen im Dunst des Eintopfnebels.  
19.Vollbild
Bevor Jan starb, machte er eine Abschiedsparty, auf der er, an eine Wand gelehnt und von zwei Freunden gestützt, eine kleine Abschiedsrede hielt. Zwei Tucken sassen während dessen die ganze Zeit plappernd vor der Heizung. Seitdem hasse ich sie. Jetzt ist eine von ihnen im Spätstadium. Mein Freund wäscht ihre Wäsche. Ich hänge sie auf den Dachboden und hoffe, eines Tages so groß und stark zu sein, daß ich ohne Abschiedsparty gehen kann.  
20. Politgruppe
Beim Aus-dem-Fenster-Sehen erfinde ich ein neues Gefühl. Es ist eine Mischung aus Sehnsucht und Hoffnung, dass das Verliebtsein aufhört... Doch ich sehe immer nur sie, höre nur sie...niemand anderen... Wann geht das vorbei?