Gemeinsamer Rundgang der stellvertretenden Kulturhausleiterin und des Künstlers zur Ausstellung:
Queere Computer, what’s queer? and what’s fiction? (Teil 2)


Nachdem die stellvertretende Kulturhausleiterin und der ausstellende Künstler den Alan-Turing-Gedächtnis-Raum verlassen haben, blicken sie auf ein riesiges blinkendes Maschinen-Auge. Das hüllt den lange, aber schmalen Raum wie langsam atmend in mehr oder weniger rotes Licht

stellvertretende Kulturhausleiterin: ein Technologie-Puff?

Künstler: Nein, Hommage an HAL 9000

stellvertretende Kulturhausleiterin: Mit Verlaub, Ihrer Erotik dieses Machwerks kann ich nichts abgewinnen, dieser Kubrickschen Weltraumoper, in der Männer auf die Phantasien von Männern und an deren Grenzen stoßen.

Einschub für Nicht-Cineasten: HAL 9000 ist der Name des Computers in Stanley Kubricks berühmten Si-Fi Werk „2001-A Space Odysse“ Der HAL 9000 bekommt ein „menschliches“ Eigenleben, spricht mit den Besatzungsmitgliedern, denkt, plant, lernt, fühlt, ist eitel und mordet schließlich, um einen gemachten Fehler nicht eingestehen zu müssen. In einem Etappenfinale des Films kämpfen der letzte Überlebende in der Raumstation gegen das maschinelle Hirn der Raumstation: HAL 9000. Schlichtweg atemberaubend, wie in dieser Weltraumparabel über Wissen und Macht dem HAL die verstandesmäßigen Hirnfunktionen abgeschaltet werden, zudem man das Gehirn damals noch betreten muss – die Zentralrechner füllten damals noch Räume.

Künstler: Das durchaus Faszinierende an dem Maschinenepos ist, dass HAL als wimmernder gestellter Mörder emotionaler erscheint als Menschen. Die gefühlskalten Darstellung der Entgegennahmen bzw. des Aussprechens von Geburtstagsglückwünschen der Menschen lassen auf ein eher düsteres Menschenbild Kubricks blicken. Zwei Astronauten ähneln einander wie eine Computer dem anderen ähneln könnte.

Schweigen

Künstler: Als HAL merkt, dass er abgeschaltet werden soll, beginnt er, nach der Macht zu greifen. Das Superhirn konnte selbst Lippenlesen, um den Abschaltplan der Astronauten zu durchschauen. Es beginnt ein homoerotisches SM-Spiel um Macht und Überlegenheit: Mann gegen Maschine. HAL trifft als sonore freundliche, aber bestimmte Männerstimme auf seinen letzten Widersacher, einen Mann. Einer wird in diesem fiktiven Spiel der sein, der unterworfen wird. In Kubricks Weltraum-SM wird sich nicht einfach abgeschaltet, nein der Zuschauer kann sehen, wie HAL leidet. Wir als Voyeure können uns nicht entscheiden, dem einzig menschelnden Computer den Todesstoß zu versetzen oder nicht. Und schnell sind wir wieder bei der Frage, lebt ein Computer, was ist künstliche Intelegenz?

stellvertretende Kulturhausleiterin: Ganz ehrlich, ich kann Ihre Lust am Leiden nicht nachvollziehen und finde Ihre Hirngespinste erschreckend, männliche Omnipotenzfantasien!

Künstler: Ok; ein Grossteil sind als männliche Potenzfantasien beschreibbar, wie Teweleit (Autor des Buches „Männerfantasien“): „...als Weltbemächtigung - man bemächtigt sich bestimmter Prozesse mit Hilfe von Maschinen, man bemächtigt sich anderer Körper, und erlebt das als sexuell.“ (Quelle: Interview in Telepolis von W.Neuhaus mit Klaus Theweleit "Technokultur oder Barberei") doch führt er im gleichem Atemzug einen Kollegen zitierend an, dass „...das Ohnmachtsgefühl, der Maschine unterlegen zu sein, auch eine sexuelle Seite haben kann. Der Körper kann sie aufnehmen oder adaptieren, ohne es zu wissen, und anfangen, die Sexualität, die die Maschine ihm am Tag aufzwingt, zu "beleben" und sie tatsächlich zu agieren, wenn er mit einem anderen Körper sexuell wird. Das ist auch für Frauen möglich. Je mehr Frauen mit diesen Technologien in Berührung kommen - und das ist mit den elektronischen ja erheblich angewachsen in einem bisher nicht bekannten Ausmaß -, wird es genauso weibliche Bemächtigungs- wie Ohnmachtsfantasien geben. Wie auf anderen Gebieten auch, holen sie da diesen männlichen Vorsprung auf.“

stellvertretende Kulturhausleiterin: Jetzt mal halblang, soll das heißen, ich spiele mit den Fingern wie auf meiner Computertastur auf meinem, oder sagen wir ruhig auch meiner Gegenüber? Maggie-Thatcher-isk übernehme ich Männermachtfantasien?

Künstler: Gewissensfrage: Was spüren Sie beim Anblick der Herrscherin des Kollektivismus, der Borgkönigin (Star Strek) ?

stellvertretende Kulturhausleiterin: Abscheu, na ja zugegeben, den Kopf hebend, auch eine weiche Erhabenheit, die mir durchaus sympathisch ist.

Die Tür des nächsten Raumes öffnet sich. Lesen Sie beim nächsten Mal: Maschinenmenschen und künstliche Intelligenz auf der Suche nach sexueller Identität. Sie wollen Sex, nur welchen?
Info zum Kulturhaus: Das Kulturhaus "Ernst Meibeck" (Wer war Ernst Meibeck?) eröffnete am 12.12.2001 anläßlich des ersten Geburtstags von etuxx. Wie der Name schon vermuten lässt, ist Kultur drin und wartet mit ständig wechselnden Veranstaltungen auf uns und Euch. Film, Musik, Internetseiten, Kneipenprojekte, Imbissstuben oder die billigste Trinkhalle, Kultur hat viele Gesichter. E-Mail an kulturhaus@etuxx.com, z.Bsp., was hier unbedingt besprochen werden müsste!

Der E.M.-Kulturkalender:
Dezember 2001: Bücher - bedrucktes Papier für die kalte Jahreszeit
Januar 2002: Film - der E.M.-Projektor zeigt: "Reise nach Kandahar"
Februar/März 2002: E.M.-Ausstellung: Queere Computer, what’s queer? and what’s fiction? - Alan Turing
April 2002: E.M.-Ausstellung: Queere Computer, what’s queer? and what’s fiction? hal 9000


Was fehlt?: Geruch! Angstschweiß! Der Künstler sollte seine durchgeschwitzen "Ausstellungsaufbau-T-Shirts" vor die Lüftung legen. (tom)