Queer in Genua – queer nach Genua?
eine Gruppenvorstellung


von Lore Logorrhoe

Als sich in Berlin im Vorfeld der Gipfelproteste in Genua Leute trafen, um sich zu koordinieren, wurden einige Schwule und Lesben aufeinander aufmerksam und bekamen Lust, in Genua gemeinsam sichtbar als "Queers" aufzutreten. Sie gründeten die Gruppe "Queer in Genua", die aus ungefähr fünf bis zehn Schwulen und Lesben besteht. Die meisten studieren, aber nicht alle. Eine Migrantin mit kompetenter Kenntnis des Widerstandes gegen Neoliberalismus in Argentinien ist auch dabei. Sie alle sprühen Aktivismus und Tatendrang aus, sind aber auch neugierig auf aktuelle Theorie- und Strategiediskussionen.

In Genua wollte die Gruppe sowohl die Präsenz von Schwulen und Lesben innerhalb der Anti-Globalisierungsbewegung deutlich machen als auch darauf hinweisen, dass ihrer Meinung nach Schwule und Lesben besonders durch die neoliberale Umstrukturierung betroffen sind. Denn der Rückzug des Staates aus den sozialen Sicherungssystemen führt nach ihrer Einschätzung zu einem Wiedererstarken der traditionellen Familie, in der Schwule und Lesben nicht vorgesehen sind und Frauen Pflege- und Reproduktionsarbeiten zu übernehmen haben. Andere Lebensweisen bekämen dadurch immer mehr Schwierigkeiten. Natürlich kann man anzweifeln, ob wirklich Schwule und Lesben in ihrer Gesamtheit unter dem Neoliberalismus zu leiden haben oder ob sich die Community nicht vielmehr in GlobalisierungsgewinnerInnen und –verliereInnen ausdifferenziert und deshalb Vermögens-, Bildungs-, und Migrationsunterschiede die Community mehr und mehr spalten werden. Der "Gay Lifestyle" mit seiner Konsumfreudigkeit und Bindungslosigkeit ist mit einem neoliberalen Dasein als Selbstunternehmer sicher ganz gut vereinbar, man muss ihn sich nur leisten können.

Unter dem Eindruck der Teilnahme an den Gegendemonstrationen und der brutalen Polizeiübergriffe in Genua will die Gruppe jedoch auch in Zukunft weiterbestehen und sich politisch einmischen. Zu diesem Zweck veranstaltete sie bereits am 6.9.01 einen Informationsabend für Interessierte und NeueinsteigerInnen im Sonntagsklub mit Dokumentationsfilmen der Ereignisse in Italien und einem reichhaltigen Büchertisch mit einer Bandbreite von Antikapitalismus und Antirassismus bis Feminismus und Homo-Politik. Die Leidenschaft, mit der die Gruppenmitglieder dabei sind, weckt sofort Sympathien. Von nun an trifft sich die Gruppe regelmäßig donnerstags ab sieben im Lambda-Café iF in der Kopernikusstraße 23. Die Gruppe möchte einerseits queere Perspektiven und Belange in die gegenwärtigen linken Bewegungen einbringen und andererseits linke Themen in die schwule und lesbische Szene tragen, deren zunehmende Entpolitisierung sie beklagt.

Die politischen Ziele, die sie sich gesetzt hat, sind vielfältig und sollen nicht auf die Globalisierungskritik beschränkt bleiben. Zum Beispiel nahmen Mitglieder der Gruppe im Fummel an einer Protestaktion teil, als die CDU/CSU-Führung am Jahrestag des Mauerbaus gegen rote Socken wetterte. Weitere politische Erfahrungen konnten von einigen aus der Gruppe auch bei einer Hausbesetzung in Mitte gesammelt werden, die allerdings schon nach wenigen Tagen von der Polizei beendet wurde. Außerdem wurden schon Kontakte zur lesbisch-schwulen Arbeitsgruppe in der neuen Mega-Gewerkschaft ver.di geknüpft. Neben dem antikapitalistischen Schwerpunkt ist auch geplant, bei antirassistischen und antifaschistischen Aktionen mitzumachen. Anfang Oktober wird der deutsche Ableger von Attac, einem internationaler Zusammenschluss von GlobalisierungskritikerInnen, einen Kongress in Berlin veranstalten. Queer in Genua wird mit von der Partie sein.

Der Gruppe ist Erfolg zu wünschen. Hoffentlich hält sich so die Begeisterung noch eine Weile. Mit Neugierde kann man darauf gespannt sein, welche Ergebnisse die Auseinandersetzungen in der Gruppe, mit der Szene und innerhalb der Linken hervorbringen werden. Vielleicht müssen die Aktionsfelder noch etwas präzisiert werden, damit die Aufbruchenergie nicht verpufft. Die Einschätzung der Community und der Widersprüchen, die sie durchziehen, müsste vielleicht noch schärfer werden, um wirksame Eingriffe vornehmen zu können. Wo liegen die Unterschiede und Gemeinsamkeiten der schwulen und der lesbischen Szene? Wo gibt es Interessenkonflikte von Männern gegenüber Frauen, von Deutschen gegenüber Nicht-Deutschen, von Armen gegenüber Reichen, von Bildungsprivilegierten gegenüber Unterprivilegierten, etc.? Gründe gäbe es genug, damit (nicht nur) Lesben und Schwule sich wieder mehr politisieren.

Kontakt: queerig@yahoo.de

etuxx-Links zu Genua:
  • zum Nachlesen: der Polithooligan: eine Politikererfindung (etuxx Jun/Jul)
  • zum Essen: Gnocchi al pesto al Genova (Rezept)

  • Gucci Prada G8
    Kolja, aus der Provinz: das mit den mitgliedern im fummel hab ich noch nicht kapiert. was ist daran so wichtig? müssen queere lesben und tm auch fummel anziehn? sind femmes und tf im fummel revolutionär oder patriarchal?  
    typenberaterin: nein, aber es ziert doch ungemein!  
    Kolja: nein was?  
    Sandra von QiG: Im Fummel auf einer CDU-Veranstaltung aufzutreten, war unserer Meinung nach das politisch wirksamste Mittel, um schwul-lesbisch-queer aufzutreten. Sichtbare Provokation ist bei Menschen, die mit ihrem Geist am Zaun ihres geleckten Vorgartens vor 10000 Jahren hängengeblieben sind, effektiver, als sich den Mund fusselig zu reden. Mit Sätzen bespuckt zu werden wie "Schade dass die Genforschung noch nicht so weit fortgeschritten ist, dass es so etwas wie euch noch gibt" - was wir dort erleben mussten - ging mir in dem Augenblick jedoch nicht so nah, da ich aus meiner Rolle als Tunte aus Leibeskräften zurückkreischen konnte.  
    Kolja: was ist daran lesbisch? und queer ist es auch nur aus biomännlich-schwuler sicht.  
    Kolja: kein wunder, dass im cdu-forum ständig der csd für karneval gehalten wird.  
    Eule: die CDU hat gar nicht so unrecht, den CSD als Karnevall anzusehen, denn von wenigen Sachen abgesehen, verkommt er vieler Ort auch dazu. Auf einer CDU-Veranstaltung in Fummel aufzutreten ist provokanter, wenn auch nur aus, wie nanntes du es "biomännlich-schwuler sicht". Kolja, wenn es "nur" aus (nochmal) "biomännlich-schwuler sicht" provokant ist, ist es dann schlecht? Willst Du alle Welt- und die eigenen Widersprüche in eine Aktion packen?  
    topps off topic: Aus "biomännlich-schwuler sicht": gibts auch schwule, die keine biomänner sind? Das klingt aufregend.  
    Leo: Ich muß ausdrücklich den Auftritt bei der CDU-Veranstaltung loben. Die Tunten waren der Kristallisationskeim, um den sich die Proteste im mittleren Bereich gebündelt haben. Diepgen hat sich deswegen bei seiner Rede ziemlich verhaspelt, es war ein Genuß. Vielleicht tut's anstelle des Fummels auch Fetisch-Outfit, das wäre noch zu testen. Hat übrigens jemand den Fummel der parteieignen Security gesehen? Schwarze Anzüge wie aus billigen Mafia-Filmen, und die beiden Kleiderschränke von Chefs je eine Krawatte in Rot und in Gold auf schwarzem Hemd - Deutschland-Look, von der CSU gestellt.  
    Kolja: Eule: nix gegen die aktion. nur das label "queer" hat sie aus meiner sicht nicht verdient.  
    Kolja: schwule, die keine biomänner sind gibt es.  
    ein patentiertes queer-label...: ...gibt es nicht, kolja. ich finde deshalb nicht, dass du sowas vergeben solltest. aber du könntest ja z.b. mal sagen, was dich an der aktion stört. also: wenn es ein queer-label gebe, warum würdest du ihnen das nicht geben? und was müsste auf einer aktion passieren, damit es verdient wäre? -- so eine diskussion könnte sehr spannend sein.  
    Kolja: patent und label sind wohl zwei verschiedene schuhe.  
    Kolja: was mich stört, das ist der eindruck von uniformierung und ausgrenzung, den dieses "hochpolitische fummeltragen" bei mir hinterlässt. wer nicht fummel tragen will gehört nicht dazu. wer nicht ins schema einer "mann zu frau"-verwandlung passt, gehört nicht dazu. die frage, nach queeren lesben, tms und dem sinn einer darstellung von femmes und tf im fummel bekomme ich ja auch nicht beantwortet.  
    Kolja: hmm, ich meine nicht "darstellung von" sondern "auftritt".  
    raissa: tja, wenn ich schiedsrichterin wäre, würde ich jetzt sagen: sandra von qig, eule und leo -- da müsstet ihr dann wohl mal was zu sagen. was ist queer an 'queer in genua'? oder was soll daran queer werden?  
    raissa: kolja, also ich persönlich unterhalte ja einige freundschaften mit lesbierinnen (butches und femmes), die es sehr genießen, sich gelegentlich in fummel zu werfen. ihre 'sichtbarkeit' beschränkt sich dann auch nicht darauf, schlechte kopien schlechter (tunten)originale zu sein. und ich habe auch schon von einem ftm gehört, der nie so gut als "richtiger" mann durchging, wie an dem abend, wo er mit 20-mark-kosmetik im gesicht und luftballon-titten auf einer tuntenparty war. aber versteh das bitte nicht falsch, das ist nicht gemeint als "so muss man das machen".  
    Kolja: wieviel aufsehen haben denn die femmes im fummel bei der cdu-veranstaltung erregt?  
    Kolja: und ftm im fummel bei ner party hab ich auch schon erlebt. sind aber sicher nicht alle so drauf, ihre (eher traumatischen) jugendweihe- oder konfirmations-erlebnisse zu ehren linker politik wiederholen zu wollen. das ersetzt dann nur zwang durch eltern und großeletern durch den der peer group.  
    Kolja: wie gesagt, mir scheint dieses "politische symbol" ziemlich einseitig erdacht.  
    Kolja: knutschende/kuschelnde männer im banker outfit auf der cdu veranstaltung wären wohl genauso aufgefallen. was ja nicht heißt, dass fummeltunten nicht mitdürfen sollen. und analog sollte sich für alle anderen was finden lassen.  
    Lubby: topps off topic: Ja, gibt es !!!  
    off topic: Ich weiss, es gehört nicht hier hin, aber Könnt ihr nicht mal einen Artikel schreiben über Schwule die keine Biomänner sind? Wie kommen die zurecht mit den Schwulen? Haben sie Sex? In wen verlieben sie sich? Und was ist tm, tf und ftm?  
    off topic: Schon ein erster neuer Gedanke. Wenn sie sich als schwul begreifen, dann möchte ich fragen wie sie mit den _anderen_ Schwulen zurecht kommen.  
    Sascha B.: @ off topic: Die Etuxx-Redaktion erfüllt ja gerne LeserInnenwünsche. Nach etwa einem Jahr Online-Präsenz sind wir nun aber glücklicherweise so weit, nicht mehr alles selber schreiben zu müssen. Zwei Drittel der Beiträge der aktuellen Ausgabe sind nicht von Redaktionsmitgliedern verfasst. Und das ist auch gut so und soll so bleiben. Deshalb werben wir um neue AutorInnen. Magst Du nicht selbst was schreiben? Oder kennst Du jemanden? (p.s.: Kolja, Du bist hiermit übrigens auch angefragt...)  
    Kolja: hmm, sagen wir mal so, ich kann fürs erste zwei urls mit mehr infos anbieten und dann versuchen einen "erfahrenen" autor zu finden. ich selbst könnte nur meine persönlichen "befürchtungen" aufschreiben.  aus der homepage des transmann e.v.
    Kolja: und  auf der homepage des identx e.v.
    Lore: Lieber Kolja, danke für die Info und jetzt beruhige dich mal wieder. Niemand hat hier je behauptet, dass der Fummel die einzige und zwingende Form queerer Politik wäre. Du kämpfst hier glaub ich gegen Windmühlenflügel. Das Ganze ist übrigens mehr eine spektakuläre Performance und hat mit Alltagspraxis von transgender people eh wenig zu tun, beheuaptet das auch gar nicht.  
    Lore: Wie seht ihr aber das Verhältnis von Queer, transgender und Neoliberalismus?  
    Kolja: Lore: ich glaub du verstehst nicht, dass meine nachfrage lautet: ist qig eine rein schwule veranstaltung? schliessen aktionen von qig leute aus bzw. fühlen sich leute ausgeschlossen? das hat mit windmühlenflügeln nix zu tun.  
    Kolja: Lore: den alltag von einer aktion kann ich auch schon trennen. ehrlich! und sozialpädagogisches gefasel kann ich nicht ab!  
    schlaubär: queer und neoliberal schliessen einander nicht aus.  
    off topic: Danke für die transmannlinks  
    Leo: zu Raissa: Die Zielgruppe ist die Regenbogenfamilie, das ist queer. Den Haken an der Sache sehe ich eher darin, daß man versucht, eine besondere Betroffenheit selbiger Regenbogenfamilie durch die Globalisierung herbeizukonstruieren, anstatt einfach diejenigen in unseren Kreisen zu sammeln, die aus allgemeinpolitischen Gründen kritisch gegenüber der Globalisierung eingestellt sind. -- Der Fummel ist einfach ein Mittel, Irritationen hervorbrechen zu lassen. Das tut er ja sogar in der Diskussion hier. Er ist nichts, was einen besonderen politischen Unfehlbarkeitsstatus verleiht, aber das gehört eher in die Paulus-Spiel-Diskussion, da QiG keinen entsprechenden Anspruch erheben.  
    Leo: Die Gruppe knüpft ja nicht an das Tuntenhaus der 90er Jahre an, sondern reimportiert Aktionsformen aus dem sehr pluralistischen Kontext der Anti-Gipfel-Proteste. Die politischen Wurzeln von QiG liegen bei Mutvilla an der Humboldt-Uni. Bei der CDU-Veranstaltung waren Protestierer im Fummel, im Zeckenoutfit und im Demokratenzivil im CDU-Publikum und haben zusammengewirkt. Darauf kommt es an und hierin sehe ich auch die Chance für QiG.  
    Leo: by the way: Die "Hausbesetzung in Mitte" war die des "Centro Sociale Carlo Guliani" in der Andreasstraße im Friedrichshain am global action day am 20.8.01 und dauerte lediglich einige Stunden an. Eine andere Besetzung hat es in dem fraglichen Zeitraum in Berlin nicht gegeben, schon gar nicht über Tage hinweg. Bei den Organisatoren hat man noch nichts von "Queer in Genua" gehört, so das Ergebnis meiner Nachfrage.  
    Kolja: Leo, es freut mich, dass du Lores bericht etwas objektivierst. die fummel-debatte kann auch gern an anderer stelle weitergeführt werden.  
    Kolja: konstruktion von betroffenheit ist wohl ein prinzipielles schema von "vertretungs-politik", welches oft bei linken zu finden ist. man versucht dadurch als "mehr" zu erscheinen, integriert schon mal die, die es noch nicht "kapiert" haben. das ist zum einen ein selbstbetrug und zu anderen nicht sonderlich emanzipatorisch.  
    Alex: Nochmal einen zu Transmänner und Schwule - in der Queer, mindestens der Kölner, war ein Artikel zum Thema, zu finden unter http://www.transmann.de/Queer-0109-TM1.gif Die eine oder andere relevante Debatte gibts auch auf forum.transmann.de  TransMann
    Eule: Gestern war doch "Queer in Afghanistan", bzw. "Queer in Genua" machte eine Veranstaltung zum Thema Militäreinsätze in Afghanistan - Was können wir dagenen tun? Gab's da eigentlich Erkenntnisse? Gibt es einen Korrespondenten?  
    Leo: zu Kolja: Wir leben nun mal noch im Zeitalter der Repräsentativsysteme, da ist das ein klassischer Anfängerfehler, den nahezu jeder macht. Je mehr man sich um praktische Konzepte kümmert, um so eher verschwindet dieses Denken auch wieder. Ich habe es in anderen Zusammenhängen schon erlebt, daß sich anfangs harmlose Repräsentantenmentalität zu elitärem Alleinvertretungsanspruch verfestigt hat, aber dazu sehe ich hier keine Gefahr. QiG sind ja keine Sekte, die sich von der lesbischwulen Szene und der Heteropolitszene abkapselt, sondern sammeln Erfahrungen mit beidem und die dürften sicherlich Konsequenzen auf der Analyseebene haben.  
    Leo: Politikziel kann es nicht sein, den Leuten die Motivation zu erläutern, die sie aufgrund identitärer Zugehörigkeit eigentlich haben müßten und drauf zu drängen, daß sie sich entscheiden, sondern denen, die sich von sich aus entschieden haben, folgerichtige Konzepte sowie praktische Handlungsmöglichkeiten und Experimentierfelder anzubieten. Und eine wie auch immer "queere" Politikform könnte mit vielen Dingen, die in der Heteropolitszene jeder für sich individuell verarbeiten muß - beispielsweise der Politik der Angst, die die EU-Regierungen seit Göteborg betreiben - versuchen, etwas kollektiver und offener umgehen.  
    Kolja: Leo, wir drehen uns im kreise: du erklärst es gäbe eine haken, ich erkläre weshalb es so ist und du erklärst mir selbiges nochmal aber dann hebst du deinen haken wieder auf, weil du nun doch keine gafahr siehst? sorry, ich kann dir nicht folgen.  
    Leo: zu Kolja: Ich habe Voraussetzungen genannt, unter denen genannter Haken zu einer Gefahr mutieren könnte, und behauptet, diese sind nicht gegeben. So ist er halt lästig, aber eben nicht destruktiv. Ist daran was unlogisch?  
    Kolja, aus der Provinz: aha, du siehst "vertretungs-politik" nur im im kontext von "alleinvertretungsansprüchen". okay, den kurzschluß hatte ich nicht begriffen. wohl weil ich das nicht so sehe. ich sehe auch ein elitäres reden ohne zuzuhören als möglichen auslöser solcher entwicklungen.  
    Leo: Ich glaube Du bewertest QiG überskeptisch. Es sind einfach nur politische Neulinge.  
    Sascha B.: Meine Erfahrung mit QiG: Eine Infoveranstaltung im "Ackerkeller" "zu Genua" - wie es in den Ankündigungen hiess. Ganz schnell kam die Rede auf: "Was bedeutet die Globalisierung für "uns" (Lesben und Schwule)". Nächster Gedankenschritt: Sie bedeutet (u.a.) Homoehe (= Privilegien für Anpassungswillige). Wir sind dagegen! - Eine Karikatur des Prinzips: Global denken - lokal handeln! - Leo, Deine Rede von "politischen Neulingen" ist weitaus perfider als eine skeptische Bewertung von QiG. Der von mir erlebte QiG-Abend bestand aus nichts als Betroffenheitsgequatsche - was mein anfängliches Interesse doch erheblich reduziert hat (um es vorsichtig auszudrücken).  
    Lore: Sascha, meine Eindrücke auf der Info-Veranstaltung im Sonntagklub waren da andere. Es ging nicht nur um subjektive Betroffenheit und die schwul-lesbische Perspektive war nicht die einzige auf den Neoliberalismus.  
    Kolja, aus der Provinz: ich nehme an, der "Ackerkeller" und der "Sonntagsklub" sind zwei verschiedene orte. somit handelt es sich um eindrücke verschiedener menschen aus verschiedenen veranstaltungen...  
    Bert the Evil: und ich dachte, genua meinte die gipfelstadt in italien und nicht 'ne szene-kneipe. endlich den thread verstanden! also, kolja: warum sollte man nicht im fummel, auch nur im fummel ins "genua"! aber wenn das "genua" In iss, iss man dann noch queer, wenn man rin...  
    Sascha B.: Danke für die Klarstellung, Kolja.  
    Lore: War jemand auf dem Attac-Kongress? Was war euer Eindruck?  
    B.: der attac-kongress war eine bereicherung in bewegungsarmen zeiten. es war eine art jahrmarkt der möglichkeiten, bei der radikale gesellschaftskritik einen raum bekommen hat. obwohl es natürlich viele dinge an attac zu kritisieren gibt. fehlendes kapitalismusvertsändnis, genauere analyse des nord/süd konflikts, und der fehlende krisenbegriff. ich empfehle zum lesen: sonderheft der iz3w, soziale bewegungen.  iz3w-link
    blick zurück: @ off topic (und die frage nach den schwulen nicht-biomännern). den text will ich auch lesen (nicht schreiben...), weil er das queere herz sicher aufwühlen würde. mich nervt die ewige gleichsetzung von queer = schwul + lesbisch. habe z.b. den eindruck, dass es bald einfacher ist, schwul zu werden als sozial lesbe und dabei sexuell hete zu sein. zum glück bleibt da vorerst noch "queer" als schildchen (das leider niemand versteht: die heten verstehen gar nichts, für die homos heisst es schlicht schwullesbisch - auch dank der schlimmen zeitung "queer"). wie wärs mit einer "queer"-ausgabe von etuxx? oder einem abzweig, denn hier gehts ja um genua...  
    Lore: möchtest du, blick zurück, nicht an so einer ausgabe mitwirken und einen artikel dazu schreiben, dass queer mehr sein sollte als schwul+lesbisch? Bitte, bitte!  
    blick zurück: ich als hete? schwierige frage. ich glaube, ich würde lieber hier erst mal friedlich darüber plaudern, bevor ich mich den homos zum fraß vorwerfe...  
    Lore: blick zurück, du kannst nicht einerseits auf deinem hetentum beharren und andererseits darauf beharren, dass queer mehr ist als schwul-lesbisch. No fucking identity politics, please. Und schon gar nicht von Heten, das wird immmer reaktionär.  
    blick zurück ak alien: einspruch. "hete" ist eine befürchtete oder ironische zuschreibung, mehr nicht. bevor das identität wird, müsste noch einiges passieren. wenns es allerdings nur schwul, lesbisch und hete gibt, nehm ich unter homos letzeres. für die heten bleibe ich gern die lesbe. queer als akademische glaubensrichtung von heten, die sich ansonsten zu langweilig finden, ist mir allerdings auch fremd. damit gibts wohl etliche negative erfahrungen, oder? wüsste gerne, vor welchem hintergrund du dich so aufregst. identitätspolitik? ich würde eher sagen: alltagsstrategien.  
    Kolja: "queer" muss wohl dann "heten" integrieren, wenn es mehr als "schwul-lesbisch" sein soll. und damit ist "hete" dann nicht mehr das gegenteil von "queer". höchstens könnte vielleicht ehe-interner-hetero-sex in missionarsstellung als das gegenteil von "queer" definiert werden.  
    Kolja: wobei zu beachten ist, dass Lore ja noch eine zweite begriffsdefinition vorrätig hat: "queer" ist "auftritt im fummel". ergo: ver keinen fummel anzieht, ist das gegenteil von queer. - ich bin unqueer.  
    blick zurück: sind dann heten im fummel queer? ist ein gummischwanz an biofrau fummel? überall oder nur in der öffentlichkeit? oder besser nicht? als tusse auf bestimmte lesbenpartys zu gehen ist ein kleines bisschen queer. wenn ich mit ein paar transen als ebensolche ins kitkat gehe, wär das eher ein ausflug in die erlebnisgastronomie. was ist der gegenpol von normehesex? normlesbenehesex? geradeausdenken hilft bei dieser frage nicht wirklich weiter. die leute machen mit den begriffen wozu sie lust haben. wie ein freund von mir: die rattenbar sei "gar nicht schwul, es gebe ganz viele punks da"  
    Kolja, aus der Provinz: da bin ich gespannt, ob du nu ne antwort bekommst.  
    Lore: Kolja, fang doch bitte nicht wieder mit diesem Hick-Hack an. Es ist absurd zu behaupten, ich sei der Ansicht, das einzig und alleing ein Auftritt im Fummel queer wäre und sonst nix. Schade finde ich, dass es schon wieder nicht um Neoliberallismuskritik geht.  
    Sascha B.: Tja, Lore, hier geht´s jetzt eben um "queer" und nicht um "Genua" - aber das ist doch das Schöne an Etuxx... :-) Noch ein Verständnis von "queer": natürlich sollte das (bestimmte) Heten einschliessen und umgekehrt viele Lesben und Schwule ausschliessen! Wenn "queer" wirklich queer sein soll, dann meint es die Subversion auch von Homo-Identität. Wie schön, dass die "Rattenbar" nicht gar so schwul ist - vielleicht ist sie ja sogar ein bisschen queer?!  
    Kolja: Lore: tief in dir drin bist du genau dieser ansicht, ja!  
    Leo: Gerade gefunden: Zum Fummeltragen  verurteilt
    Nachrichten Kontroll Service: s. auch etuxx aktuell, Leo Du entäuscht! - wir hatten gehofft, Du kuckst hier regelmäßig alles durch, aber so kann man sich täuschen;-)  
    penetratrix: ein link von der akademischen seite. wenn das queer theory sein soll, ist sie zumindest unterhaltsam. obwohl mir die botschaft zu banal ist: the penetrator is now the penetrated. so what?  Queer man-fisting women
    Lore: Gaanz tief in mir drin ist vielleicht der Schwanz von meinem Macker. Und was ist gaaanz tief in dir drin, Kolja? Ich glaub ich krieg grade nciht alle meine Schakren zusammen.  
    Kolja: ganz tief in mir drin ist ostdeutsche arroganz gegenüber schwafel-wessis und gutmenschen.  
    Leo: Kontro, ich wollte mich eigentlich gar nicht um den Posten des Mr. Aktuell bewerben, sondern hatte auf Kommentare aus dem queer-Kontext gehofft. Jedenfalls habe ich die Story einer australischen Bekannten erzählt, woraufhin diese meinte, sie sei genau die richtige, um die Deliquenten einzukleiden. In der Heten-SM-Szene in Sydney wäre "forcing a submissive to wear womens clothes as an humiliation game" weit verbreitet. Ist das noch oder schon queer?  
    Kolja: schon nicht mehr *gähn*  
    Sandra: Hallo Leo, hier Sandra von QiG: Eine Richtigstellung wir sind nicht von Mutvilla aber wir haben aktiven Kontakt. Bei der Besetzung vom Carlo Guilliani Haus im August war ich als QiG Mitglied Mitinitiatorin der Besetzung. Außer mir gab es noch mehr Homosexuelle, die auch mitmachten und diese Gruppe ist weiter aktiv.  
    Leah: ob schwule und lesben spezifisch von "neoliberalismus" (vereinfacht ausgedrückt)betroffen sind...ich bezweifle es. offen lesbisch im arbeitsleben stehend, habe ich aber sehr wohl die erfahrung gemacht daß am ehesten auf althergebrachte formen von ausgrenzung zurückgegriffen wird wenn der wind mal wieder mehr von vorne kommt.  
    Leah: die soziale situation von "queers" ist auf jeden fall unsicherer als die der durchschnittsbevölkerung. die akzeptanzfrage steht uns bei themen wie beruf, öffentlichkeit, sichtbarkeit im weg. nicht vergessen sollte man außerdem daß immer noch vielen von uns familiäre unterstützung vorenthalten wird.  
    Leah: dies äußert sich nicht unbedingt in form von direkter ablehnung, auch fehlende selbstverständlichkeit im umgang kann verunsichern. gerade dann, wenn man schon als sehr junger mensch das coming-out hat, was ja erst mal oft als krise erlebt wird, fällt diese mangelnde fürsorge für mich unter "schlechte starbedingungen".  
    Leah: zweierlei sollte man nicht durcheinander bringen: schwule haben als männer (und nur als diese konnten sie eine tradition von gegenseitiger förderung in MANCHEN bereichen der schwulen alltagskultur entwickeln, auf die zurückgegriffen werden kann) einen anderen stand als lesbische frauen. als beispiel: eine untersuchung in new york ergab daß schwule unter den obdachlosen der stadt unterrepäsentiert, lesben dagegen überrepräsentiert sind.  
    Leah: daher halte ich es für ungenau, die verschiedenen "queers" unter einem schlagwort zusammen zu fassen. zweitens gehen wir zu stark von unserer situation aus. soziale spannungen die durch wirtschaftliche zusammenbrüche verschärft werden, entladen sich in kulturen die (noch) weniger tradition für liberalität haben als wir, oft in ethnischer, nationaler oder religiöser radikalisierung die seines gleichen sucht. solche tendenzen kriegen "randgruppen" aller art als erste zu spüren.  
    Leah: in einigen afrikanische staaten z.b. wird seit 1-2 jahren wieder ganz verstärkt gegen homosexuelle front gemacht. ich denke schon daß man das auf antiwestliche stimmungen ("degenerierte westliche lebensart") und konkrete not zurückführen kann.  
    Lore: Liebe Leah, ich finde deine Kommentare sehr interessant und zutreffend. Der Begriff "queer" wurde allerdings meines Wissens gerade dafür geprägt, eben keine falsche Einheitlichkeit aller "queers" zu suggerieren, sondern die inneren Differenzen und Widersrpüche deutlich zu machen. Natürlich schleift sich so ein Anspruch im Sprachgebrauch schnell wieder ab.  
    Lore: Deine Einwände bestätigen doch auch, dass die von dir beschriebenen Diskriminierungen nicht alle Homosexuellen, weil sie homosexuell sind treffen, sondern dass Geschlecht und Staatsangehörigkeit und Hautfarbe eine ebenso wichtige Rolle spielen. Der "Gay Lifestyle" ist gerade nicht vom Neoliberalismus bedroht, sondern hat darin eine Avantgardefunktion. Aber wer kann und will sich diesen Lifestyle leisten?