kulturhaus
rezension # 26




Cover

Dr. phil Volker Woltersdorff
aka Lore Logorrhöe
hier auf dem Titel ihres Buches.
Sie ist Mitglied von etuxx
und wissenschaftlicher Mitarbeiter
am Institut für Literaturwissenschaft
der FU Berlin


Coming OUT.
Die Inszenierung schwuler Identitäten zwischen Auflehnung und Anpassung

300 Seiten
24,90 Euro
ISBN 3-593-37851-5




Coming IN and Coming OUT

Sind wir nicht alle ein bisschen Coming Out, mal mehr oder weniger In oder Out? Erst neulich auf meinem Weg nach Babelsberg. Zwischen Schöneberg und Zehlendorf stiegen zwei jüngere Typen in die S-Bahn, die mit ihren Baggys und den dazugehörenden Kapuzenshirts die Inszenierung „HipHop On The Tracks“ aufführten. So weit so sexy, dachte ich mir und wollte mich wieder in die Lektüre meines Buches vertiefen, was mir aber nicht mehr gelang. Denn beide hatten mir gegenüber Platz genommen und begannen zu tuscheln. Es war der Titel des Buches, der ihre ganze Aufmerksamkeit beanspruchte: „Coming Out. Die Inszenierung schwuler Identitäten zwischen Auflehnung und Anpassung“. Plötzlich war es wieder da: Mein Bedürfnis nach Erklärung und Selbstbehauptung. Das Gefühlphp , etwas sagen zu müssen und deutlich zu werden. Etwas, das mich an früher erinnerte, die Zeiten meines eigenen Coming Out.

Nun also hat sich Frau Doktor dieses Themas angenommen, in ihrer Doktor-Arbeit. Sie ist damit endlich auch hochkulturell das geworden, was sie subkulturell längst schon war. Frau Doktor ist nun auch Herr Doktor. Sein Bericht einer literaturwissenschaftlichen Forschungsreise durch dreißig Jahre schwule Identität hat es ihr möglich gemacht, und ich gratuliere. Denn wer sich auf diese Reise mitnehmen lässt, muss zwar viele ungestörte S-Bahn-Fahrten machen, erhält aber dadurch einen neuen und sehr viel tieferen Einblick in die Materie. Coming Out ist eben nicht nur die mehr oder weniger geglückte Selbstbehauptung. Unter den heutigen, vornehmlich westlichen Verwertungs-Bedingungen hat es viel von seinem emanzipatorischen Potential eingebüßt. Wir lernen, dass das im Wesen des Coming Out bereits angelegt ist, denn das schwule Bekenntnis war schon immer beides zugleich: Anpassung an gesellschaftliche Norm und Auflehnung dagegen. Die Doktoren Logorrhöe und Woltersdorff behaupten, dass es hier nur eine Verschiebung gegeben hat. In Richtung Anpassung nämlich, als anerkannter Teil eines allgemeinen Selbstfindungs- und Individualisierungsprozesses, der ja inzwischen Mode ist. Den Blick in andere Länder, wie z.B. jetzt gerade wieder Polen ausgenommen.

Die Arbeit steht in direkter Fortsetzung der Kritik an der Identitätspolitik, wie sie in Auflehnung gegen den Mythos „Stonewall“ (nicht das Ereignis) Ende der 80er Jahre vornehmlich in den USA laut wurde. Neu innerhalb dieser Entmythologisierungs-Debatte ist die Art der Betrachtung, der Fokus auf das Performative, den Prozess der Darstellung schwuler Identitäten zwischen Konstruktion und Dekonstruktion. Neu und gewinnbringend ist auch der interdisziplinäre Ansatz, mit dem hier der Werk-Begriff der Literaturwissenschaften gesprengt wird, indem das Coming Out selbst zum Werk erklärt wird. Durch diesen Kunstgriff meisterlicher Hand eröffnet sich eine Fülle an Coming Out Material. Neben Lyrik, Prosa und Autobiografien sind es auch theoretische und politische Schriften, die analysiert werden, Ratgeber, Filme, Fernsehsendungen und Fotografien. Selbst das Internet und die eigenen Erfahrungen in der Szene bleiben nicht außen vor.

Der trockene und für Außenstehende oftmals nur schwer nachvollziehbare Theorie-Diskurs erhält gerade dadurch immer wieder so viel Saft, dass man als Normalsterbliche dranbleibt. Auch die klare Gliederung in drei ungefähr gleichgroße Teile mit einer Einleitung und einem Ausblick stimmt versöhnlich, weil dadurch die permanente Gefahr der Desorientierung innerhalb des philosophischen Diskurses weitestgehend gebannt ist. Nach einer historischen Analyse (Kapitel 2+3), in der das Konzept des Coming Out und seine Praxis in den vergangenen drei Jahrzehnten nachskizziert wird , untersucht Teil Zwei (Kapitel 4+5) in einem Theoriediskurs die Dialektik des Coming Out Prozesses im Spannungsfeld zwischen Normativität und der Ideologie, die das Coming Out selbst produziert. Dabei wird deutlich, wie das Bekenntnis zu einer politischen Strategie geworden ist, indem sich individuelle Lebensentwürfe politisierten. Mit der damit einhergehenden Zunahme an Normalisierung ging das subversive Potenzial immer mehr verloren, ist aber nicht völlig verschwunden, was Anlass zu Hoffnung gibt. Der dritte und letzte Teil (Kapitel 6) befasst sich schließlich mit den Motiven des Coming Out in seiner wandelnden Ästhetik. Wer sich hier ein bisschen mit Foucault auskennt, wird verstehen, wo die heutigen Grenzen der von ihm propagierten Technologie des Selbst liegen.

Leider wirkt das Vorhaben, möglichst viel in den Theorie-Diskurs einzubinden, am Ende doch mehr distanziert als teilnehmend. Das Versprechen persönlicher Anteilnahme wird nicht ganz eingelöst. Der Diskurs verlässt nicht wirklich den Schreibtisch, weshalb der Eindruck zurückbleibt, bei aller Bemühung nicht auf den Punkt gekommen zu sein. Wissenschaft und gelebtes Leben sind eben doch verschieden, und auch der für Frau Doktor typische Logorrhöe-Stil, die Lust am Gezwirbelten, wirkt da nicht gerade vermittelnd.

Die Arbeit ist dennoch ein Muss für alle, die schwulenpolitisch arbeiten, was immer auch heißt identitäten-politisch. Sie liest sich streckenweise auch richtig spannend. Als S-Bahn-Lektüre ist sie allerdings nur geeignet, wenn eine Einzelfahrt über mindestens fünfzehn Stationen geht. Da schafft die Normalsterbliche mit einiger Konzentration ungefähr zehn der 300 Seiten. Wenn keiner intelligent Akkordeon spielt oder blöd rumtuschelt.

Baella van Baden-Babelsberg

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