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Na, Du geile Faschosau?!
Es gibt keine schwulen Skinheads - es gibt Schwuchteln mit Glatze.
Schwule Restlinke sollten sich über das kleinere Übel freuen.


von M.B. erschienen in Tuntentinte Nr.16 "Mythos Sexualität" (Juni 1998)

Glatzen und kein Ende. Durchgeknallte, finstere Zombies in B-Jacke und Springerstiefeln treiben sich auf Sex-Party-Events wie dem SNAX rum. Hinter der rauhen Schale des Männlichkeitswahns allerdings sieht es - noch ekelhafter aus: Kommunikationswissenschaft studierende Tanzmäuse oder Designer mit einem gewissen Hang zum Proletarischen findet man da. Pfui Teufel, sagt sich die antideutsche Schwuchtel und ertappt sich dabei, wie sie schon wieder so einem Kostümfascho hinterhersteigt. Denn am allerschlimmsten ist: Die meisten sehen schweinegeil aus.

Sie sehen echter aus als alle Faschoglatzen Ostdeutschlands; manche wissen sogar mit dem Wort "Skinhead" was anzufangen (keine Haare und so), noch ein paar weniger haben sogar mal gehört, daß es da nicht nur rechte, sondern auch antirassistische (hä?! - ach die, die nix gegen Türken haben) und sogar linke geben soll. Eine verschwindende Minderheit will dir einreden, ihr bedeute die Kultur was-: Auch wenn sie dir zehn Ska-Combos aufzählen und die Geschichte der Bewegung von ihren Anfängen bis heute referieren kann - glaube ihr nicht! Ihren Sex-Appeal jedoch beziehen sie alle von stolzen deutschen Pubertierenden, niedlichen Monstern in knackigen Jeans und geilen Stiefeln, mit weichem Gesicht, süßem Lächeln und unbändigem Vernichtungswillen gegen alles Undeutsche. Um deren Geilheit und immanente Homosexualität ("Was trennt einen schwulen von einem Hetero-Skin? Antwort: 6 Bier.") basteln Schwule Mythen, die per se mit Sex nichts zu tun haben, dafür aber einiges mit dem Übermenschen. Z.B. den, daß deren perverse Brutalität Ausdruck einer anderen, ausbeutbaren perversen Ader ist - kurz: daß ihr Sex pervers ist. Oder den gegenteiligen, daß die so widerlich gewalttätigen Monster liebe, sanfte Jungs sein können, die nach Liebe schreien. Oder den ganz allgemeinen, daß prolliges Auftreten, laut und besoffen sein, auf Ungebremstheit auch beim Sex deutet.    

Wie auch immer man die eigenen Phantasien zum Kochen bringt: Männlichkeitswahnsinnig sind sie alle und fast immer ist Tuntenfeindlichkeit mit von der Partie, wenn es gilt, sich als Mann zu konstruieren, d.h. beobachten zu lassen. Fast kein Gespräch nach dem Sex ohne Hinweise auf irgendwie ungute Begegnungen mit Tunten und die implizite Forderung nach Zutrittsbeschränkungen für sie. Es wird einem klargemacht, daß sie sich überall ausbreiten und überhaupt die Schwulen insgesamt in Verruf bringen - schwuchtelige Technopuschels, die dir pausenlos zu Verstehen geben, wie zuwider ihnen die Schwulenszene ist und die dann "Hetero-Optik gewünscht" in ihre Anzeigen schreiben, sind eine unangenehme Folge.

Natürlich kann man über den schwulen Glatzenkult lachen, der, es sei nochmals gesagt, seinen Ursprung in ostdeutschen Neubaugebieten und nicht in England hat. Doch es ist einem schon nicht mehr zum Lachen zumute, wenn sich schwule Echtheitsfanatiker nun auch noch zum Letzten durchringen und nur noch auf von ihnen mißhandelte Migranten abspritzen wollen (Das Internet erlaubt durch einschlägige Recherchen den Nachweis, daß dies kein erdachtes krasses Beispiel, sondern krasse Realität ist.). Spätestens hier hat sich der Kult verselbständigt und wird bekämpfenswert.

Weshalb soll sich die gemeine Schwuchtel mit Hang zum härteren Sex nicht dieser Codes bedienen dürfen; warum wird hier gemäkelt, wenn doch die Allermeisten von ihnen irgendwie sozial und linksliberal, doch keinesfalls rechts eingestellt sind? Aus dem einen und einzigen Grund: Weil dieser ganze Zauber das Ziel hat, Echtheit vorzutäuschen, weil der akademische Mittelbau in Prolloutfit nicht zufällig Stiefel oder B-Jacken geil findet, sondern weil er mit der Pöbeljugend aus Rostock-Lichtenhagen und Hoyerswerda verwechselt werden will.


Doch wie kämpft man dagegen? I´m starting with the man in the mirror führt dazu, daß ich solche Fickparties nicht mehr besuchen dürfte. Dann aber fällt sowohl der Spaß weg, als auch jede Möglichkeit, den Leuten ihre Dummheiten vorzuhalten; denn das zumindest ist durchaus möglich, wenn sie wieder mit ihrem Männlichkeitsgewäsch anfangen. Ein weiteres ist die Reflexion - wer die Gefahren thematisiert hat, ist mindestens gefeit vor Verharmlosung ("ist doch alles nur Fetisch").

Ein drittes wäre, zwar auf die geilsten Insignien (Bombe, Stiefelchen) nicht zu verzichten, aber doch erkennbar nicht als Fascho bei dieser sehr speziellen Art von Fasching aufzutauchen. Was sollte uns daran hindern? Respekt gegenüber Jugendkulturen?! - Fuck! "Ich kenne keine Subkulturen mehr, ich kenne nur noch Zeichen." Wie hieß es neulich so schön in der Leib-und-Magen-Zeitung? - Hab mich gerne, Postmoderne!

Der Zeichengebrauch ist freigegeben. Punk ist seit Jahren dead und trotzdem sehen wir seine Codes auf den Straßen, den Skins geht's nicht anders und trotzdem stapfen immer mehr Männer weit über 30 als "Skinheads" durch ostdeutsche Straßen, manchmal ist ihre Haarpracht allerdings so lang, daß sie einen extra Skinhead-Aufnäher benötigen, um die Herde anzuzeigen, zu der sie gehören wollen (beim Paradoxon der Übermenschen-Herde rotiert olle Nietzsche hoffentlich im Grab).

Daß normale Schwule sich etwas im Glanz vermeintlich komplett autonomer Übermännchen sonnen wollen, ist menschlich verständlich; daß die haßverzerrten Gesichter rassistischer Jüngelchen die Phantasie mindestens der SM-Schwuchtel anregen, geradezu logisch - wenn wir es schafften, ihnen klarzumachen, daß sie einerseits ihre Phantasien nicht aufgeben müssen, andererseits es für sie aber weder erreichbar, noch überhaupt attraktiv ist, so zu sein wie ihre jetzigen Vorbilder, dann wäre schon einiges gewonnen.

Das ist wieder mal kein Programm hin zu einer grundlegenden Verbesserung, sondern lediglich das kleinere Übel. Die völlig überzeichneten Skin-Karikaturen in den Clubs und Lederbars dieses Landes sind lächerlich und oftmals trotzdem geil; schwule Kopien heterosexueller Originale werden gefährlich. Wir können froh sein, daß wir es überwiegend mit Ersteren zu tun haben. Sie bilden eine Teilmenge des deutschen Mobs, die durchaus noch Skrupel besitzt. Ihre Springerstiefel haben sie glücklicherweise nur zum Ablecken. Wenn sie jetzt noch Kenntnis davon besäßen, wie obsolet und gänzlich brüchig ihre zur Schau gestellte Männlichkeit ist, wäre kaum mehr etwas kritikwürdig an ihrem Verhalten. Unsere Aufgabe ist es, sie zu solchen Überlegungen zu zwingen.

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